Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Der Papst hat sein erstes offizielles Lehrschreiben veröffentlicht. Und alle applaudieren ihm. Dabei hätte jeder etwas zum Aufregen finden können.
Erstaunlich. Wie schafft das der Papst, dass ihm alle applaudieren – sogar wenn er fordert, dass jeder Christ seine Mitmenschen missionieren soll? Vor Jahren habe ich einen Rhetorikkurs besucht, in dem der Satz fiel: Oft lehnen wir eine Botschaft ab, nur weil uns der Tonfall nicht gefällt, in dem sie überbracht wird. Papst Franziskus ist ein Meister des richtigen Tonfalls. Sein erstes offizielles Lehrschreiben hat in der vergangenen Woche Applaus geerntet, auch innerhalb der Kirche und von fast allen Seiten. Dabei hätte jeder etwas zum Aufregen finden können. Von der Beharrung auf Männerpriestertum und der Position zur Abtreibung bis zum Aufruf „Alleingänge zu vermeiden“und sich „besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen“. Man hätte seine Würdigung des Islam als naiv brandmarken können und seine schroffe Kritik an den eigenen Reihen („unechter Genuss einer egozentrischen Selbstgefälligkeit“) als abwertend.
Dass man bei Franziskus aber die Grundbotschaft hört und nicht auf einigen Sätzen herumreitet wie bei seinen Vorgängern, hat viele Gründe, nicht nur den, dass neue Päpste zuerst immer angestaunt werden. Franziskus verbindet eindrücklich die heute entscheidenden Qualifikationen Authentizität, Toleranz, soziales Gewissen und Wertorientierung. Und eine Welt, die darauf konditioniert wurde, die Qualität der Kirche nur nach der Schablone „verändert sie sich?“zu beurteilen, bringt dem Papst als deklariertem Veränderer Achtung entgegen.
Den erstaunlichsten U-Turn der öffentlichen Meinung sehe ich aber im Blick auf die Kernbotschaft des Papstes in seinem Schreiben: nämlich „Mission“– die Pflicht aller Christen, das Evangelium „ausnahmslos allen zu verkünden“. An diesem Ziel richtet er auch jegliche Reform aus. Dabei galt „Mission“zuletzt eher als Hypothek: Ich erinnere mich gut an Diskussionen mit Katholiken, die Mission in der heutigen Zeit als zu invasiv abgelehnt haben. Einmal war ich dabei, als ein Pfarrgemeinderat einem Afrikamissionar auf Heimaturlaub erklärt hat, dass Mission die Menschenwürde verletzt. Und ein heimischer Weihbischof hat mir in einem Gespräch vor wenigen Jahren bedeutet, man sollte wohl besser auf den Begriff verzichten, zumindest in der Öffentlichkeit.
Mission galt weithin als intolerant, aufdringlich. Und jetzt sagt der Papst ganz laut: Die Kirche muss missionarisch sein, immer und überall, in all ihren Formen – und die Öffentlichkeit sagt drauf: „Donnerwetter, der gefällt mir!“Da ist etwas geschehen, mehr als nur eine Änderung im Tonfall, und ich glaube, ich weiß in Ansätzen auch, was. Verraten kann ich es aber erst nächste Woche. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.