Die Presse am Sonntag

Im Wienerwald, jenseits der Trampelpfa­de

Auch in den Hausbergen um Wien findet man sie noch, die Wege, ©ie kŻum einer kennt. Vom Hengstl auf das Steinplatt­l zum Beispiel. Ein wenig schwer zu finden, dafür kann man mutterseel­enallein spazieren. Vielleicht sogar zu Ostern.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Beim Wienerwald denkt man sich ja schnell einmal, man würde ihn kennen. Zumindest die paar Hügel, die einzelnen Erhebungen, die man in Wien schon Berge und Gipfel nennt, hätte man fast alle schon gesehen, bildet man sich nach ein paar Jahren Wahl-Wienertum gern einmal ein. Und dann steht man da, Wanderführ­er in der einen, Handy mit Navigation­s-App in der anderen, irgendwo in der Nähe von Pressbaum im matschigen Märzwald und muss zugeben, dass man keine Ahnung mehr hat, wo man jetzt gerade genau ist.

Man ist irgendwo am Hengstl, ein paar Kilometer südlich von Pressbaum und westlich von Breitenfur­t. Und erst beim zweiten Anlauf gelingt es, den richtigen Weg zu finden. Schließlic­h ist der nicht gekennzeic­hnet, es soll vom Hengstl auf das Steinplatt­l gehen – und zwar auf einem Weg abseits der markierten Trampelpfa­de. Die lŻnge Suche nŻch ©em HochstŻn©. Die Tour ist eine von 40 Ausflugsro­uten in der Nähe von Wien, die Alpinist und Autor Wilhelm Burger für seinen neuen Wanderführ­er „Geheime Gipfel – Im Wienerwald, nahe dem Ursprung der Kalten Wien. geheime Wege. In den Wiener Hausbergen“zusammenge­tragen hat. Und, die Tour soll ein guter Einstieg ins Wandern abseits der Markierung­en sein. Eine Route, „leicht und doch alpin“, mit einer Gehzeit von zweieinhal­b Stunden durchs Kerngebiet des Wienerwald­es. Die Tour startet südlich von Pressbaum, von der Autobahnab­fahrt Pressbaum geht es erst in Richtung Klausen-Leopoldsdo­rf, dann ins Seitental der Pfalzau.

Dorthin, wo der Wienerwald schon ein wenig ausschaut wie die Semmering-Gegend. Vorbei an leer stehenden alten Häusern, an herrschaft­lichen Villen, an der Alternativ-Kultur-Location Villa Kunterbunt, geht es die Straße entlang, bis auf den höchsten Punkt des Hengstl. Und ja, es ist wirklich der höchste Punkt, nicht der Parkplatz ein paar hundert Meter weiter unten – geht man von dort aus nämlich durch den Schranken und den Forstweg entlang, wird man weit marschiere­n, ohne den Hochstand, den nächsten Anhaltspun­kt in der Beschreibu­ng, zu finden – und irgendwann wird man dann mit Wanderführ­er und GPS dastehen . . .

Zurück auf den richtigen, den im Buch beschriebe­nen Weg also. Der führt einen (offenen) Schranken hindurch, durch einen Buchenwald bis zu der Weggabelun­g am Hochstand, dort rechts vorbei, geht es ein kleines Stückchen steiler nach oben. An einer Hinweistaf­el der Bundesfors­te biegt man wieder rechts ab. Un© Żm En©e ©er Schneise ein SchŻtz. Nun geht es an einem Holzschran­ken vorbei zu einer Forststraß­e. Durch einen – an nasskalten Märztagen wie zuletzt noch ganz schön matschigen – Wald, geht es erst hinab, dann hinauf, leichtes Wandern im Wienerwald eben. Nach rund 750 Metern, bei der Kreuzung, geht es dann nach links, nach 500 Metern kommt von unten rechts der rot markierte Weg von Agsbach, nach 250 Metern ist man an einer doppelten Wegkreuzun­g.

Nach rechts führt die blaue Markierung in Richtung Klausen-Leopoldsdo­rf. Aber, weil wir den Wienerwald jenseits der markierten Wege erkunden wollen, nehmen wir den anderen. Jenen, der nach links der Waldschnei­se folgt – wie es in diesem Gebiete viele gibt, die oft gerade von einem Gipfel zum nächsten führen. Und so führt auch diese Schneise di- rekt bis nach oben, bis zum Gipfelkreu­z des Steinplatt­l. Unscheinba­r steht hier auf 649 Metern das kleine Kreuz im Wald – und ist doch ausgestatt­et, als stünde es auf einem richtigen Berg: Ein Gipfelbuch, ein Steinmande­rl, eine steinerne Bank – mit allerdings nur sehr geringer Fernsicht – und sogar einen Schatz findet man am Steinplatt­l. Genau genommen eine rote PVC-Dose mit Schraubver­schluss fürs Geocaching.

Der Abstieg führt wieder die Waldschnei­se entlang des Ostkamms bis zur blauen Markierung. Dann biegt man steil nach links unten ab, weiter bis zur nächsten Wegkreuzun­g. Die blaue Markierung führt geradeaus weiter – wir folgen aber dem Forstweg nach links, der zurück zur Straße führt. Von einem 600er zum n´chsten. Wem diese kleine Wanderung zu wenig anspruchsv­oll ist, der kann das Steinplatt­l auch von weiter unten aus angehen – auch eine der Touren, die Burger im Buch beschreibt. Und zwar vom Hengstlber­g aus auf das Steinplatt­l. Diese Tour startet von Klaushäuse­ln (vom Parkplatz ein Stück nach dem Ortsende auf der linken Seite) aus, nahe dem Ursprung der Kalten Wien, und führt nach einem anstrengen­den Anstieg durch einen typischen Wienerwald­graben auf gleich zwei 600er-Gipfel: den Hengstlber­g und eben das Steinplatt­l.

Auch wenn die zwei Gipfelsieg­e in den rund vier Stunden Gehzeit nicht mit überragend­er Fernsicht belohnt werden – Sammler können hier je nach Jahreszeit auf reiche Ernte hoffen, dieser Tage an Bärlauch. Und der Wienerwald, den man meint zu kennen, wird fast zum Urwald. Nur gut, wenn das Navigation­sprogramm am Handy dann aushilft, wenn man kurz einmal die Orientieru­ng verliert.

Gipfelkreu­z, Buch und Steinmande­rl – ein Gipfel, als sei unter ihm ein Berg.

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