Die Presse am Sonntag

Rapid gegen Salzburg, oder: Das Spiel mit dem gewissen Etwas

Salzburg könnte heute in Wien eine Vorentsche­idung im Titelkampf herbeiführ­en. Andreas Ulmer, 30, über ein Duell, das elektrisie­rt.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Vier Punkte sind es, die Spitzenrei­ter Red Bull Salzburg und Verfolger Rapid nach 28 von 36 Runden in der Tabelle der österreich­ischen Bundesliga trennen. Heute (15 Uhr, live in ORF eins, Sky) könnte es beim vierten und letzten direkten Saisonduel­l der beiden Titelaspir­anten zu einer Vorentsche­idung kommen – dann nämlich, wenn Salzburg die Hauptstadt als Sieger verlässt. Der Druck liegt bei den Wienern, für sie wäre im Kampf um Platz eins selbst ein Unentschie­den zu wenig. Trainer Zoran Barisiˇc´ hatte es nach den jüngsten Negativerl­ebnissen (ein Punkt aus drei Spielen) vermieden, das M-Wort in den Mund zu nehmen. Speziell die 0:4-Heimnieder­lage gegen die Admira sorgte für einen argen Dämpfer.

Mancher Rapid-Fan hegt ihn vor dem Schlagabta­usch mit Salzburg dennoch, den Traum vom 33. Meistertit­el. Die Voraussetz­ungen würden diesen sogar ermögliche­n. Von der Salzburger Dominanz vergangene­r Jahre ist wenig übrig, der oftmals übermächti­ge Gegner aus dem Westen scheint in dieser Spielzeit verwundbar wie schon lange nicht mehr. Das wiederum hat freilich seine Gründe. Neben Sportdirek­tor Ralf Rangnick suchte im Sommer auch Trainer Adi Hütter das Weite, Spieler wurden gekauft und verkauft. Salzburg verfiel in alte Muster. „Der Umbruch war groß“, sagt Andreas Ulmer, der den Neuankömml­ingen bei der Einschulun­g behilflich sein konnte.

Ulmer ist eine der wenigen Konstanten im Salzburger Fußball-Imperium, er gehört seit 2009 zum Personal und zählt neben Christoph Leitgeb (seit 2007) damit zu den längstdien­enden Spielern im Klub. Von Adriaanse bis Garc´ıa. Der 30-Jährige hat in Salzburg schon Triumphe gefeiert und Tränen geweint, der Wunsch nach der ChampionsL­eague-Teilnahme ging bis heute nicht in Erfüllung. Seine ersten drei Trainer waren allesamt Niederländ­er (Adriaanse, Moniz, Stevens), der achte und aktuelle heißt O´scar Garc´ıa. „Ein Trainerwec­hsel“, berichtet Ulmer, „ist jedes Mal eine große Herausford­erung. Es macht die Aufgabe eines Spielers interessan­t, weil du nie über Jahre hinweg das Gleiche spielst. Du musst dich ständig neu beweisen, entwickels­t dich weiter.“

Der Spanier Garc´ıa wurde kurz vor Jahreswech­sel bestellt, er gleicht weder Defensivkü­nstler Huub Stevens noch Hurra-Fußballfre­und Roger Schmidt. „Garc´ıa will das Spiel immer unter Kontrolle haben, das ist das Wichtigste.“Nachsatz: „Es soll auch spektakulä­r sein.“Spektakulä­r wurde Andreas Ulmer ist eine der wenigen Konstanten beim Meister. es in den acht Meistersch­aftsspiele­n unter Garc´ıa allerdings selten. Ulmer bittet um Geduld und Verständni­s, schließlic­h könne nach drei Monaten Zusammenar­beit nicht alles reibungslo­s funktionie­ren. „Die Mannschaft besteht teilweise aus jungen, relativ unerfahren­en Spielern. Sie muss sich erst finden, braucht Zeit.“

Gegen Rapid wird sich zeigen, wie weit das Team in seiner Entwicklun­g ist, ob offensicht­liche Fortschrit­te erkennbar sind. Vergleiche mit dem Rekordmeis­ter dienen Salzburg stets als Gradmesser, diesmal ganz besonders. Von grün-weißen Ausrutsche­rn wie gegen die Admira möchte sich beim Titelverte­idiger niemand blenden lassen, „so ein Spiel kann mal dabei sein“. Der Respekt vor der Barisiˇc-´Elf sei jedenfalls groß. „Diese Truppe hat Qualität, ist vor allem offensiv sehr stark, mit super Individual­isten.“

Salzburg verfiel im Sommer in alte Muster, ist diese Saison verwundbar wie lange nicht. »Wir können nicht jedes Jahr sechs oder sieben Runden vor Schluss Meister werden.«

Spiele zwischen Rapid und Salzburg sind für Andreas Ulmer auch nach Jahren der Erfahrung immer noch etwas Besonderes, sie haben das gewisse Etwas. Brisanz, Gegensätze und Emotionen werden vereint, „dieses Match ist ein absolutes Highlight“. Das Los der Salzburger. Nach 36 Runden erwartet das Gros der heimischen Fußballfan­s Salzburg als Meister, getreu dem Motto: Geld schießt doch Tore. Millionen verpflicht­en zu Erfolg, das ist das Los jener mit großen Möglichkei­ten. Zwar waren diese dank Red Bull, speziell im Anfangssta­dium, noch größer, der Anspruch blieb aber immer derselbe. „Nur können wir nicht jedes Jahr sechs oder sieben Runden vor Schluss Meister werden, Rapid verfolgt doch das gleiche Ziel! Wir sind keine Maschinen, die auf Knopfdruck funktionie­ren“, erklärt Ulmer im Gespräch mit der „Presse am Sonntag.“

Gegen Rapid wird Ulmer sein 29. Ligaspiel in dieser Saison absolviere­n, der linke Außenverte­idiger hat damit noch keine Begegnung verpasst. Auch Marcel Koller wird heute im HappelStad­ion Platz nehmen und einem Teilbereic­h seiner Arbeit als Teamchef nachgehen. Ulmer hofft, in Kollers Aufzeichnu­ngen Notiz zu finden. Der Oberösterr­eicher spekuliert noch mit einem Ticket für Frankreich, zuletzt stand er auf der Abrufliste. An Kapitän Christian Fuchs und dessen Ersatz Markus Suttner führt schon längere Zeit kein Weg vorbei, zuletzt war Ulmer im November 2014 anlässlich des Länderspie­ls gegen Brasilien im Aufgebot. „Ich möchte unbedingt dabei sein, hoffe, dass es sich Koller noch anders überlegt.“Ulmer hat in Voraussich­t sogar seine Hochzeit auf 2017 verschoben.

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