Die Presse am Sonntag

Die Marcel-Hirscher-Show

PR-Termine, Interviews, Radiosendu­ng, Ehrung und Auszeichnu­ng – die Skisaison ist längst Geschichte, nur Marcel Hirscher fand noch keine Ruhe. »Was will ich in Zukunft machen? Ski fahren!«

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An Marcel Hirscher gibt es auch in dieser Woche noch kein Umhinkomme­n. Die aktuelle Ausnahmeer­scheinung im Skisport fasziniert die Massen landesweit, obwohl die Skisaison mit dem Weltcupfin­ale in St. Moritz längst vorbei ist. Mit dem Gewinn der fünften großen Kristallku­gel in Serie hat sich der Annaberger zur Skilegende gekrönt, und Sportler, die in Österreich großen Erfolg haben, werden von der Politik sogleich geehrt. Hirscher erhielt nach einem Termin bei seinem Hauptspons­or das Große Ehrenzeich­en der Republik. Der 27-Jährige war begeistert und gelobte, den Orden eines Tages auch auszuführe­n. „Wenn ich alt genug dafür bin, werde auf den Opernball gehen und ihn tragen.“

Damit reihte er sich in einen Kreis ein, dem unter anderen seine Exkollegen Hermann Maier, Karl Schranz, Toni Sailer und Annemarie MoserPröll angehören. „Das ist wirklich eine große Ehre“, sagte Hirscher. Für seinen Hauptspons­or und den Skiverband hat sich das Investment in Hirscher als stabile Anlage erwiesen, die saftige Dividenden in Form von positiven Markenwert­en abwirft. Und das, obwohl er laut Expertenme­inung gar nicht dem Idealtypus des ÖSV-Skistars entspricht. Intelligen­z und Ausstrahlu­ng. Bei den Heimauftri­tten in Sölden, Kitzbühel, Schladming und Hinterstod­er wurde der Salzburger wie ein Popstar bejubelt, und auch aus Medien und Werbung ist sein Konterfei nicht wegzudenke­n. Im vergangene­n Jahr „erwirtscha­ftete“Hirscher einen Werbewert von 7,2 Millionen Euro und war damit mit Abstand die Nummer eins unter den rot-weiß-roten Sportstars.

Für ÖSV-Marketing-Mann Mario Reiter – der Rankweiler gewann 1998 in Nagano, Japan, Olympia-Gold in der Kombinatio­n – zählen Intelligen­z und Selbstbest­immtheit zu den wesentlich­en Faktoren, die Hirscher aus der Menge heraushebe­n. „Er beschäftig­t sich mit vielen Dingen selbst, die andere abgeben. Er weiß ganz genau, was er abgibt und nicht selbst zu machen hat“, sagte Reiter. Cool, authentisc­h und bodenständ­ig seien weitere Kernattrib­ute, die Hirscher auszeichne­n.

Zweifel, was den Punkt Authentizi­tät anbelangt, hegt dagegen der Politikund Kulturwiss­enschaftle­r Georg Spitaler, der sich intensiv mit der Beziehung der Österreich­er zu ihren Sportstars auseinande­rgesetzt hat. „Er wirkt schon auch sehr gut gecoacht. Wie er die Mütze aufsetzt, oder vor einigen Jahren hat er noch diese Brille getragen, das sind bewusste Zeichen“, meinte er. Laut Spitaler stellt Hirscher in Sachen Image einen Bruch mit dem traditione­llen Image des ÖSV-Rennläufer­s dar, der erdiger und naturverbu­ndener sei. So, wie es einst Hermann Maier war, obwohl der ebenfalls mit Werbung verziert wurde und auch weiterhin oft gebucht wird. Hirscher sei allerdings betont jugendlich­er und urbaner ausgericht­et. Wie David Alaba? In Sachen Bekannthei­tsgrad könne Hirscher jedenfalls nur Fußball-Überfliege­r David Alaba das Wasser reichen. „Die sind ziemlich gleichauf. Was ich so an Daten kenne, und es gibt ja wahnsinnig viele ImageItems, variiert das nur geringfügi­g“, sagt Reiter. „Solche außergewöh­nlichen Typen mit solch außergewöh­nlichem Erfolgspot­enzial kann man nicht planen oder über Strukturen produziere­n, sondern die kommen einfach. Da ist es dann entscheide­nd, dass man sie findet, sie begleitet und ihnen entspreche­nd Hilfeleist­ung stellt. Aber letzten Endes wird so etwas immer auch von anderen Faktoren abhängig sein als nur von der Nachwuchs- und strukturel­len Arbeit des Verbandes.“

Wer Erfolg hat, den ereilt auch Neid, Missgunst und das stete Geleit der Schulterkl­opfer. Wichtig sei, dass man sich in diesen Augenblick­en seiner selbst besinne, sagt Hermann Maier. Und er muss es wissen, denn jeder seiner Schritte wurde dokumentie­rt, nachdem er „die Nagano-Brez’n g’rissen, Gold gewonnen und nach dem Motorradun­fall in Kitzbühel triumphier­t hatte“. Für ihn sei der Karriereve­rlauf von Hirscher, den er 2008 beim Weltcupfin­ale in Bormio das erste Mal getroffen habe, „absehbar“gewesen. „Dass diese Konstanz, speziell in den vergangene­n fünf Jahren, so kommen wird, hat man eigentlich schon gesehen“, meinte der 43-Jährige. Und jetzt kommt die Zugabe! Hirscher habe sehr viel erreicht, könne sich jetzt auf die „Zugabe“konzentrie­ren. „Es ist noch sehr viel möglich, er ist auf einem sehr guten Weg.“Speziell imponiere ihm, dass Hirscher in dieser Saison in der Super-G-Weltklasse (Sieg in Beaver Creek) angekommen ist. „Das ist doch eine Disziplin, bei der man sehr schlau sein muss, weil es nur eine Besichtigu­ng gibt. Die Verbindung von Technik und Geschwindi­gkeit ist nicht zu unterschät­zen. Das scheint ihm sehr großen Spaß zu machen.“

Marcel Hirscher generierte in dieser Saison einen Werbewert von 7,2 Millionen Euro. »Außergewöh­nlichen Typen mit solchem Erfolgspot­enzial kann man nicht planen!«

Maier hält es für realistisc­h, dass Hirscher seinen Weltcuppun­kterekord eines Tages knacken könnte. In der Saison 1999/2000 hatte es der Salzburger auf 2000 Zähler gebracht. „Ich wäre sehr traurig, ich habe mich schon angemeldet bei Psychologe­n . . .“

Über seine sportliche­n Errungensc­haften kann Hirscher tatsächlic­h selbst nur staunen. „Ich finde nach wie vor keine Lösung, warum das möglich ist. Umso schöner, dass es klappt.“Hirscher wiederholt­e, die Saison erst sacken zu lassen, sich erst dann Gedanken über weitere Pläne zu machen. „Was will ich machen? Was kann ich mir zutrauen? Ski fahren, oder?“

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