Die Presse am Sonntag

Die neue Freude am Dekorative­n

Die Abu Dhabi Art un© eine opulente Retrospekt­ive von DŻmien Hirst in DohŻ zeigen: MŻn pr´feriert DekorŻtive­s un© Wie©ererkennãŻ­res. Mo©ernistisch­e Bil©er Żuch wenig ãekŻnnter Künstler erzielen unerwŻrtet­e Preise.

- VON SABINE B. VOGEL

Vergessen wir Fragen nach Qualität, nach Werken, die radikal und reduziert sind. Überwinden wir unsere Scheu vor Kitsch und Dekorative­m. Dann sind wir bereit für die zeitgenöss­ische Kunst und können die große Retrospekt­ive des britischen Superstars Damien Hirst in Doha betreten: Das gesamte Gebäude ist mit einer Punkttapet­e überzogen, innen Punkt- und Schmetterl­ingsbilder, in Riesenvitr­inen eingegosse­ne Schafe, Kälber, Haie, im Wind eines Föhns tanzende Bälle. Alles so wunderbar bunt, dass selbst die blutigen Tierköpfe mit den Tausenden von lebenden Fliegen rundherum nicht schockiere­n – die Welt, ein Reservoir für Vitrinen.

All diese Kunstmarkt­ware, das wird klar, dient nur der Hinführung aufs Hauptgesch­äft: Krimskrams der Marke Hirst, ausgebreit­et im Hirst-Shop neben dem Ausgang. Kennen wir diese Vermarktun­gsstrategi­e nicht? Friedensre­ich Hundertwas­ser, der in den 1960er-Jahren in Wien als wegweisend­er, ökologisch denkender Künstler mit Architektu­rambitione­n startete, verwandelt­e seine Bilder in den 1970ern in Kaufhauspr­odukte: goldene Spiralbild­chen in jeder Größe für jedes Budget. Schmetterl­inge, Punkte. Damien Hirst geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur Bilder, auch Teppiche, T-Shirts, Schmuck, Liegestühl­e, Schirme, Wanduhren – alles mit bunten Punkten oder fröhlichen Schmetterl­ingsorname­nten bedruckt, in jeder Preisklass­e.

Diese Verwertung­en seiner Kunst sind aber nicht nur eine ökonomisch­e Strategie seines Unternehme­ns. Viel- mehr holt er die Kunst aus ihren Tempeln und von ihrem Sockel herunter. Damit erscheint dieser Schritt wie die Konsequenz des Kunstmarkt­es. Wenn mehr und mehr Menschen die Kunst ihrer Zeit kaufen möchten, steigen nicht nur die Preise, sondern das Angebot wächst auch in die Breite. Qualität, wie gesagt, ist dabei unbedeuten­d, denn die Kriterien sind nicht mehr oder noch nicht festgelegt – wer auch sollte zuständig sein, eine verbindlic­he Ästhetik für die Märkte von Asien über arabische Länder bis in den alten Westen zu bestimmen? Dagegen mag die Art Basel noch kräftig ankämpfen. Künstler wie Damien Hirst, aber auch Kunstmesse­n wie die Abu Dhabi Art kommen der Freude am Dekorative­n fröhlich entgegen.

Die Abu Dhabi Art ist eine „Boutique Kunstmesse“– ein schöner Begriff! Damit ist nicht nur die Größe umschriebe­n (43 Galerien), sondern auch das Angebot. Außen einige Handwerkss­tände, in den zwei Hallen dann ein konzentrie­rtes Angebot auf Art-Basel-Niveau mit Gagosian, Hauser & Wirth, Lisson, Ropac, aber auch Ayyam aus Syrien und Athr aus Saudiarabi­en – zwei Galerien, die in nur vier Jahren zu Zentren einer immer größer werdenden Zahl von neuen Sammlern geworden sind. Gegenüber in der Halle aller-

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Sãv Erwin Wurms Porsche-„Fat Car“für autobegeis­terte Emiratis (Ropac).

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