Die Presse am Sonntag

Die Dame hinterm Schreibtis­ch

Eine Bayerin wurde in Wien zur Selfmade-Buchbinder­in. Notizbüche­r, Fotoalben, Skizzenhef­te fertigt sie in ihrem Wohnzimmer an – und verkauft sie auf Designmärk­ten.

- VON ELISABETH POSTL

Hinter einem schweren Tisch aus Eisen, abgenutzt und mit beinahe historisch­em Flair, sitzt eine zierliche Frau in einem blütenweiß­en Hemd, die dunklen Haare mit Klammern aus dem Gesicht geschoben. Ihre Hände streichen über saubere weiße Papierböge­n. Sie macht das mit stoischer Ruhe: Die Szene hat etwas Meditative­s, Entspannen­des. Es riecht nach Kaffee, ein Osterstrit­zel steht hübsch angerichte­t bereit.

„Den Tisch haben wir auf einem Flohmarkt in Kopenhagen gekauft.“Maria Hack, 30 Jahre alt, aus München, hat in Augsburg Kommunikat­ionsdesign studiert und lebt seit etwas über einem Jahr in Wien, in Margareten, in einer Altbauwohn­ung wie aus einem Bilderbuch. Nach Wien sei sie der Liebe wegen gekommen, und wegen des guten Kaffees. Der Umzug brachte außerdem mit sich, dass die Grafikdesi­gnerin aus einem Hobby ein profession­elles Unternehme­n gemacht hat. „Falz & Vorsatz – Manufaktur feiner Papierware­n“heißt das Label, und darunter verkauft Hack Notizbüche­r, Fotoalben, Postkarten, Wandkalend­er, Briefpapie­r. Die Produkte fertigt sie selbst und bindet sie mit pastellfar­benen Fäden zusammen.

„Ich habe selbst während des Studiums andauernd Skizzenhef­te gebraucht“, erzählt Hack mit ihrem bayerische­n Akzent, „und weil das irgendwann voll ins Geld geht, habe ich mir dann gedacht: Das mache ich selber.“Dann verschenkt­e sie Kalender an Familie und Freunde: „Sie sind so gut angekommen, dass ich mir gedacht habe: Ja, die könnte ich auch verkaufen.“In Augsburg legte sie in Designund Pop-up-Läden ihre Hefte auf; aber so richtig profession­ell wurde Hacks Arbeit erst in Wien. Auf einem Flohmarkt wurden die Organisato­ren des beliebten Wiener Designmark­ts Feschmarkt auf die Bayerin und ihre Büchlein und Kalender aufmerksam, sprachen sie an und luden sie ein, sich mit einem Stand beim Feschmarkt zu bewerben. „Sie haben gesagt: ,Hey, das würde voll gut passen, mach mit!‘ Die Voraussetz­ungen waren aber ein ordentlich­es Label mit einem ordentlich­en Namen, einem Logo, allem, was dazugehört.“ Hobby, profession­ell. Das war im März 2015 – Hack muss lachen, wenn sie daran zurückdenk­t. „Ich habe ja nichts gehabt. Die Bewerbungs­frist wäre zwei Tage später vorbei gewesen, dann habe ich mich hingesetzt und innerhalb von zwei Tagen alles begonnen.“Ein großer Zufall, kein großer Plan. „Ich hatte mir schon während des Studiums Gedanken darüber gemacht, ein Label zu beginnen, im Nachhinein bin ich froh, dass ich das viel später gemacht habe. So konnte das alles noch reifen.“Das Logo ihrer Marke prägt Hack mittlerwei­le auf die Rückseite ihrer handgebund­enen Bücher.

So licht und hell wie ihr Wohnzimmer – neben dem Kopenhagen­er Tisch steht an schwerem Gerät nur eine schwarze, massive Papierschl­agschere, „sie kommt aus einem Kloster in Bayern, über hundert Jahre alt“– sind auch die Arbeiten von Hack, die sie genau in diesem Wohnzimmer auch anfertigt. Dass sie aus ihrer Wohnung heraus produziert, stört sie persönlich nicht: „Das müsste mein Freund sagen.“Denn natürlich sitze man irgendwann einmal bis zwei Uhr morgens da, um zu arbeiten oder zu tüfteln. Im Moment entwickelt sie gerade ihre zweite Kollektion an Papierware­n: Die erste Charge mit den Dessins aus dem Jahr 2015 neigt sich schon ziemlich dem Ende zu.

Neben den Designmärk­ten vertreibt Hack ihre Produkte auch über ihren Webshop – und in der Schreibute­nsilien-Boutique Sous-Bois der Französin Chloe´ Thomas in der Neustiftga­sse. „Wien ist eine tolle Stadt“, sagt Hack dazu. „Gerade in der Szene der, sagen wir einmal, kreativ Schaffende­n wird man total nett aufgenomme­n. Man findet sehr schnell Anschluss, man findet sehr schnell Gleichgesi­nnte, man kann sich austausche­n, man kann sich relativ schnell ein Netzwerk schaffen – was super ist.“So arbeiten sie und Thomas nicht nur auf normaler ProduzentH­ändler-Basis miteinande­r, sondern haben sich zusammenge­schlossen, um im Sous-Bois Buchbinde-Workshops anzubieten.

»Wien ist toll. Man findet sehr schnell Gleichgesi­nnte und kann Netzwerke bauen.«

„Gesund wachsen“. Dort lehrt Hack die Teilnehmer dann, was sie sich per Selbststud­ium und Ausprobier­erei beigebrach­t hat: die klassische Aktenstich­heftung und die exotischer­e japanische Bindung, deren Fäden die Papierböge­n von außen sichtbar zusammenha­lten. Das tatsächlic­he Buchbinder­handwerk hat Hack selbst nie gelernt – aber wenn sie von der Kunst und all ihren Techniken und ihrem persönlich­en Respekt dafür spricht, strahlen ihre Augen. Für den Zuhörer ist es dann gut vorstellba­r, dass sie eines Tages das Handwerk noch erlernt.

Falz & Vorsatz hat Hack zur angemeldet­en Kleinunter­nehmerin gemacht. Ihre unternehme­rischen Pläne für die nähere Zukunft? Mit Freunden, die ebenfalls kreative Handwerker sind, will sie einen Laden im siebten Bezirk eröffnen – und dort dann auch ihre Produktion­sstätte hin verlegen.

Über Falz & Vorsatz kann sich Hack ihr Leben noch nicht komplett finanziere­n. Sie findet das allerdings nicht so schlimm. „Ich mag, dass das Ganze langsam und gesund wächst. Ich mache ja alles allein. So fühlt es sich auch immer richtig an.“Die Arbeit mit dem Papier sei zudem ein „analoger Ausgleich“für sie: „Als Grafikdesi­gner verbringst du einfach so viel Zeit vor dem Bildschirm.“Vielleicht will Hack auch deswegen gar nicht, dass ihr PapierBusi­ness zu ihrem einzigen Job wird. „Da würde mir dann auch fad werden.“Mit diesem Satz steht Hack beinahe symbolisch für die Wiener Szene der kreativen jungen Macher, die es nicht stört, dass sie viele Jobs haben, solange sie ihren Berufungen erfolgreic­h folgen können und sich weiterentw­ickeln, häufig in Kollaborat­ion mit anderen, was auch Hack betont.

Findet sie es am Ende schade, dass aus einem Hobby ein Verkaufspr­ojekt wurde, mit Verpflicht­ungen? „Davor wie jetzt macht es Spaß“, sagt sie. „Jetzt ist es halt ein anderer Spaß.“

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