Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Kommende Woche startet die heurige Allergiesaison. An Heuschnupfen und Co. wird viel geforscht, die Zusammenhänge werden aber derzeit nicht klarer, im Gegenteil.
In den nächsten Tagen soll es richtig losgehen: Der Österr. Pollenwarndienst prognostiziert für die letzten März- und die ersten Apriltage den Blühbeginn der Birke. Für unzählige Menschen, mich eingeschlossen, beginnt das große Niesen und Rotzen. Allergien haben sich zur häufigsten chronischen Krankheit in westlich geprägten Ländern entwickelt. Schätzungen zufolge zeigt das Immunsystem von 25 bis 30 Prozent der Menschen Überreaktionen gegen an sich harmlose Proteine – sogenannte Allergene – in Pollen oder Tierhaaren.
Warum die Zahl der Allergiker in den vergangenen Jahrzehnten so stark zugenommen hat, ist weiterhin rätselhaft. Offenbar spielen mehrere Dinge zusammen – wie auch der Forscher Rudolf Valenta (Med-Uni Wien) und der Wissenschaftsjournalist Alwin Schönberger („Profil“) in ihrem „Anti-Allergie-Buch“(300 Seiten, 20,60 Euro, Piper) ausführen. So wird etwa das Immunsystem vieler Menschen empfindlicher – eine gängige Hypothese erklärt das durch Veränderungen des „Mikrobioms“, also jenen Bakterien, die auf und in uns leben und das Immunsystem beeinflussen.
Eine Rolle spielt auch der Klimawandel. Durch die Erwärmung blühen viele Pflanzen länger und intensiver, der erhöhte CO2-Gehalt der Luft wirkt zusätzlich als Dünger. Zudem hat die Umweltverschmutzung Konsequenzen: Man weiß, dass Stickoxide oder Ozon die Allergenität von Pollen verstärken und Feinstaub das Immunsystem empfindlicher machen kann.
An all diesen Faktoren wird intensiv geforscht, ständig entdeckt man neue Aspekte. So hat eine deutsche Forschergruppe kürzlich herausgefunden, dass auch Bakterien, die auf den Pollenkörnern leben, die Allergenität verändern können (PLoS One, 24. 2.). Die Anwesenheit bestimmter Mikroorganismen stresst die Pflanzen, sie leiten Abwehrreaktionen ein – und da manche Allergene Teil dieser Abwehr sind, werden sie dadurch verstärkt gebildet. Es gibt aber auch einen Zusammenhang mit Luftschadstoffen: Stickoxide beispielsweise senken die Artenvielfalt der Bakterien an Pollen – das könnte erklären, warum Pollen in der Stadt allergener wirken als auf dem Land.
Man sieht: Die Zusammenhänge werden derzeit nicht klarer, sondern im Gegenteil noch unübersichtlicher. Aber so ist Wissenschaft eben: Bis man die Lösung für ein Problem gefunden hat, sind viele Wege zu gehen. Wenn man schon wüsste, was bei einem Forschungsprojekt herauskommt, dann brauchte man ja nicht zu forschen. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.