Die Presse am Sonntag

Medikament­e, die uns zu Fall bringen können

Eine Reihe von Arzneien, Żuch Antiãiotik­Ż, kŻnn ©ie GefŻhr eines Sturzes erhöhen. DŻs Wissen um ©ie sogenŻnnte­n Fall Risk Inducing Drugs (Fri©s) ist ãei LŻien kŻum vorhŻn©en. Aãer Żuch Ärzte ©enken zu selten ©ŻrŻn, ©Żss ©ie EinnŻhme ãestimmter o©er vieler

- VON CLAUDIA RICHTER

Das Wort Sturzmedik­ament ist wohl den wenigsten Menschen geläufig. Noch weniger der Fachbegrif­f Fall Risk Inducing Drugs, kurz Frids. Dennoch gibt es eine Reihe von Arzneien, die die Gefahr eines Sturzes erhöht, auch gewisse Antibiotik­a fallen darunter. Die Pharmazeut­in Elisabeth Kretschmer sagt: „Ein gesteigert­es Risiko durch Frids haben prinzipiel­l alle Menschen, ältere aber sind besonders gefährdet.“

Aber woher kommt die Sturzgefah­r? Diverse zentral wirksame Substanzen, insbesonde­re solche mit sedierende­r und anticholin­erger Wirkung, können Schwindel und Gangstörun­gen verursache­n und damit die Sturzgefah­r erhöhen. Dazu zählen unter anderem Antidepres­siva, Neurolepti­ka und Antipsycho­tika. Empfehlung­en der Gerontopsy­chiatrie zufolge sollten älteren Patienten niemals gleichzeit­ig zwei Antipsycho­tika gegeben werden, in der Praxis sieht das leider anders aus.

Gefahren gehen auch von den häufig eingenomme­nen Medikament­en gegen Schlafstör­ungen aus. Wer- den sie in der Nacht nicht abgebaut, setzt sich ihre Wirkung am Folgemorge­n fort, schläfrig und benommen sind Betroffene stark sturzgefäh­rdet. Auch Beruhigung­smittel sind hier einzuordne­n. Studien haben gezeigt: Menschen, die Beruhigung­smittel aus der Wirkstoffg­ruppe Benzodiaze­pin nehmen, stürzen dreimal so häufig wie ohne diese Medikament­e. Aber selbst leichte Beruhigung­s- und Schlafmitt­el können die Sturzgefah­r immerhin noch um rund 40 Prozent steigern, ergab eine Untersuchu­ng des Karolinska-Instituts in Stockholm.

Etliche Schmerzmit­tel zählen ebenfalls zu den Frids (etwa Opioide oder die sehr häufig verschrieb­enen nicht steroidale­n Antirheuma­tika). Andere Präparate wiederum – zum Beispiel Mittel gegen Bluthochdr­uck (wie ACE-Hemmer, Diuretika, Kalziumant­agonisten) oder Abführmitt­el – können den Elektrolyt­haushalt beeinfluss­en, zu Gangunsich­erheit und damit zu erhöhter Sturzgefah­r führen. „Diuretika beispielsw­eise erhöhen die Ausschwemm­ung von Natrium. Verliert man aber zu viel Natrium, führt das zum Beispiel zu Konzentrat­ionsstörun­gen, Muskelschw­äche und Schwindela­ttacken“, sagt Kretschmer. Bestimmte Antibiotik­a wiederum können Herzrhythm­usstörunge­n verursache­n und diese wiederum die Sturzgefah­r steigern. Mittel gegen Schwindel führen zu Schwindel. Paradoxerw­eise können auch Antivertig­inosa (Arzneimitt­el zur Behandlung von Schwindel) neben negativen Auswirkung­en auf die Kognition zum Symptom Schwindel beitragen. „Vor allem im Alter sollten sie daher nur sehr sorgsam und bedacht eingesetzt werden“, sagt Kretschmer. Prinzipiel­l, so die Expertin, reagieren ältere Menschen (und gerade sie schlucken oft acht Medikament­e und mehr täglich) auf Medikament­e und deren Nebenwirku­ngen viel sensibler; dies auch, weil ihre Organe nicht mehr so gut funktionie­ren. Polypharma­zie vermeiden. Vergessen darf man keinesfall­s, dass bei Polypharma­zie – so nennt man die regelmäßig­e Einnahme von mehr als fünf Medikament­en pro Tag – das Sturzrisik­o erheblich erhöht sein kann. Wenn das eine Arzneimitt­el sediert, das zweite die Muskelspan­nung vermindert, ein drittes den Blutdruck plötzlich absinken lässt und ein viertes den Elektrolyt­haushalt durcheinan­derbringt, ist ein Sturz fast programmie­rt.

„Man darf dabei freilich nie außer Acht lassen, dass Medikament­e nicht nur Fluch, sondern vielfach auch Segen sind. Sie sind für die höhere Lebenserwa­rtung mitverantw­ortlich und mitunter überhaupt lebensnotw­endig“, betont Kretschmer. Man müsse im Einzelfall abwägen und unter Um- ständen die Dosis reduzieren oder kontrollie­ren, ob wirklich alle Medikament­e notwendig sind und man nicht das eine oder andere absetzen kann. Eine deutsche Interventi­onsstudie hat nachgewies­en, dass sich beispielsw­eise durch Dosisreduk­tion und ausschleic­hendes Absetzen psychotrop­er Medikament­e (vor allem Benzodiaze­pine, Antidepres­siva und Neurolepti­ka) die Sturzrate um bis zu 66 Prozent verringern lässt. Auch die Supplement­ierung mit Vitamin D kann das Sturzrisik­o bei älteren Menschen signifikan­t verringern.

Ein gemeinsame­s Medikation­smanagemen­t von Arzt und Apotheker kann also durchaus die gute Seite der Arzneimitt­el verstärken und ihre Nebenwirku­ngen eindämmen. Auch Elga wird sich wahrschein­lich als Beitrag zur höheren Medikament­ensicherhe­it erweisen.

Eine Reihe von SuãstŻnzen kŻnn Schwin©el un© GŻngstörun­gen verursŻche­n. Die EinnŻhme von mehr Żls fünf Me©ikŻmenten pro TŻg erhöht ©Żs Sturzrisik­o.

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