Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Alte Herren. Die Bundespräsidentenwahl zeigt wieder einmal: In den Alten liegt unsere Zukunft. Aber nur, wenn sie – und alle anderen – nicht bloß Klientelpolitik betreiben.
Dieser Tage hat der ORF zum Bundespräsidentenwahlkampf wieder einmal jene Orakel befragt, die man heute Politikexperten nennt. Sie nannten als eine „Schlüsselgruppe“für die Wahlkampagnen jene der urbanen, berufstätigen, etwas älteren Frauen in untypischen Familienverhältnissen (Patchwork oder Alleinerzieherinnen) – „die entscheidenden Wechselwählerinnen“. Wohingegen die Unter-30-Jährigen nur eine untergeordnete Rolle spielten, weil sie zu wenige seien. In Österreich gibt es aber maximal 300.000 Frauen in atypischen Familienverhältnissen. Da wundert es einen doch, warum sie eine so viel größere Rolle spielen sollten als die rund 1,2 Millionen Teens und Twens.
Die Analysten sagen jedenfalls, dass die Kampagnen vor allem auf die Pensionisten – weil überwiegend Stammwähler – setzen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass der Präsident in Österreich traditionell eine Sache für die Älteren ist. Mein Geschichtsprofessor hat das damit erklärt, dass immer noch der Typus Franz Joseph maßgeblich sei, der gütige alte Herr in der Hofburg. Das durchschnittliche Antrittsalter unserer Präsidenten seit 1945 liegt bei 67 Jahren, die Mehrheit ist sogar im Amt verstorben. (US-Präsidenten sind elf Jahre, österreichische Bundeskanzler zwölf Jahre jünger.) Da spielt sicher auch mit, dass eine Partei für ein so relativ sinnloses Amt nicht jemanden ins Rennen schickt, der noch eine wichtigere Karriere vor sich haben könnte.
Es ist aber ernst zu nehmen, dass die Pensionisten (ein Drittel der Wahlberechtigten) heute die Hauptzielgruppe von Wahlkampagnen sind. Natürlich hat jeder Pensionist ein Recht auf seine Stimme im Staat − er ist ja auch mehr als andere vom Staat abhängig. Aber wenn es darum geht, an welchen Gruppen sich die Politik orientiert, dann wackelt die Balance zwischen den unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen der Pensionisten und der Jungen. Denn die wachsende, politisch stabile Gruppe der Generation „wohlerworbene Rechte“stellt die schrumpfende und dazu diffus wechsel- und nichtwählerische Gruppe der Generation „Hausstandsgründung“immer mehr in den Schatten.
Die Antwort kann nicht ein Abgehen vom gleichen Wahlrecht für alle sein. Eine Erneuerung der Politik würde schon reichen – hin zu einem Zustand, in dem sich die Regierung mehr von der Sorge um das Gedeihen des Ganzen leiten lässt und weniger von Interessensvertretungen und Meinungsumfragen. Und wo Medien das würdigen und Interessenvertreter das staatsmännisch mittragen. Und wo Pensionistenvereine sich als Kämpfer für die Zukunft ihrer Enkel verstehen. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.