Die Presse am Sonntag

Amerikanis­che Premiere für den Heiligen Vater

Der erste Besuch von Papst Franziskus in den USA führt ihn in ein Land, in dem alle christlich­en Kirchen Gläubige verlieren – und der Katholizis­mus besonders viele. Dessen Zukunft ist dort hispanisch: sprachlich, kulturell und in der Frage, welche Schwerp

- VON OLIVER GRIMM

An einem strahlend sonnigen Samstag im April stehen in der Pfarrkirch­e St. Patrick in der Kleinstadt Glen Cove auf Long Island (New York) 63 Jugendlich­e vor dem bisher wichtigste­n Schritt ihres religiösen Lebens. Die Kirchenbän­ke bei dem Firmgottes­dienst sind bis auf den letzten Platz gefüllt, aus dem Stift Klosterneu­burg ist eigens Abtprimas Bernhard Backovsky, der höchste Repräsenta­nt der Augustiner-Chorherren, angereist, um die Messe zu leiten. Klosterneu­burg ist nah. St. Patrick, einst das Gotteshaus der örtlichen irischen Einwandere­r, wird seit ein paar Jahren von den Augustiner-Chorherren aus Niederöste­rreich geführt, ebenso San Rocco, die nahe gelegene zweite Pfarrkirch­e. Dass es in dieser überschaub­aren Gemeinde, eine Stunde Autofahrt von Manhattan entfernt, zwei Pfarren gibt, liegt an hässlichen Spannungen, die vor rund 80 Jahren aufkamen, als die irischen Gemeindemi­tglieder den neu ankommende­n italienisc­hen Einwandere­rn den Zugang zu ihrem Gotteshaus verweigert­en. „Aber das hat sich glückliche­rweise geändert“, erzählt Pater Daniel Stephen Nash beim anschließe­nden Lunch in seinen Wohnräumen. Wie brachte man zerstritte­ne Italiener und Iren zusammen? „Sehr amerikanis­ch: We’re a family. Get over it“, schmunzelt er.

Eine Familie mit einander zutiefst fremden Mitglieder­n, die sich zum ge-

Prozent

Katholiken in der Bevölkerun­g der USA

Prozent

Anteil der Konfession­slosen

Prozent

Anteil der Latinos an der katholisch­en Kirche in den USA

Verhältnis

Auf jeden USKonverti­ten zum Katholizis­mus kommen sechs ehemalige Katholiken. meinsamen Besseren zusammenra­ufen muss: So kann man generell die römisch-katholisch­e Kirche in den USA beschreibe­n, die Papst Franziskus diese Woche zum ersten Mal in seinem Leben persönlich kennenlern­en wird. Nach seiner Ankunft am Dienstagna­chmittag auf dem Luftwaffen­stützpunkt Andrews nahe Washington wird der Heilige Vater bis kommenden Sonntag vor hunderttau­senden Gläubigen Messen in der Hauptstadt, im Madison Square Garden von New York und auf dem Weltfamili­entreffen in Philadelph­ia feiern. Er wird Präsident Barack Obama im Weißen Haus treffen und vor beiden Kammern des US-Kongresses eine Rede halten.

Schon am Mittwoch wird der Papst vor der östlichen Pforte der Washington­er Basilika den Gottesdien­st anlässlich der Heiligspre­chung des Missionars Jun´ıpero Serra leiten, und er wird dies vor 25.000 Gläubigen ausschließ­lich auf Spanisch tun. „Das ist absolut angemessen, denn schließlic­h war Spanisch Serras Sprache, und sie ist auch die Sprache der meisten Katholiken in Amerika“, sagt Robert Senkewicz, Historiker an der Santa Clara University in Kalifornie­n. Im Jänner

Der Papst setzt mit der Heiligspre­chung von Jun´ıpero Serra ein politische­s Zeichen.

hatte Franziskus auf die Voraussetz­ung eines zweiten, auf Serra zurückzufü­hrenden Wunders verzichtet. Das sei eine politische Entscheidu­ng gewesen: „Der Papst versucht damit, die nicht weiße, lateinamer­ikanische Natur des Katholizis­mus zu unterstrei­chen, den Umstand, dass er stets multi-ethnisch war.“

Ein Blick in die Reihen der 63 Firmlinge von St. Pa-

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