Der Mediator
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Wein predigen und Wasser trinken lassen: Die links-alternative Tageszeitung »TAZ« zahlt weder Mindestlohn noch Tarifgehalt. Stattdessen tadelt sie einen Kolumnisten, der das kritisiert.
Jan Fleischhauer, Bestsellerautor und brillanter Redakteur beim deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, gibt sich diese Woche in seiner meist gewitzten Online-Kolumne „S.P.O.N. – Der Schwarze Kanal“betrübt. Was ist geschehen? Die „Tageszeitung“aus Berlin will den guten Mann offenbar fertigmachen.
Fleischhauer schreibt: „Mit Betroffenheit musste ich zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet die ,TAZ‘ meinem Chefredakteur gerade empfohlen hat, mich mit sofortiger Wirkung auf die Straße zu setzen. Meine Texte seien regelmäßig ,unter dem Niveau des ,Spiegel‘, wenn er wieder ernster genommen werden will‘. Der sicherste Weg diesen schleichenden Bedeutungsverlust abzuwenden, sei mein Abschied aus der Redaktion.“
Was ist zuvor geschehen? Wie kommt es dazu, dass das Leibblatt der alternativen Linken das Referenzblatt der liberaleren Linken so heftig attackiert? Es geht um soziale Fragen, und dabei versteht man in der postrevolutionären Rudi-Dutschke-Straße (einst hieß sie dort Kochstraße), deren Südseite von der „TAZ“beherrscht wird, keinen Spaß. Fleischhauer thematisierte, dass die Arbeitsbedingungen des Blattes sich nicht mit denen im eben ausgehandelten Koalitionsvertrag vertragen. Ausgerechnet die „TAZ“, die seit 35 Jahren den Kapitalismus rigoros bekämpft, behandelt ihre Volontäre und Redakteure schlechter, als es sogar die neue Große Koalition von CDU, CSU und SPD erlauben will. Der Kolumnist stellt fest, dass der Verlag seinen Volontären pro Stunde zirka 5,50 Euro zahlt. Auch die Redakteure der „TAZ“seien „immer noch deutlich unter Tariflohn“. Der Koalition aber schweben 8,50 Euro vor. „Egal, was einer tut oder was er gelernt hat.“ Die Not der Lohndrücker. Offengelegt wurde der Skandal durch eine Stellenanzeige Anfang des Monats. Weit vor Fleischhauer, der sich in seiner Kolumne auch darüber freute, dass die Koalitionsverhandlungen Deutschland „ein wenig gerechter“machen, haben sich Leser der „TAZ“über die Not der Lohndrücker empört, sprachen von beschämender Bezahlung und Ausbeutung.
Die Zeitung verteidigt sich so: Anders könne man nicht produzieren. Die Gehälter lägen eben bei zwei Dritteln von dem, was in der Branche übrig sei. Die Alternativen bei vollem Tariflohn: 12.000 Abonnements mehr oder ein Drittel weniger Jobs. Das sagt die Geschäftsleitung der „TAZ“– deren Kommentatoren hingegen wettern gegen prekäre Beschäftigung. Wasser und Wein, ein Dilemma.
Was schließt Fleischhauer aus der Affäre: „Die Kehrseite der Politik des reinen Herzens ist die Unduldsamkeit mit abweichenden Meinungen. Zu weit gehende Toleranz ist Verrat an der Idee.“