Anselm Kiefer. Die Holzschnitte.
Die Albertina zeigt weltweit zum ersten Mal von 18. März bis 19. Juni das monumentale Holzschnittwerk von Anselm Kiefer. Anlässlich seines 70. Geburtstags hat sich der deutsche Künstler eine Retrospektive seines malerischen OEuvres im Centre Pompidou in Paris gewünscht, während in der Albertina nun – ebenfalls auf Wunsch Kiefers – das große Konvolut seiner Holzschnittcollagen präsentiert wird. Rund 35 monumentale Hauptwerke seiner berühmten Holzschnitte sind in der Schau zu sehen. Die Ausstellung umfasst wichtige Bildzyklen und Themengruppen Kiefers, wie die „Wege der Weltweisheit: Die Hermannsschlacht“, die Rhein-Bilder und „Brünhilde – Grane“, die von der intensiven Auseinandersetzung des Künstlers mit der deutschen Geschichte, Kulturgeschichte, Mythologien und mit dem Selbstverständnis Deutschlands zeugen.
Existenzielle Fragen
Anselm Kiefer ist der vielleicht größte Metaphysiker unserer Zeit. Wie kein anderer widmet er sich den existenziellen Fragen des Menschen. Sein Blick auf die Geschichte lässt ihn verzweifeln. Die Lektüre der großen Mystiker sowie der Aufklärer versöhnt ihn jedoch mit der Widersprüchlichkeit des Menschseins: In seinem Werk haben Johannes vom Kreuz ebenso Platz wie Immanuel Kant; die jüdische Kabbala findet Beachtung wie die mystisch-poetische Welt des englischen Philosophen Robert Fludd. Auch Pierre Corneille, Paul Celan und Ingeborg Bachmann gehören zum persönlichen Kosmos des deutschen Künstlers.
Der Holzschnitt als Collage
Die Collagen illustrieren sowohl die inhaltliche als auch die technische unbändige Experimentierlust des deutschen Künstlers. Zahlreich sind die Arbeitsschritte, die oftmals über Jahre hinweg gesetzt werden, um bereits bestehende Werke zu überarbeiten. Wie in seiner Malerei und seinen Installationen lässt er sich bei seinen Holzschnittcollagen von der Intuition leiten und verbindet Drucke verschiedener Jahrzehnte, überarbeitet sie malerisch und schafft Unikate. Jeder Holzschnitt steht für sich und verkörpert sowohl das Expressive als auch das Minimalistische in Kiefers Werk. Vielseitig sind die Mate- rialien, die zum Einsatz kommen. In einer für den Künstler charakteristischen Collagetechnik werden die Arbeiten schichtweise be- und überarbeitet. Mit Schellack versieht Kiefer die Arbeiten mit einem Farbton, der den Eindruck von Altem, Vergilbtem erzeugt, und unterstreicht damit das Historische des Darstellungsinhaltes. Diese Arbeitsprozesse ermöglichen es ihm, seine Werke mit Assoziationen und Deutungen aufzuladen. Nicht das Reproduzieren, sondern das Verbinden von Materialien, Themen, Ideen, Bildfindungen steht dabei im Vordergrund.
Die Holzschnitte stehen trotz ihrer inhaltlichen und formalen Eigenständigkeit in Resonanz zu Gemäldegruppen und Objekten Kiefers. Allerdings transportieren sie aufgrund ihrer speziellen Materialität und dem resultierenden besonderen künstlerischen Umgang eine eigene, von den gewaltigen Materialbildern und Objekten abweichende Qualität. Die Überarbeitungen sowie die Materialien machen jeden Holzschnitt Anselm Kiefers zu einem für sich stehenden Unikat, das jedoch inhaltlich wie formal vielschichtig mit seinen Bildwelten vernetzt bleibt.