Die Dame hinterm Schreibtisch
Eine Bayerin wurde in Wien zur Selfmade-Buchbinderin. Notizbücher, Fotoalben, Skizzenhefte fertigt sie in ihrem Wohnzimmer an – und verkauft sie auf Designmärkten.
Hinter einem schweren Tisch aus Eisen, abgenutzt und mit beinahe historischem Flair, sitzt eine zierliche Frau in einem blütenweißen Hemd, die dunklen Haare mit Klammern aus dem Gesicht geschoben. Ihre Hände streichen über saubere weiße Papierbögen. Sie macht das mit stoischer Ruhe: Die Szene hat etwas Meditatives, Entspannendes. Es riecht nach Kaffee, ein Osterstritzel steht hübsch angerichtet bereit.
„Den Tisch haben wir auf einem Flohmarkt in Kopenhagen gekauft.“Maria Hack, 30 Jahre alt, aus München, hat in Augsburg Kommunikationsdesign studiert und lebt seit etwas über einem Jahr in Wien, in Margareten, in einer Altbauwohnung wie aus einem Bilderbuch. Nach Wien sei sie der Liebe wegen gekommen, und wegen des guten Kaffees. Der Umzug brachte außerdem mit sich, dass die Grafikdesignerin aus einem Hobby ein professionelles Unternehmen gemacht hat. „Falz & Vorsatz – Manufaktur feiner Papierwaren“heißt das Label, und darunter verkauft Hack Notizbücher, Fotoalben, Postkarten, Wandkalender, Briefpapier. Die Produkte fertigt sie selbst und bindet sie mit pastellfarbenen Fäden zusammen.
„Ich habe selbst während des Studiums andauernd Skizzenhefte gebraucht“, erzählt Hack mit ihrem bayerischen Akzent, „und weil das irgendwann voll ins Geld geht, habe ich mir dann gedacht: Das mache ich selber.“Dann verschenkte sie Kalender an Familie und Freunde: „Sie sind so gut angekommen, dass ich mir gedacht habe: Ja, die könnte ich auch verkaufen.“In Augsburg legte sie in Designund Pop-up-Läden ihre Hefte auf; aber so richtig professionell wurde Hacks Arbeit erst in Wien. Auf einem Flohmarkt wurden die Organisatoren des beliebten Wiener Designmarkts Feschmarkt auf die Bayerin und ihre Büchlein und Kalender aufmerksam, sprachen sie an und luden sie ein, sich mit einem Stand beim Feschmarkt zu bewerben. „Sie haben gesagt: ,Hey, das würde voll gut passen, mach mit!‘ Die Voraussetzungen waren aber ein ordentliches Label mit einem ordentlichen Namen, einem Logo, allem, was dazugehört.“ Hobby, professionell. Das war im März 2015 – Hack muss lachen, wenn sie daran zurückdenkt. „Ich habe ja nichts gehabt. Die Bewerbungsfrist wäre zwei Tage später vorbei gewesen, dann habe ich mich hingesetzt und innerhalb von zwei Tagen alles begonnen.“Ein großer Zufall, kein großer Plan. „Ich hatte mir schon während des Studiums Gedanken darüber gemacht, ein Label zu beginnen, im Nachhinein bin ich froh, dass ich das viel später gemacht habe. So konnte das alles noch reifen.“Das Logo ihrer Marke prägt Hack mittlerweile auf die Rückseite ihrer handgebundenen Bücher.
So licht und hell wie ihr Wohnzimmer – neben dem Kopenhagener Tisch steht an schwerem Gerät nur eine schwarze, massive Papierschlagschere, „sie kommt aus einem Kloster in Bayern, über hundert Jahre alt“– sind auch die Arbeiten von Hack, die sie genau in diesem Wohnzimmer auch anfertigt. Dass sie aus ihrer Wohnung heraus produziert, stört sie persönlich nicht: „Das müsste mein Freund sagen.“Denn natürlich sitze man irgendwann einmal bis zwei Uhr morgens da, um zu arbeiten oder zu tüfteln. Im Moment entwickelt sie gerade ihre zweite Kollektion an Papierwaren: Die erste Charge mit den Dessins aus dem Jahr 2015 neigt sich schon ziemlich dem Ende zu.
Neben den Designmärkten vertreibt Hack ihre Produkte auch über ihren Webshop – und in der Schreibutensilien-Boutique Sous-Bois der Französin Chloe´ Thomas in der Neustiftgasse. „Wien ist eine tolle Stadt“, sagt Hack dazu. „Gerade in der Szene der, sagen wir einmal, kreativ Schaffenden wird man total nett aufgenommen. Man findet sehr schnell Anschluss, man findet sehr schnell Gleichgesinnte, man kann sich austauschen, man kann sich relativ schnell ein Netzwerk schaffen – was super ist.“So arbeiten sie und Thomas nicht nur auf normaler ProduzentHändler-Basis miteinander, sondern haben sich zusammengeschlossen, um im Sous-Bois Buchbinde-Workshops anzubieten.
»Wien ist toll. Man findet sehr schnell Gleichgesinnte und kann Netzwerke bauen.«
„Gesund wachsen“. Dort lehrt Hack die Teilnehmer dann, was sie sich per Selbststudium und Ausprobiererei beigebracht hat: die klassische Aktenstichheftung und die exotischere japanische Bindung, deren Fäden die Papierbögen von außen sichtbar zusammenhalten. Das tatsächliche Buchbinderhandwerk hat Hack selbst nie gelernt – aber wenn sie von der Kunst und all ihren Techniken und ihrem persönlichen Respekt dafür spricht, strahlen ihre Augen. Für den Zuhörer ist es dann gut vorstellbar, dass sie eines Tages das Handwerk noch erlernt.
Falz & Vorsatz hat Hack zur angemeldeten Kleinunternehmerin gemacht. Ihre unternehmerischen Pläne für die nähere Zukunft? Mit Freunden, die ebenfalls kreative Handwerker sind, will sie einen Laden im siebten Bezirk eröffnen – und dort dann auch ihre Produktionsstätte hin verlegen.
Über Falz & Vorsatz kann sich Hack ihr Leben noch nicht komplett finanzieren. Sie findet das allerdings nicht so schlimm. „Ich mag, dass das Ganze langsam und gesund wächst. Ich mache ja alles allein. So fühlt es sich auch immer richtig an.“Die Arbeit mit dem Papier sei zudem ein „analoger Ausgleich“für sie: „Als Grafikdesigner verbringst du einfach so viel Zeit vor dem Bildschirm.“Vielleicht will Hack auch deswegen gar nicht, dass ihr PapierBusiness zu ihrem einzigen Job wird. „Da würde mir dann auch fad werden.“Mit diesem Satz steht Hack beinahe symbolisch für die Wiener Szene der kreativen jungen Macher, die es nicht stört, dass sie viele Jobs haben, solange sie ihren Berufungen erfolgreich folgen können und sich weiterentwickeln, häufig in Kollaboration mit anderen, was auch Hack betont.
Findet sie es am Ende schade, dass aus einem Hobby ein Verkaufsprojekt wurde, mit Verpflichtungen? „Davor wie jetzt macht es Spaß“, sagt sie. „Jetzt ist es halt ein anderer Spaß.“