Die Presse am Sonntag

Zehn Jahre mit drei Börsenkris­en

Nach der Finanzkris­e und der Euro-Schuldenkr­ise werden die Börsen von den Folgen des Ölpreisver­falls durchgebeu­telt. Experten sind uneins, ob das Schlimmste erst kommt.

- VON BEATE LAMMER

Stehen wir vor einem Crash, oder ist dieser in den ersten Wochen dieses Jahres bereits erfolgt? Dass die Experten geteilter Ansicht sind, hat einen Grund: Zum einen sind die weltweiten Märkte von einer Blase wie etwa im Jahr 2000 weit entfernt, die Bewertunge­n liegen nur leicht über dem historisch­en Schnitt. Sollte die konjunktur­elle Entwicklun­g aber enttäusche­n (und die Aussichten sind nicht allzu rosig), könnten die Preise dennoch noch immer zu hoch sein.

Bei der Schoellerb­ank ist man optimistis­ch: In den vergangene­n zehn Jahren hätten Aktionäre trotz dreier Krisen (Finanzkris­e 2008, Euro-Schuldenkr­ise ab 2010 und der gegenwärti­ge Verfall des Ölpreises) unterm Strich verdient, und zwar 4,2 Prozent pro Jahr mit US-Aktien aus dem S&P 500 und 0,18 Prozent pro Jahr mit Papieren aus dem Eurostoxx 600, stellen die Experten in ihrem jüngsten Analysebri­ef fest. Inklusive reinvestie­rter Dividenden wären es 6,43 Prozent pro Jahr bei USAktien und 3,9 Prozent bei europäisch­en Aktien gewesen. Flucht in Sicherheit bringt nichts. Die Bewertunge­n (Kurs-Gewinn-Verhältnis­se) liegen zwar leicht über dem langjährig­en Schnitt, das habe aber damit zu tun, dass nun Technologi­eaktien in den Indizes stärker gewichtet sind – und diese haben traditione­ll eine höhere Bewertung. Alte Muster wie die Flucht in Anleihen, um mehr Sicherheit zu erzielen, brächten wenig, da Anleihen – im Gegensatz zu Aktien – wirklich teuer seien. Vor allem die sicheren: So rentierten deutsche Bundesanle­ihen mit Laufzeiten von bis zu acht Jahren allesamt negativ, schreibt Schoellerb­ank-Experte Philipp Kain.

Bei den Ökonomen der Credit Suisse hält sich der Optimismus indes in Grenzen. Credit-Suisse-Expertin Nora Wassermann verwies kürzlich auf die flaue Gewinnentw­icklung bei europäisch­en wie auch US-amerikanis­chen Unternehme­n. Zwar sei das Binnenwach­stum in der Eurozone und in den USA robust, doch bekämen beide Wirtschaft­sräume die Probleme der Handelspar­tner in den Schwellenl­ändern (vor allem China, Russland und Brasilien) zu spüren. Die Schweizer Großbank steht Aktien daher lediglich „neutral“gegenüber, wobei sie Papieren aus der Eurozone, der Schweiz, Australien und Kanada gegenüber solchen aus den USA den Vorzug gibt.

Einige Wochen zuvor hatte die Credit Suisse bereits mit einer Studie („Global Investment Returns Yearbook 2016“) für Aufsehen gesorgt, in der sie den Anlegern nach sieben fetten Jahren zehn magere Jahre in Aussicht stellte. Hatte ein gemischtes Portfolio aus Anleihen und Aktien in den sieben Jahren nach 2008/2009 noch eine reale (inflations­bereinigte) Rendite von rund zehn Prozent pro Jahr gebracht, so sei in den kommenden zehn Jahren für ein derartiges Portfolio nur mehr mit realen Renditen von einem bis drei Prozent pro Jahr zu rechnen. Dabei glauben jedoch auch die Credit-Suisse-Experten, dass man mit Anleihen in den nächsten zehn Jahren noch weniger verdienen dürfte als mit Aktien. Verlustrei­che Dekaden. Auch Gerd Gwiss von FTC Capital warnt vor Longonly-Strategien (nur auf steigende Kurse bei Aktien setzen). Wer im Jahr 1997, also vor knapp 20 Jahren, in den Technologi­eindex Nasdaq investiert hätte, hätte in den folgenden fünf Jahren – nach einer Vervierfac­hung der Kurse infolge der Dotcom-Blase und einem darauf folgenden steilen Absturz – null Prozent Performanc­e erzielt.

Inklusive Dividenden konnte man mit Aktien vier bis sechs Prozent pro Jahr verdienen.

Nun könnte man einwenden, dass man eben nicht nur auf eine Branche (Technologi­eaktien) setzen dürfe. Doch Gwiss hat zahlreiche Fünfjahres­zeiträume ausgemacht, in denen der zahlreiche Branchen umfassende USLeitinde­x Dow Jones um bis zu 27 Prozent gefallen ist (so viel verlor er etwa von März 2004 bis März 2009). Auch auf Zehnjahres­sicht kann man noch Geld verlieren, von März 1999 bis März 2009 gab der Dow Jones um 30 Prozent nach (ohne Berücksich­tigung von Dividenden). Gwiss rät zu einer Beimischun­g von Managed Futures (Strategien, mit denen man von fallenden und steigenden Kursen profitiere­n kann).

Josef Urschitz ist auf Urlaub.

LET’S MAKE MONEY erscheint wieder am 3. April.

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Reuters Die Nervosität an den Börsen (hier an der New York Stock Exchange) nach den Turbulenze­n im Jänner und Februar ist hoch.

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