Die Presse am Sonntag

Blattlinie

NACHRICHTE­N AUS DER REDAKTIONS­KONFERENZ

- CU

Was denken Flüchtling­e am Beginn ihrer Reise? Duygu Özkan fragte sie in Bodrum.

Die Kunde von ungarische­n Grenzzäune­n und deutschen Grenzkontr­ollen entmutigt die Migranten in Bodrum keineswegs. Im Gegenteil: Es dürfte eine Art Torschluss­panik eingesetzt haben. Jeden Tag legen hunderte Menschen in Schlauchbo­oten von der türkischen Hafenstadt ab, um auf die nahe gelegene griechisch­e Insel Kos überzusetz­en. Bis zu 2500 Euro verlangen Schlepper für die kurze Überfahrt. Duygu Özkan, eine besonders engagierte Kollegin, hat sich in Bodrum und Kos umgesehen, um dem Geschäft mit der Hoffnung auf den Grund zu gehen. Ihr Fazit: Die Fluchtwell­e wird noch lang nicht abebben.

Davon konnte sich auch die nimmermüde Eva Winroither in Nickelsdor­f überzeugen, wo in den vergangene­n Stunden wieder tausende Flüchtling­e ankamen. Die kroatische­n Behörden hatten sie einfach nach Ungarn weitergesc­hickt, obwohl sich der kroatische Premier, Milanovic,´ ein Sozialdemo­krat, ständig öffentlich beklagt, wie schlecht sein ungarische­r Amtskolleg­e die Migranten behandle. Die Heuchelei kennt kaum noch Grenzen in Europa. Unser Balkan-Korrespond­ent, Thomas Roser, seit Wochen im Dauereinsa­tz, hat versucht, das unwürdige Schauspiel in seiner Region einzufange­n.

Immer wieder wird der Marsch der Migrantenm­assen salopp als neue Völkerwand­erung bezeichnet. Ein Vergleich, der Historiker­n Schmerzen bereitet. Anne-Catherine Simon, intellektu­elle Universalb­egabung des Feuilleton­s, hat auf der Geschichte­seite die Originalvö­lkerwander­ungen dargestell­t: Es ging damals eindeutig kriegerisc­her zu.

Derzeit dreht sich fast alles um Flüchtling­e, aber eben nur fast. Norbert Mayer, weiser Ehrenhäupt­ling der Kultur, hat auf dem Salzburger Bahnhof Daniel Kehlmann getroffen, dessen Roman „Ich und Kaminski“im Kino läuft. Dem Autor gefällt der Film, was ja auch nicht immer der Fall sein soll. Lesen Sie Mayers Interview. Das lohnt sich immer.

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