»Ich habe nichts« – »Dann wirf es weg«
Eine Verfilmung von Daniel Kehlmanns Roman »Ich und Kaminski« kommt am 25. 9. ins Kino. Der Schriftsteller, der sich primär als Erzähler sieht, verrät, was er an diesem Film schätzt, warum er das Theater trotz allem liebt – und dass Erfolg für ihn befreie
Wie hat Ihnen die Verfilmung Ihres vor zwölf Jahren publizierten Romans „Ich und Kaminski“gefallen, die nun ins Kino kommt? Daniel Kehlmann: Sehr gut. Der Film ist sehr nah am Buch. Das mag ein Autor natürlich erst mal. Deshalb bin ich neugierig darauf, wie andere Leute reagieren werden. Ich finde den Film auch visuell poetisch und originell und die Schauspieler großartig. Daniel Brühl spielt diese unsympathische Hauptrolle fantastisch. Am Schluss ist für mich der Auftritt von Geraldine Chaplin umwerfend. Wolfgang Becker hat sich sehr lange mit dem Buch beschäftigt. Ein Indiz dafür: Die Schauplätze sehen wirklich genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt habe. Und zwar sogar dann, wenn ich sie im Roman nicht beschreibe. Es ist ungewöhnlich, dass Autoren gänzlich mit der filmischen Umsetzung ihrer Werke einverstanden sind. Wie finden Sie es zum Beispiel, dass der Schluss Ihres Romans leicht geändert wurde? Das ist ja nur eine winzige Veränderung – Kaminski schenkt Zöllner am Schluss zwei seiner Bilder. Becker wollte ein starkes visuelles Zeichen für die Freundschaft der beiden. Das widerspricht dramaturgisch ein wenig dem Ende im Buch, wo Zöllner völlig mittellos zurückbleibt, aber der Film gehorcht eben anderen Gesetzen. Zöllner ist ein Kotzbrocken, ein Journalist. Er merkt in seiner Ignoranz gar nicht, wie er ausgetrickst wird. Ist das eine Selbstermahnung für mehr Sensibilität? Jede Satire sollte das auch sein. Als ich diesen Roman schrieb, war ich als Autor noch ganz unbekannt. Es war vielleicht eine Selbstermahnung in die Zukunft hinein. Wie ist nach einem Dutzend Jahren der Blick zurück auf diesen jungen Autor Kehlmann? Wehmütig? Oder sehen Sie die Entwicklung seither eher mit Wohlwollen ? Beides. Dieses Buch hat eine schöne Aggressivität, wie ich sie heute nicht mehr habe. Es ist aus der Wut über den Kulturbetrieb heraus geschrieben, den ein junger Künstler ja normalerweise als ahnungslos und korrupt empfindet. Aber nur eigenen Ärger zu verarbeiten wäre mir schon damals zu wenig gewesen. All das, was der Autor ablehnt, wird ja vom Icherzähler verkörpert. Dadurch muss der Roman auf zwei Ebenen spielen: Die eine enthält, was der Erzähler sagt, aber durch die zweite Ebene muss immer wie aus Versehen das einfließen, was der Erzähler nicht mitbekommt. Er verrät sich sozusagen ständig selbst. Er bekommt vom großen, alten Maler Kaminski nach dem Geständnis, dass er nichts mehr habe, einen wunderbaren chinesischen Ratschlag: Auch das solle er wegwerfen. Ich wünschte, dieser Satz wäre von mir. Er ist eine Weisheit aus dem „Bi-Yän-Lu“, einem zentralen Text des Zenbuddhismus. Boddhidharma, ein Weiser, wird von einem Mann jahrelang verfolgt, weil dieser sein Schüler sein will. Als der Mann sich ihm schließlich in den Weg stellt, erteilt er ihm diesen Rat. Ich gebe gern die ganze christliche Bibel her für diesen einen paradoxen Satz über radikale innere Freiheit – die ich natürlich nicht besitze: „Ich habe nichts!“– „Dann wirf es weg.“ Umberto Eco sagte über seinen Roman „Der Name der Rose“, er wollte einfach einmal einen Mönch ermorden. Wollten Sie mit „Ich und Kaminski“einen Kritiker fertigmachen? Vielleicht auch. Aber nicht hauptsächlich. Es geht schon auch um Kritiker, die ihre Aufgabe nicht interessiert, die sich nicht um Inhalte kümmern und nur nach sozialen Übereinkünften urteilen. Aber zugleich ist es auch der Versuch, all den Ehrgeiz und Erfolgswillen zu ermorden, die man als junger Künstler nun mal mit sich herumschleppt. Mit Mitte 20 will man die Welt niederreißen. Ist man auch noch als Erfolgsschriftsteller mit 40 so frei? Bisher habe ich das Glück gehabt, dass mir der Erfolg auch große Freiheit gebracht hat. Ohne den Bestseller „Die Vermessung der Welt“hätte ich danach wohl nicht ein so experimentelles Buch wie „Ruhm“(2009) geschrieben. Das halte ich übrigens noch immer für mein bestes. Ich habe den Erfolg als große Befreiung erlebt. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Vielleicht wirkt er sich letztendlich doch noch erstickend aus. Es sieht bisher nicht danach aus . . . Bisher habe ich das Gefühl, dass Erfolg und künstlerischer Ernst nicht im Widerspruch stehen. Mein Roman „F“(2013) zum Beispiel ist viel stärker zersplittert, mosaikhafter als frühere Werke. Vor Kaminski hatte ich allerdings einen technisch übertrieben ehrgeizigen Roman begonnen. Den habe ich aufgegeben, als ich „Die Korrekturen“von Jonathan Franzen las und dann auch noch seinen kritischen Essay „Mr. Difficult“über William Gaddis. In dieser Hinsicht war Franzen mein Lehrmeister. Ich habe durch ihn verstanden, dass man das schreiben muss, was man auch selbst lesen will. Also habe ich dann „Ich und Kaminski“geschrieben. Das leicht Lesbare hat es in unseren Breiten mit Anerkennung nicht leicht, oder? Das ist eine typisch deutsche Sache. Das zu sagen ist selbst ein Klischee, aber es ist auch wahr. Mir haben einige deutschsprachige Kritiker gesagt, sie wollten durchaus Bücher mit spannender Handlung lesen, aber wenn möglich, doch lieber aus einer anderen Sprache übersetzt. Neuerdings haben Sie sich dem Theater zugewandt, unterrichten derzeit an einer renommierten Universität in den USA. Was bewegt Sie zu diesem erweiterten Interesse? Wollen Sie gar Professor werden? Man lehnt nicht ab, wenn die