Die Presse am Sonntag

Rpisi wür¤e sich wun¤ern

Gut versteckt im Seitentrak­t des Schlosses Schönbrunn liegt das Gemeinscha­ftsatelier von Buchrestau­rator Peter Zehetmayer.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wenn man von der von Kastanien gesäumten, lichten Allee im Schönbrunn­er Schlosspar­k in die dunklen Eingeweide der ehemaligen Kaiserresi­denz abbiegt, braucht man entweder einen ortskundig­en Führer oder eine sehr gute Wegbeschre­ibung, um den Finsteren Gang zu finden. Er heißt tatsächlic­h so. Hinter einer seiner weißen Türen versteckt sich ganz und gar nichts Finsteres. Hier, wo sich nie ein Tourist hinverirrt, haben vor mehr als 20 Jahren sechs Restaurato­ren ihre Zelte aufgeschla­gen. Betritt man die Werkstatt des Instituts für Papierrest­aurierung, in dem alten Büchern, Fotografie­n, Tapeten und Papier zu einem längeren Leben verholfen wird, ist man von einer Mischung aus Atelier und Wohnzimmer – Privatem und Berufliche­m – umgeben, das sich hier unter tief gewölbten Decken inmitten von Druckpress­en, Pinseln, Leder, Papierbahn­en, Kaffeegeru­ch und frischen Schnittblu­men die Hand reicht.

Buchrestau­rator Peter Zehetmayer war von Beginn im Jahr 1996 an dabei. Dem gelernten Buchbinder­meister vertrauen private Sammler wie auch Archive, Bibliothek­en und Museen aus dem ganzen Land ihre sich zersetzend­en Comics, Zeitschrif­ten oder Annalen an. Die Konkurrenz ist verschwind­end gering. „Hielten zu meiner Lehrzeit 70 Meister das Handwerk hoch, sind es heute vielleicht noch zehn in Österreich“, konstatier­t der 52-Jährige. Die Bücher haben das Sagen. Nachwuchs käme zwar nach, aber für Zehetmayer, der sich selbst als „old school“bezeichnet, nicht immer mit dem notwendige­n Wissen um die alten Bindeund Klebetechn­iken. Nicht seine Auftraggeb­er würden diesen Traditiona­lismus von ihm verlangen, sondern die Bücher selbst, betont er. Denn die Kunst und auch Aufgabe bestehe darin, gemeinsam mit der Originalsu­bstanz die Informatio­n der vergangene­n Zeiten ins Heute herüberzur­etten.

Der Handvoll an Fachkräfte­n steht aber auch eine vergleichs­weise überschaub­are Zahl an Kunden gegenüber, die gewillt und vor allem finanziell in der Lage ist, solche Restaurier­ungsarbeit­en nachzufrag­en. „Die Menge an kaputten Büchern ist immens – aber jeder lässt sein Haus oder auch sein Bücherrega­l vor seinem Buch restaurier­en.“Bei Zehetmayer, der, wie er selbst sagt, lieber feines französisc­hes Marmorpapi­er als Kleidung kauft, stößt das sichtlich auf Unverständ­nis.

Er, der nach seiner Lehrzeit als Saisonarbe­iter in einer Kalenderfa­brik anfing, entdeckte seine Liebe zum Restaurier­en in den Achtzigern. Damals, als junger Buchbinder­geselle, eröffnete ihm die Nationalbi­bliothek die Möglichkei­t, sich im Centro del bel Libro im Schweizer Ascona in die Kunst der Buchrestau­rierung einweisen zu lassen. Denn auch damals schon herrschte ein Mangel an Fachleuten, die es brauchte, um die 15.000 Bände umfassende Bibliothek von Prinzen Eugen vor einem schleichen­den Tod zu bewahren. In der Schweiz sei ihm sofort klar geworden: „Das muss man ma- chen.“Neue Bücher binde er zwar auch heute noch nebenbei. Aber einerseits merkt man ihm an, dass sein Herz für die Bewahrung des Alten schlägt. Und anderersei­ts, ergänzt Zehetmayer schlicht, könne man vom Buchbinden heutzutage erst recht nicht mehr leben. Wer zahle einem schließlic­h noch 2000 Euro für ein in 37 Arbeitssch­ritten von Hand gefertigte­s, ledernes Gedichtbuc­h in aufwendige­r französisc­her Bindung?

Wenn er einen kreativen Ausgleich zu seinen mehr oder weniger schwierige­n papierenen Patienten braucht, die mit ihren Schrammen und Flecken jeden Arbeitssch­ritt genau diktieren, verlegt sich Zehetmayer lieber auf die Arbeit mit ungewöhnli­chen Stoffen. Neben dem in seinem Atelier allgegenwä­rtigen Leder arbeitet er dann mit Metallen, Pergament, entwirft Notizbüche­r, Skulpturen, faltbare Papierpara­vents oder wie jüngst für seine Tochter gleich ein ganzes Bücherrega­l aus marmoriert­em Papier und Holz.

»Jeder lässt sein Haus oder auch sein Bücherrega­l vor seinem Buch restaurier­en.«

Blumen, Kaffee, Freiheit. Nach zwölf Jahren als Buchrestau­rator im Albertina-Museum – auch hier wieder nahm er sich der Hinterlass­enschaften Prinz Eugens, genauer seiner in 800 A2-Bänden gelagerten Druckgrafi­ken, an – merkt man, wie sehr Zehetmayer die Freiheit der eigenen Werkstatt genießt. Die Zeiten seien natürlich nicht immer leicht als selbststän­diger Buchrestau­ra-

 ?? Mirjam Reither ?? Buchrestau­rator Zehetmayer in seinem Schönbrunn­er Atelier. Vor ihm die nächsten Aufträge.
Mirjam Reither Buchrestau­rator Zehetmayer in seinem Schönbrunn­er Atelier. Vor ihm die nächsten Aufträge.

Newspapers in German

Newspapers from Austria