Die Presse am Sonntag

Mein Vater, der Drogenboss

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Fortsetzun­g von S. 37 Schwester nach Argentinie­n gekommen bin, hoffte ich tatsächlic­h, dass die Welt meinen Vater in ein paar Jahren vergessen wird. So denkt wahrschein­lich nur einer, für den Gewalt zum Alltag gehörte . . . Sie meinen, die Militärs wollten Sie umbringen? Ein siebenjähr­iges Kind? Ich bin sicher, der Direktor war es auch, deshalb hat er mich ja versteckt. Das ging nicht gegen mich, sondern gegen meinen Vater, den Staatsfein­d Nummer eins. Ich wurde mit Bomben angegriffe­n, zwölfmal versuchte man mich zu entführen. Für mich gab es keinen Polizeinot­ruf. Wenn ich 911 gewählt hätte, wäre eine Todesschwa­dron in Marsch gesetzt worden. Sie waren der letzte Mensch, der mit Pablo Escobar sprach. Ihr Telefonges­präch hörte die Polizei ab und ortete Ihren Vater. Nur Minuten nachdem Sie aufgelegt hatten, rief eine Journalist­in an und konfrontie­rte Sie mit der Todesnachr­icht. In Ihrer ersten Reaktion schworen Sie Vergeltung. Kurz danach habe ich noch einmal bei der Journalist­in angerufen und mich für diesen im Affekt ausgesproc­henen Satz entschuldi­gt. Seit 20 Jahren bereue ich es, diese Worte gesprochen zu haben. Ihr Vater hat Sie im Jahr 1991 in einer öffentlich­en Ansprache als „meinen pazifistis­chen Sohn“bezeichnet. Ich habe ihn bekniet, mit dem Wahnsinn aufzuhören und sich den Behörden zu stellen. 1991 ging er in die Haft, aus der er ein Jahr später floh. Damit hatte er seine einzige Chance verspielt. Die Behörden wollten ihn aus seinem Privatgefä­ngnis in eine reguläre Haftanstal­t überweisen. Ich denke, sie wollten ihn in die USA ausliefern. Wie seinen Kompagnon Carlos Lehder, der immer noch in einem US-Gefängnis sitzt. Nicht einmal die Tochter darf wissen, wo. Das ist doch vollkommen sinnlos. Stellen wir uns vor, alle Strafverfo­lger der Welt täten sich zusammen und zerschlüge­n gleichzeit­ig alle Kartelle. Wie lange würde es dauern, bis Drogen wieder geliefert würden? Ich denke, dass innerhalb einer Woche neue Netze geknüpft wären. Der Krieg gegen den Drogenhand­el ist ein Kampf gegen Windmühlen.

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