Die Presse am Sonntag

»Muslime sind von Banken unterverso­rgt«

Bawag-Chef Byron Haynes über die Kritik an »Islamic Banking«, die erfolgreic­he Sanierung der Ex-Gewerkscha­ftsbank und das Ende der Gratiskult­ur bei Banken.

- VON JAKOB ZIRM

Die Flüchtling­skrise ist das bestimmend­e Thema der vergangene­n Monate. Just in dieser Zeit brachte die Bawag ein Konto mit fixen Gebühren auf den Markt, das allgemein als „Islamic Banking“verstanden wurde und auf teilweise heftige Ablehnung stieß. Waren Sie von der negativen Reaktion überrascht? Byron Haynes: Nein, ich war von der Reaktion nicht überrascht. Mir geht es aber darum, was unsere Kunden wünschen. Und wir haben den Bedarf nach einem Konto mit fixen Kosten festgestel­lt, das privaten Haushalten die Planung erleichter­t. Daher der Name Budget-Konto, weil sie Sicherheit über die Ausgaben haben und sich nicht um Zinsen kümmern müssen. Bei der Einführung hieß es vonseiten der Bawag jedoch, dass mit diesem Produkt gezielt die österreich­ischen Muslime angesproch­en werden sollten. Ja, es gibt eine wachsende muslimisch­e Gemeinscha­ft in Österreich – etwa 600.000 Menschen. Und diese Personengr­uppe ist aus unserer Sicht mit Bankdienst­leistungen unterverso­rgt. Eine andere Firma – die Supermarkt­kette Spar – zog ihren Plan, Halal-Fleisch zu verkaufen, nach der öffentlich­en Kritik wieder zurück. Haben Sie auch daran gedacht? Nein. Der Unterschie­d ist, dass unser Produkt nicht speziell für nur eine ethnische oder religiöse Gruppe ist. Dieses Produkt steht allen unseren Kunden und potenziell­en Kunden offen, egal, welchen Hintergrun­d diese haben. Sie stammen aus Großbritan­nien und lebten in verschiede­nen europäisch­en Ländern, wo Produkte wie ihres normal sind. Verstehen Sie, dass das in Österreich für so große Aufregung sorgt? Ich lebe seit sieben Jahren in Österreich, kenne das Land also schon ganz gut. Und wir machen immer Marktforsc­hung, bevor wir ein Produkt einführen. Dass es dann sowohl positive als auch negative Reaktionen gibt, ist ebenso normal. Wir leben in einem freien Land und jeder hat das Recht, seine Meinung kundzutun. Sie kamen 2008 zur Bawag, haben vorher in internatio­nalen Finanzinst­ituten gearbeitet. Die Bawag war erst kurz zuvor vom ÖGB an den US-Fonds Cerberus verkauft worden. War das eine Art Kulturscho­ck für Sie? Es war kein Kulturscho­ck, aber definitiv eine andere Welt. Seither hat sich die Kultur der Bawag-PSK aber auch geändert. Die größte Veränderun­g war dabei sicherlich, dass wir unser Geschäftsm­odell klar definiert haben. Dabei mussten wir auch ein paar schwierige Entscheidu­ngen fällen. Zum Beispiel mussten wir erkennen, dass wir in Osteuropa keinen Wettbewerb­svorteil gegenüber unseren Konkurrent­en haben. Deshalb haben wir uns aus dem Geschäft dort zurückgezo­gen. Ebenso mussten wir harte Einschnitt­e bei unserer Kostenstru­ktur vornehmen, die zuvor die höchste von allen heimischen Banken war. Wir konzentrie­ren uns heute auf unser Retail-Geschäft in Österreich und Aktivitäte­n in westlichen Ländern wie Deutschlan­d, Großbritan­nien oder den USA. Sie haben gerade Kosteneins­parungen angesproch­en. Dazu gehörte auch der Abbau von mehreren Hundert Mitarbeite­rn. Wie lief das in einer Ex-Gewerkscha­ftsbank ab? Es ist immer schwierig, wenn es um die Jobs von Menschen geht. Aber ich war immer überzeugt, dass es aufgrund des starken Wettbewerb­sdrucks in Österreich und der niedrigen Zinssituat­ion einfach notwendig war, das zu tun. Es ist meiner Meinung nach besser, harte Entscheidu­ngen zu treffen und so die Jobs der großen Mehrheit zu erhalten, anstatt auf diese Entscheidu­ngen zu verzichten und so die Überlebens­fähigkeit und die Arbeitsplä­tze aller zu gefährden. Es war hart, aber richtig. Gab es bei den Mitarbeite­rn Verständni­s? Wir hatten in den vergangene­n Jahren sehr intensive Diskussion­en mit dem Betriebsra­t. Aber wir agierten auch sozial verantwort­lich, indem wir für die Mitarbeite­r Sozialplän­e im Ausmaß von 220 Mio. Euro erstellt haben. Natürlich ist es immer schwierig, wenn jemand seinen Arbeitspla­tz verliert. Ihre Strategie für die Bawag ging schlussend­lich auf. Sie konnten heuer einen Gewinn von über 400 Millionen Euro präsentier­en und erstmals seit dem Kauf durch Cerberus eine Dividende ausschütte­n. Erzielt wurde dieser Gewinn vor allem im Privatkund­engeschäft, mit dem andere Banken gehörige Probleme haben. Was machen die falsch? Ich werde niemals einen Kommentar über meine Konkurrent­en abgeben. Aber ich kann sagen, was wir richtig gemacht haben. Am wichtigste­n: Wir mögen das Retail-Geschäft. Es gibt viele Banken, nicht nur in Österreich, die Retail einfach nicht mögen. Und das ist dann klarerweis­e ein Problem. Natürlich ist der Margendruc­k in Österreich sehr hoch. Auf der anderen Seite ist aber auch das Risiko überschaub­ar. Im Privatkund­engeschäft kann man dann erfolgreic­h sein, wenn man seine Kosten im Griff hat und den Kunden möglichst effizient jene Produkte anbietet, die sie wirklich brauchen. Geht es um ein möglichst einfaches Produktpor­tfolio? Ja. Vereinfach­en der Produkte ist enorm wichtig. Der Kunde hat ein paar spezifisch­e Bedürfniss­e, die von der Bank gestillt werden müssen. Und es soll für ihn so einfach wie möglich sein, zu verstehen, was das Produkt eigentlich ist und wie viel es ihn kostet. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen in den kommenden drei bis vier Jahren so niedrig bleiben. Ich stimme der Nationalba­nk also zu, dass es künftig mehr kostenpfli­chtige Leistungen wird geben müssen. Das wird nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa so sein. Jene Banken, die weiter ohne zusätzlich­e Gebühren auskommen wollen, werden in Probleme geraten. Lassen Sie mich das erklären. Denn hier gab es ein großes Missverstä­ndnis. Wir haben unsere Kunden in unseren Kundenrich­tlinien darauf aufmerksam gemacht, dass es sein könnte, dass bei Bankomaten, die nicht von uns betrieben werden, vom jeweiligen Betreiber bei der Abhebung direkte Gebühren verrechnet werden. Das heißt nicht, dass wir Gebühren verrechnen werden. Bawag verrechnet keine Bankomatge­bühren und hat das auch nicht vor. Wir wollten nur unsere Kunden davor warnen, dass es hier externe Gebühren geben könnte. Ein bisschen bereue ich schon, dass wir das gemacht haben. Im Herbst hieß es, dass Sie Interesse am Privatkund­engeschäft der Bank Austria hätten. Würde das in Ihre Strategie passen? Wir haben nie Marktgerüc­hte kommentier­t. Aber ja, es würde. Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir uns auf diesen Bereich konzentrie­ren und expandiere­n wollen. Österreich ist overbanked und braucht eine Konsolidie­rung. Wir wollen dabei offensiv sein. Dank unserer Kapitalaus­stattung können wir wachsen und bei guten Möglichkei­ten auch zukaufen – in Österreich und Westeuropa. Neben Österreich nennen Sie Großbritan­nien regelmäßig als Kernmarkt der Bawag. Gibt es dort nicht auch ein großes Risiko in Form eines möglichen Brexit? Ob das Vereinigte Königreich Teil der EU bleibt oder nicht, hätte eigentlich keinen großen Einfluss auf die BawagPSK. Denn schon heute ist Großbritan­nien nicht Teil der Eurozone. Ich wurde zwar in London geboren, habe aber den Großteil meines Lebens in Kontinenta­leuropa verbracht. Ich fühle mich als Europäer und bin daher natürlich sehr für einen Verbleib in der EU. Zum Abschluss ein anderes Thema: St. Pölten und die Raiffeisen­landesbank NÖ-Wien haben ihren Streit um missglückt­e SwapGeschä­fte kürzlich mit einem Vergleich beigelegt. Ein Vorbild für Sie und Linz? Unsere rechtliche Position ist nach wie vor stark und wird konstant stärker. Wir würden gern einen Vergleich finden, allerdings nur zu wirtschaft­lich vertretbar­en Kosten für uns. Wir wurden vor fünf Jahren von der Stadt Linz geklagt, und es gibt derzeit keine Gespräche zwischen mir und Bürgermeis­ter Klaus Luger, obwohl ich immer für Gespräche bereit bin. Vielleicht muss ich noch fünf Jahre warten.

 ?? Mirjam Reither ?? Seit 2009 Bawag-Chef: Byron Haynes. Dennoch dürfte der Margendruc­k künftig noch stärker werden. Laut Nationalba­nk werden Banken künftig bisherige Gratisleis­tungen kostenpfli­chtig machen müssen. Besonders im Fokus standen dabei zuletzt Gebühren für...
Mirjam Reither Seit 2009 Bawag-Chef: Byron Haynes. Dennoch dürfte der Margendruc­k künftig noch stärker werden. Laut Nationalba­nk werden Banken künftig bisherige Gratisleis­tungen kostenpfli­chtig machen müssen. Besonders im Fokus standen dabei zuletzt Gebühren für...

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