TITEL UND KÖRBE
Basketball-Superstar Kobe Bryant beendet seine Karriere, der Körper des 37-Jährigen spielt nicht mehr mit. Mit den Los Angeles Lakers und dem Dream-Team prägte der Egomane eine Ära. Obsessiv jagte er die Rekorde Michael Jordans.
Seine Abschiedssaison, eine Goodbye-Tour durch die USA, hatte sich Kobe Bryant ganz anders ausgemalt. Nach zwei Jahrzehnten in der NBA, fünf Titeln mit den Los Angeles Lakers in der US-Liga und zwei Olympia-Goldmedaillen sollte im Frühjahr Schluss sein mit der aktiven Karriere des Basketball-Superstars. So hatte er es im Herbst angekündigt – und weil Bryant nicht irgendeine Sportikone ist, tat er dies in Gedichtform, in einer Liebesode an den Basketball.
Lange Zeit galt seine Obsession der Jagd nach den Rekorden Michael „Air“Jordans, der Legende der Chicago Bulls. Getrieben von unbändigem Ehrgeiz wollte er „der beste Spieler sein, der je gespielt hat“, wie sein Teamkollege Derek Fischer sagte. In den BasketballOlymp hat es der 37-Jährige ohnedies längst geschafft, doch nun spielte sein strapazierter Körper nicht länger mit. Es zwickte und zwackte, und in den beiden vorigen Saisonen musste Bryant wegen hartnäckiger Verletzungen wochenlang aussetzen. „Ich weiß kaum, wie ich aufstehen soll“, klagte er neulich in der Kabine. Mal war es die Achillessehne, mal der Mittelhandknochen und zuletzt vor allem die Schulter – das Training, der dichte Spielplan und nicht zuletzt das Alter forderten ihren Tribut von der „schwarzen Mamba“. Arrogante Aura. So pflegte sich der Sohn eines Basketball-Profis, aufgewachsen zum Teil in Italien, mit der Hybris eines Ausnahmesportlers selbst zu apostrophieren – wegen seiner schlangengleichen Eleganz, seiner Schnelligkeit und Präzision. Den Fußballfan, den seine Eltern nach dem japanischen Kobe-Rind nannten, umgab eine arrogante, leicht exotische Aura und ein Ethos von Disziplin. In stundenlangen Sonderschichten auf dem Parkett hat er – ähnlich wie der Deutsche Dirk Nowitzki –, oft allein frühmorgens vor dem Training oder spätnachts nach einem Match, seine Wurftechnik perfektioniert.
Heuer wollte es indessen nicht mehr so recht klappen: Seine Trefferquote sank, seine Einsatzzeiten gingen zurück – und sein Klub stürzte in der Western Conference mit 62 Niederlagen ans Tabellenende. Die Clippers, das Konkurrenzteam in der kalifornischen Metropole, hängten die Lakers ab, und LeBron James oder Stephen Curry haben Kobe Bryant als Galionsfiguren der NBA den Rang abgelaufen. Die Ära des Kobe Bryant war zu Ende gegangen, und Basketball-Experten rätselten seit einigen Jahren nur noch, wie lang er noch durchhalten würde. Kein Spieler der Lakers hat mehr NBA-Matches in den Beinen als Bryant (mehr als 1500), niemand ist öfter im gelb-violetten Dress aufgelaufen und niemand hat mehr Punkte (über 30.000) erzielt.
Drei Spiele muss der 1,98 Meter große Shooting Guard indes noch durchstehen, auswärts gegen Houston und Oklahoma und am Mittwochabend die krönende Abschlussgala gegen Utah Jazz in der Heimarena, im Staples Center, bejubelt von 20.000 Fans, darunter womöglich auch von Hollywood-Prominenz a` la Jack Nicholson und Leonardo DiCaprio. Sie zog es seit den 1980er-Jahren, seit Stars wie Kareem Abdul-Jabbar und Magic Johnson zur „Showtime“riefen, an den Spielfeldrand, direkt hinter die Spielerbank der Lakers. Die teuersten Tickets für die letzte Show Kobe Bryants im Trikot mit der legendären Nummer 24 werden um 20.000 Dollar gehandelt.
Als er 1996 als Newcomer, als Riesentalent und ohne Umweg übers College in die „Stadt der Engel“kam, eilte ihm der Ruf eines „neuen Michael Jordan“voraus. Zugleich erwarb sich Bryant die Reputation eines Schwierigen, des Untrainierbaren und Unbelehrba- ren, wie ihn Meister-Coach Phil Jackson bezeichnete. Bryant gefiel sich als Ego-Shooter, als Egomane, der Spiele mit seinen Tempo-Dribblings im Alleingang entschied, sich damit aber nicht unbedingt Freunde bei seinen Teamkollegen machte. Vor allem die Rivalität mit Shaquille O’Neal erlangte über den Sport hinaus Berühmtheit. Da prallten zwei Egos aufeinander, und doch schafften sie zusammen das Triple – drei NBA-Meistertitel in Folge, was nicht zuletzt dem diplomatischen Geschick Phil Jacksons zu verdanken war. Meisterstück. Als O’Neal und Jackson den Klub verließen, zerfiel das Erfolgsteam. Obwohl Bryant, immer am Ball, in manchen Spielen mitunter mehr als 40 oder 50 Punkte erzielte, brachte er sein Team nicht mehr an die Spitze.
Nach einer Affäre mit einer Kellnerin, die ihn vor Gericht mit Vergewaltigung konfrontierte, schlitterte er auch privat in eine Krise. Durch Schweigegeld und einen Vier-Millionen-DollarBrillantring für seine Frau schaffte er die Angelegenheit aus der Welt. Wie eine launische Diva kokettierte Kobe Bryant lang mit einem Wechsel ausgerechnet zu den Clippers. Am Ende blieb er jedoch den Lakers treu, und als Phil Jackson als Trainer zurückkehrte, kam auch der sportliche Erfolg zurück. Zweimal führte das mittlerweile wieder versöhnte Duo Jackson/Bryant den Glamourverein zum Titel. Es geriet auch zum Meisterstück für Bryant, der seinen Kritikern endlich demonstrieren konnte, dass er nicht auf die kräftige Schützenhilfe Shaquille O’Neals angewiesen war.
Zum Abgang zollen ihm Basketball-Größen aller Generationen ihren Respekt. Das vielleicht größte Lob kam jedoch aus dem Mund des Präsidenten, eines leidenschaftlichen Basketball-, Chicago-Bulls- und Michael-Jordan-Fans. Zur Gefahr der IS-Terrormilizen fand Barack Obama im Magazin „New Yorker“einen gewagten Vergleich: „Nur weil das Ersatzteam einer Highschool-Mannschaft sich LakersTrikots überstreift, macht sie das noch lang nicht zu Kobe Bryants.“
LeBron James und Stephen Curry haben Kobe Bryant längst den Rang abgelaufen.