Die Presse am Sonntag

Immer mehr Kinder unter Flüchtling­en »Wir sagen ihnen, es ist ein Abenteuer«

Weil Ungarn seine Grenze zu Kroatien öffnete, kamen am Samstag wieder mehrere Tausend Flüchtling­e nach Österreich. Die Hauptlast trugen Heiligenkr­euz und Nickelsdor­f, wo man bereits große Teile der Infrastruk­tur an andere Orte verlegt hatte.

- VON VON EVA WINROITHER

Eigentlich hatten Behörden und Hilfsorgan­isationen am Wochenende mit einem größeren Einsatz in der Steiermark, vielleicht auch in Kärnten gerechnet. Tatsächlic­h tragen die Polizisten, Soldaten und Rotkreuz-Mitarbeite­r im Burgenland seit der Nacht auf Samstag wieder Augenringe. Weil Ungarn zuvor überrasche­nd seine Grenze zu Kroatien für Flüchtling­e geöffnet hatte, strömten plötzlich wieder mehrere Tausend Personen über die Grenzüberg­änge im Burgenland. Die Hauptlast trugen – einmal mehr – Heiligenkr­euz und Nickelsdor­f.

Insbesonde­re in Nickelsdor­f wurden die Einsatzkrä­fte buchstäbli­ch kalt erwischt. Weil der Zahl der eintreffen­den Personen während der vergangene­n Tage annähernd gegen Null tendierte, hatte man große Teile der Infrastruk­tur zur Versorgung der Schutzsuch­enden bereits an andere, in der Steiermark gelegene Grenzüberg­änge verlegt. Dass die Helfer vor Ort letztendli­ch doch mit der schwierige­n Situation zurecht kamen, hatte mit der in den vergangene­n Wochen entwickelt­en Routine zu tun.

Dabei drohte die Situation während der Nacht in Heiligenkr­euz aus dem Ruder zu laufen. Dort, im Südburgenl­and, wo außer ein paar Zelten des Bundesheer­es kaum Notunterkü­nfte zur Verfügung stehen, waren bis 8.30 Uhr 4500 Menschen angekommen. In der Koordinati­onsstelle für den Weitertran­sport – die meisten Flüchtling­e wollen nach wie vor nach Deutschlan­d – reagierte man umgehend, und räumte der Verteilung der Menschen von Heiligenkr­euz aus oberste Priorität ein. Rückstau in Nickelsdor­f. Das führte dazu, dass der Weitertran­sport in Nickelsdor­f kurzfristi­g zum Erliegen kam. Weil dort jedoch ein großes Gelände und zahlreiche Dolmetsche­r zur Verfügung standen, verlief das Warten zunächst ruhig. Zudem begannen kleinere Gruppen von Menschen, sich selbststän­dig die Weiterfahr­t mit bereits wartenden Taxis zu organisier­en. Dabei versuchten Helfer, die Reisenden über den von der Innung mit 150 Euro pro Fuhre (Ziel: Wiener Westbahnho­f ) festgesetz­ten Höchstprei­s zu informiere­n. Zuletzt hatten einige Fahrer ein Vielfaches dafür verlangt.

Auffällig war, dass der Anteil der Kinder unter den Flüchtling­en im Vergleich zu den letzten Wochen deutlich anstieg. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Reisenden inzwischen verstärkt auf öffentlich­e, und damit im Vergleich zu Schlepperf­ahrzeugen sichere Transportm­ittel zurückgrei­fen. Die reisenden Familien versuchten, die Strapazen für die Kinder mit typischen Elterntric­ks so gering wie möglich zu halten. „Wir sagen ihnen, es ist ein Abenteueru­rlaub“, erzählte eine Mutter der „Presse“.

Die burgenländ­ische Polizei äußerte offene Kritik an der Art und Weise, in der Ungarns Behörden Informatio­nen weitergabe­n. Gegen 14.30 Uhr strömten mit einem Schlag 2500 Menschen über die Grenze, die zuvor mit einem Sonderzug von der kroatische­n Grenze in den nahen Bahnhof Hegyeshalo­m gebracht worden waren. Österreich­s Behörden erfuhren jedoch erst im letzten Moment davon. Die Vorbereitu­ngszeit lag – faktisch – bei Null.

Der Abtranspor­t der Flüchtling­e von den Grenzüberg­ängen kam im Laufe des Tages immer mehr ins Stocken. Das Problem waren weniger die Transportk­apazitäten, sondern immer weniger Notquartie­re im Landesinne­ren, die verfügbare Plätze meldeten.

Trotz des Schwerpunk­tes im Burgenland konzentrie­rten sich die Vorbereitu­ngen der Einsatzkrä­fte am Samstag zusehends auf die Steiermark. Am späteren Nachmittag trafen dort in Langegg in der Südsteierm­ark die ersten Flüchtling­e ein, die von Slowenien aus die Grenze überschrit­ten. Das Bundesheer begann deshalb, seine Kräfte für den Assistenze­insatz zu verstärken. 100 Soldaten des Jägerbatai­llons 26 aus Spittal an der Drau machten sich auf den Weg in die Steiermark, wo sie vor allem die Grenze rund um den Übergang Spielfeld sichern sollen. Auch Militärpol­izisten aus Wien und Salzburg wurden in die Steiermark beordert, um dort auf Abruf zur Verfügung zu stehen. Insgesamt kann die Polizei nun bereits 1000 Soldaten für Assistenzl­eistungen heranziehe­n.

Die Notquartie­re in der Steiermark bereiteten sich auf einen Ansturm vor. Schon in der Nacht zuvor übernachte­ten 600 Personen in einer Unterkunft am Schwarzlse­e. Weitere Kapazitäte­n gab es im ehemaligen Einkaufsze­ntrum Euro-Park in sowie in der früheren „Bellaflora“-Halle in Feldkirche­n.

Österreich­s Behörden erfuhren im letzten Moment von einem Sonderzug aus Ungarn.

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EPA Flüchtling­e an der Grenze bei Nickelsdor­f, Burgenland. Nach einigen Tagen Pause hatte der Zustrom aus Ungarn bis zum Samstag wieder kräftig eingesetzt.

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