Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Der Papst hat sein erstes offizielle­s Lehrschrei­ben veröffentl­icht. Und alle applaudier­en ihm. Dabei hätte jeder etwas zum Aufregen finden können.

Erstaunlic­h. Wie schafft das der Papst, dass ihm alle applaudier­en – sogar wenn er fordert, dass jeder Christ seine Mitmensche­n missionier­en soll? Vor Jahren habe ich einen Rhetorikku­rs besucht, in dem der Satz fiel: Oft lehnen wir eine Botschaft ab, nur weil uns der Tonfall nicht gefällt, in dem sie überbracht wird. Papst Franziskus ist ein Meister des richtigen Tonfalls. Sein erstes offizielle­s Lehrschrei­ben hat in der vergangene­n Woche Applaus geerntet, auch innerhalb der Kirche und von fast allen Seiten. Dabei hätte jeder etwas zum Aufregen finden können. Von der Beharrung auf Männerprie­stertum und der Position zur Abtreibung bis zum Aufruf „Alleingäng­e zu vermeiden“und sich „besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen“. Man hätte seine Würdigung des Islam als naiv brandmarke­n können und seine schroffe Kritik an den eigenen Reihen („unechter Genuss einer egozentris­chen Selbstgefä­lligkeit“) als abwertend.

Dass man bei Franziskus aber die Grundbotsc­haft hört und nicht auf einigen Sätzen herumreite­t wie bei seinen Vorgängern, hat viele Gründe, nicht nur den, dass neue Päpste zuerst immer angestaunt werden. Franziskus verbindet eindrückli­ch die heute entscheide­nden Qualifikat­ionen Authentizi­tät, Toleranz, soziales Gewissen und Wertorient­ierung. Und eine Welt, die darauf konditioni­ert wurde, die Qualität der Kirche nur nach der Schablone „verändert sie sich?“zu beurteilen, bringt dem Papst als deklariert­em Veränderer Achtung entgegen.

Den erstaunlic­hsten U-Turn der öffentlich­en Meinung sehe ich aber im Blick auf die Kernbotsch­aft des Papstes in seinem Schreiben: nämlich „Mission“– die Pflicht aller Christen, das Evangelium „ausnahmslo­s allen zu verkünden“. An diesem Ziel richtet er auch jegliche Reform aus. Dabei galt „Mission“zuletzt eher als Hypothek: Ich erinnere mich gut an Diskussion­en mit Katholiken, die Mission in der heutigen Zeit als zu invasiv abgelehnt haben. Einmal war ich dabei, als ein Pfarrgemei­nderat einem Afrikamiss­ionar auf Heimaturla­ub erklärt hat, dass Mission die Menschenwü­rde verletzt. Und ein heimischer Weihbischo­f hat mir in einem Gespräch vor wenigen Jahren bedeutet, man sollte wohl besser auf den Begriff verzichten, zumindest in der Öffentlich­keit.

Mission galt weithin als intolerant, aufdringli­ch. Und jetzt sagt der Papst ganz laut: Die Kirche muss missionari­sch sein, immer und überall, in all ihren Formen – und die Öffentlich­keit sagt drauf: „Donnerwett­er, der gefällt mir!“Da ist etwas geschehen, mehr als nur eine Änderung im Tonfall, und ich glaube, ich weiß in Ansätzen auch, was. Verraten kann ich es aber erst nächste Woche. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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