Die Presse am Sonntag

Haftet Facebook für Hetze?

In ©er Theorie entfernt FŻceãook Hasspostin­gs, in ©er PrŻxis funktionie­rt ©Żs kŻum. Nun soll ©Żs soziŻle Netzwerk juristisch in ©ie Pflicht genommen wer©en.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Kann Facebook für die Inhalte, die User online stellen, haftbar gemacht werden? Bis jetzt gibt es dazu – anders als für traditione­lle Medien – keine Rechtsspre­chung. „Als Medieninha­ber muss man gegen strafrecht­lich Relevantes vorgehen“, sagt „Profil“-Journalist Michael Nikbakhsh. „Es ist eine interessan­te Rechtsfrag­e, inwieweit auch Facebook in die Pflicht genommen werden kann.“

Im Zuge der Diskussion um hetzerisch­e Postings gegen Asylwerber bekommt die Frage neue Relevanz. Nikbakhsh hat daher gemeinsam mit einem Freund, dem Innsbrucke­r JusStudent­en Matthias Holzmann, Anzeige eingebrach­t. Zum einen gegen 15 Facebook-Nutzer, die auf besonders eindringli­che Art zu Gewalt gegen Flüchtling­e und Muslime im Allgemeine­n aufgerufen haben. Zum anderen gegen Facebook selbst – wegen Beitragstä­terschaft zur Verhetzung. Nikbakhsh und Holzmann meldeten die Hasspostin­gs auf Facebook nämlich, der Konzern hatte also Kenntnis davon, bis auf zwei blieben sie aber alle online. „Wir haben den von dir wegen Hassbotsch­aften und -symbolen gemeldeten Kommentar geprüft und festgestel­lt, dass er nicht gegen unsere Gemeinscha­ftsstandar­ds verstößt“, war Facebooks Standardan­twort. Beitragstä­terschaft. Nikbakhsh und Holzmann sind nicht die Ersten, die Facebooks argloser Umgang mit hetzerisch­en Postings irritiert hat. Im Internet wird heftige Kritik am Konzern geübt, auch Justizmini­ster Brandstett­er und sein deutscher Amtskolleg­e, Heiko Maas, wollen Facebook bei Hasspostin­gs in die Pflicht nehmen. Die Anzeige, die Nikbakhsh und Holzmann eingebrach­t haben, könnte den Konzern zum Handeln zwingen. „Wir sehen bei Facebook eine Sonderform der Täterschaf­t: Beitragstä­terschaft durch Unterlasse­n“, sagt Holzmann. Facebook gebe in seinen AGB an, Nutzerdate­n zu kontrollie­ren, erklärt er. In der Theorie entfernt Facebook auch „sämtliche Hassbotsch­aften“, die Personen etwa wegen ihrer ethnischen Zugehörigk­eit, Religion oder sexuellen Orientieru­ng angreifen. „Damit geht eine Pflicht einher. Facebook müsste, wenn es wilde Hasspostin­gs entdeckt, auch die Verantwort­ung dafür übernehmen, sie löschen oder an die Behörden weitergebe­n.“

Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck muss nun entscheide­n, ob sie ein strafrecht­liches Verfahren nach dem Verbandsve­rantwortli­chkeitsges­etz („Unternehme­nsstrafrec­ht“) gegen Facebook eröffnet. Wie so ein Verfahren ausgehen könnte, kann Holzmann, der das Thema auch in seiner Diplomarbe­it behandeln will, nicht sagen. Niemand hätte bisher versucht, strafrecht­lich gegen Facebook vorzugehen. Ein Schuldspru­ch wäre ein Präzedenzf­all: Facebook müsste dann für die Inhalte seiner User haften und auf jedes Hasspostin­g, das gemeldet wird, reagieren – zumindest in Österreich. Ausländisc­he Gerichte würden sich am Urteil aber wohl ein Beispiel nehmen, glaubt Holzmann: „Das wird sicher ein Role Model.“

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StŻnislŻv Jenis „Profil“-Redakteur Michael Nikbakhsh hat Facebook angezeigt.

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