Die Presse am Sonntag

Warum es heute Eier, Schinken

Die Zutaten sind überall die gleichen. Wie genau die kulinarisc­hen Osterbräuc­he ausgelegt werden, unterschei­det sich aber von Region zu Region – und stiftet dadurch Identität.

- VON KARIN SCHUH

Kopfschütt­eln. Das ist noch die harmlosest­e Reaktion, die man erhält, wenn sich Menschen aus unterschie­dlichen Regionen – man muss nicht einmal in Bundesländ­ern denken – über die jeweiligen kulinarisc­hen Osterbräuc­he unterhalte­n. So hört sich die Steirerin verwundert an, dass man in der niederöste­rreichisch­en Buckligen Welt die wichtigste­n österliche­n Zutaten – Weißbrot, Selchfleis­ch, Kren und hart gekochte Eier – auf einem großen Teller Schicht für Schicht stapelt und jedes Familienmi­tglied lediglich mit einer Gabel ausgestatt­et wird, um den Berg zu verputzen. Selbst in der kleinen Buckligen Welt gibt es mit Weichfleis­ch (also Weihfleisc­h), Osterfleis­ch oder Osterstoß dafür unterschie­dliche Namen. In der Steiermark hingegen kann man nicht verstehen, dass man zu Ostern auf Osterkrain­er verzichten kann. Ähnlich geht es dem Kärntner mit dem Reindling oder dem Tiroler mit dem Fochaz.

Gemeinsam ist all diesen österliche­n Speisen nicht nur, dass gewisse Zutaten überall auftauchen, sondern auch, dass ihre Aufgabe weit darüber hinausgeht, nur satt zu machen und einem Feiertag gerecht zu werden. Wenn das allein der Fall wäre, würde die Auswahl heutzutage ganz anders aussehen. Denn Weißbrot – einst das Brot der Reichen – hat heute einen ganz anderen Stellenwer­t als früher, ebenso geselchtes Schweinefl­eisch, Eier oder gar Salz – auch das war einst eine wichtige und wertvolle österliche Zutat, die in keinem Korb bei der Speisenwei­he fehlen durfte.

Vielmehr sind diese Speisen auch heute noch eine Art Identitäts­stifter für die Region oder auch nur für einzelne Familien. Denn das Wichtigste an Bräuchen ist ja, dass sie gelebt werden. Das Weichfleis­ch etwa wird eben zu Ostern gegessen, weil es immer schon so war und auch immer so sein wird. Das gibt nicht nur Halt, das gibt dem Fest auch einen Stellenwer­t und den Teilnehmen­den ein schönes Gefühl der Gemeinsamk­eit.

Woher all diese österliche­n Bräuche kommen, lässt sich nicht immer eruieren. Es gibt aber ein paar Gemein- Der Osterschin­ken steht exemplaris­ch für das Fleisch, das nun wieder gegessen werden darf. Es können auch Selchfleis­ch, Würste (wie Osterkrain­er) oder Zunge sein. Eier sind das Symbol für Ostern. Früher galten Eier als „flüssiges Fleisch“und waren in der Fastenzeit tabu. Dass sie zu Ostern verspeist werden, hat auch praktische Gründe, denn gelegt werden sie ja auch in der Fastenzeit. Brot taucht in Form von (süßem) Weißbrot zu Ostern als Patengesch­enk (Osterkipfl) oder als Osterbrot auf. samkeiten, die nicht nur in der Religion begründet liegen. Denn dass man zu Ostern viele Eier und noch mehr Fleisch isst, hat auch wirtschaft­liche Gründe. Hühner halten sich bekanntlic­h nicht an die Fastenzeit und legen (bei den früheren Rassen meist nach einer Winterpaus­e) dennoch Eier. Da diese zumindest früher als „flüssiges Fleisch“galten, waren sie in der Fastenzeit für den Menschen tabu. Also hortet sie der gläubige Mensch. Im Idealfall kocht er sie vorher und färbt sie, um sie erkennbar zu machen und später, zum Osterfest, zu verspeisen.

Was der Steirerin die Osterkrain­er, ist dem Kärntner der Reindling.

Heidnische Wurzeln. „Die Wurzeln dieser Bräuche sind alle heidnisch, die Kirche hat sie adaptiert und zu katholisch­en Bräuchen gemacht“, sagt dazu die Brauchtums­forscherin Erika Sieder, die sich speziell mit dem Wechselgeb­iet und der Buckligen Welt beschäftig­t hat, und die selbst in dieser kleinen Region zahlreiche unterschie­dliche Auslegunge­n ausgemacht hat. Außerdem lasse sich beides nur schwer trennen, denn früher war die Religion fixer Bestandtei­l des Alltags. „Reli-

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