Die Presse am Sonntag

Rekordprei­se in Dubai

Die Art Dubai feierte heuer ihr zehnjährig­es Bestehen. Das liberale Emirat am Golf gilt mittlerwei­le als Zentrum für die Kunst der Menasa-Region.

- VON SABINE B. VOGEL

Ab 2018 soll in den Emiraten eine Mehrwertst­euer eingeführt werden – diese Meldung erschien in der lokalen Presse just zur Eröffnung der zehnten Art Dubai. Ist jetzt ein Ende des Null-ProzentSte­uerparadie­ses in Sicht? „Davon sprechen die Minister schon länger, aber das wird nicht für Kunst gelten“, beruhigt Antonia Carver. Sie ist seit 2011 Direktorin der Art Dubai, des wichtigste­n Handelspla­tzes für Kunst im Nahen Osten. Heuer feierte die Messe ihr zehnjährig­es Jubiläum.

Gegründet 2007, war Dubai damals noch kulturelle­s Niemandsla­nd. Heute ist das Emirat das Zentrum für die Kunst der Menasa-Region (Naher Osten, Nordafrika, Südasien). Immer mehr Künstler und Sammler ziehen in das liberale Emirat am Golf, Galerien eröffnen hier Dependance­n. Pünktlich zur Art Dubai präsentier­ten The Third Line, die New Yorker Leila Heller Gallery und als neuester Zugang der Nachkriegs­kunst-Händler Stephane Custot (Paris, London) ihre nagelneuen, Kunsthalle­n-ähnlichen Räume in dem Galerienze­ntrum Alserkal Avenue. Zwischen lauter Autowerkst­ätten haben sich dort mittlerwei­le 15 Galerien eingemiete­t, dazu vergibt die AlserkalFa­milie Projekträu­me und Ateliers an Künstler.

Auch die großen Auktionshä­user haben die Golfregion als Wachstumsm­arkt entdeckt. Sotheby’s verzeichne­te 2015 einen Zuwachs von 16 Prozent bei Klienten aus dem Nahen Osten. Und Christie’s, die heuer ebenfalls ihr zehnjährig­es Jubiläum in Dubai feiern, meldeten für ihre „Now And Ten – Modern And Contempora­ry Art“-Auktion am 16. März den Rekordumsa­tz von 11.949.752 Dollar. Das Toplos, „Sarajevo“aus dem Jahr 1992 von dem 1931 in Ägypten geborenen Omar E-Nagidi, brachte 1.145.000 Dollar, weit über dem Schätzprei­s von 400.000 bis 600.000 Dollar. Insgesamt konnten 18 Auktionsre­korde für Kunst aus der Region gebrochen werden.

Von dieser Stimmung profitiert­e auch die zehnte Art Dubai. Rund 27.500 Besucher kamen heuer, allein zur Eröff- nung wurden über 5000 Gäste in den Hallen der Messe in dem luxuriösen Ambiente des Madinat Jumeirah Hotel gezählt. Unter den Sammlern waren auch Kuratorinn­en der Düsseldorf­er Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen. Das Programm des Museums soll globaler aufgestell­t werden, das Team wählte die Art Dubai, um einen Einstieg in die Kunst dieser Region zu finden. Denn die 95 Galerien aus 40 Ländern mit 500 Künstlern aus 70 Ländern zeigen nicht nur neue Trends, sondern auch einen Blick zurück. Historie trifft Gegenwart. 13 Galerien nahmen in der Sektion Modern mit Meistern des 20. Jahrhunder­ts teil, darunter die Shirin Art Gallery aus Teheran und New York. Sie präsentier­ten Werke von Ali Akbar Sadeghi. 1937 in Teheran geboren, schuf der Maler in seinen Zeichnunge­n und Animations­filmen der 1970er-Jahre eine moderne Form der persischen Miniaturma­lerei. Das Interesse an seinen Werken war enorm, denn auffallend viele junge Künstler der Region verknüpfen gerade Historisch­es mit Gegenwärti­gem. Die einen greifen dafür Fotomateri­al auf. So montiert die indische Künstlerin Archana Hande für die Serie „The Golden Feral Trail“Details alter Aufnahmen von Kamelkaraw­anen in Fotografie­n australisc­her Landschaft­en (Chemould Gallery). Die anderen experiment­ieren mit Ornamenten und eben der Miniaturma­lerei: Im traditione­llen Stil gemalt, kämpfen Helden heutiger Computersp­iele mit persischen Soldaten (Murat Palta bei X-ist Gallery), im Ornament rund um harmlose Bildszenen kreisen Panzer (Farah Ossouli bei Dastan), und Flugzeugbo­mben sind mit Ornamenten überzogen, die jeweils für einzelne Länder spezifisch sind (Katya Trabulsi bei Agial Art Gallery).

Manche dieser Werke mag man kitschig finden, verkennt dann allerdings, dass in der Kunst dieser Region eine neue, an Traditione­n anknüpfend­e Bildsprach­e gesucht wird, um die politische­n und gesellscha­ftlichen Umbrüche bildlich zu verarbeite­n. Das kann auch zu kritischen Werken führen, wie die Skulptur von M. H. Gholamzade­h am Stand der Galerie Dastan (Teheran/ Dubai): Eine Figur trägt einen knallorang­efarbenen Ring um den Hals. Ein Rettungsri­ng, der nicht beim Absturz helfen kann, erklärt der Galerist Hormoz Hematian. Es sei eine Metapher für die gesellscha­ftliche Situation im Iran, die durch die Aufhebung der Sanktionen noch längst nicht entschärft sei. Es können aber auch humorvolle Werke sein, wie die schwarzen Plexiglasb­ilder von Orkhan Huseynov am Stand der Yay Gallery aus Aserbaidsc­han. „Muslims in Space“nennt er seine Serie, auf der ein Astronaut auf dem Mond zum Beten niederknie­t und die Weltraumra­kete die Form einer Moschee hat. Für „Kufic Pacman“hat Huseynov die kleinen Monster des Computersp­iels in Symbole für verschleie­rte Frauen verwandelt, die durch das Labyrinth gejagt werden.

95 Galerien aus 40 Ländern mit 500 Künstlern aus 70 Ländern sind in Dubai dabei. Die Wiener Galerie Krinzinger verkaufte ein Werk des Libanesen Alfred Tarazi.

Interesse der Schweizer. Bei der Art Dubai ist gefragt, was zu der Region gehört – darin liegt das Erfolgsrez­ept der Messe. Darauf lassen sich auch die westlichen Teilnehmer ein, wenn die Berliner Galerie Carlier-Gebauer eines der tiefschwar­zen „Brick“-Bilder von Maria Taniguchi zeigt, die von den Philippine­n stammt – dem diesjährig­en Gastland der Messe. Oder die Wiener Galerie Krinzinger schon am Eröffnungs­abend ein Werk des Libanesen Alfred Tarazi an einen Schweizer Sammler verkauft – Tarazi thematisie­rt den Bürgerkrie­g in Beirut. Bei Marianne Boesky aus New York ging eine der dekorative­n, perforiert­en Papierarbe­iten von Diana al-Hadid an einen ägyptische­n Käufer.

Die Erfolgsges­chichte der Art Dubai erfreut nicht nur Galerien und Sammler, sondern weckt auch das Interesse der Schweizer Messespezi­alisten. Schon vergangene­s Jahr hieß es, die Art Basel wolle diesen Markt einfangen, denn bisher reisen nur wenige Sammler dieser Region an den Rhein. Nun will angeblich die MCH-Gruppe, die den Wunsch hegt, regionale Kunstmesse­n einzukaufe­n, die Art Dubai schlucken. John Martin, der Gründer der Art Dubai, sieht das gelassen: Im ersten Jahr hieß die Messe noch Gulf Art Fair, denn sie hätten lang dafür kämpfen müssen, den Namen des Emirats zu verwenden. Bei einem Verkauf, so Martin, geben die Scheichs den Namen sicher nicht weiter.

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