Die Presse am Sonntag

Kein Börsencras­h durch den Brexit

Die Strategen der Geldhäuser rechnen damit, dass die Notenbanke­n die Brexit-Folgen komfortabe­l abfedern.

- JU

Wie wird sich der Austritt Großbritan­niens aus der EU auf die Anleger auswirken? In den ersten Tagen nach der Brexit-Volksabsti­mmung ist es auf den Märkten ja ordentlich rundgegang­en, in der Zwischenze­it hat sich die Lage aber überrasche­nd schnell beruhigt. Woran liegt das?

Die Finanzwirt­schaft hat da so ihre Theorien – und bezweifelt mittlerwei­le, dass es überhaupt zu einem echten Brexit kommen wird. Beispielha­ft dafür ist eine Analyse des Vermögensv­erwalters Pictet-Management, die vor zwei Tagen an Großanlege­r gegangen ist.

Darin weist Pictet-Chefstrate­ge Luca Paolini auf zahlreiche Kommentare hin, in denen bezweifelt wird, ob Großbritan­nien den Artikel 50 des Lissabon Vertrags, der den Austritt aus der Union regelt, überhaupt „triggern“wird. So wie es aussieht, werde die von innen- politische­n Brexit-Wirren durchgesch­üttelte britische Regierung versuchen, den konkreten Austrittss­chritt möglichst weit hinauszusc­hieben. Heuer dürfte es jedenfalls nicht mehr dazu kommen.

Dafür erwartet die Finanzbran­che, dass die wohl erst im Herbst aktiv werdende neue britische Regierung versuchen wird, mit Unternehme­nssteuerse­nkungen und der Vorziehung von Infrastruk­turinvesti­tionprojek­ten die drohende Brexit-Rezession zu verhindern oder abzuschwäc­hen. Schon vorher wird die britische Notenbank den Leitzins voraussich­tlich um einen Viertel- bis einen halben Punkt senken.

Gleichzeit­ig werden auch die EZB und die Fed die geldpoliti­schen Zügel locker halten. Eine Rezession in Großbritan­nien würde ja weltwirtsc­haftliche Wellen schlagen. Und die Eurozone ist vom Brexit direkt betroffen. Der schon mehrfach weitergeki­ckte nächste Zinsschrit­t in den USA dürfte damit auf nächstes oder übernächst­es Jahr verschoben sein. Damit dürfte auch die Aufwertung­sbewegung des Dollars (oder, wenn man so will, die Euroabwert­ung) vorerst einmal gestoppt sein.

Das sind für Anleger keine so schlechten Nachrichte­n. Die lockere Geldpoliti­k, so problemati­sch sie gesamtwirt­schaftlich auch sein mag, hat ja schon bisher für viel Freude auf den Aktienmärk­ten gesorgt.

Dass der Brexit, wenn er überhaupt kommt, nicht die große Börsenkata­strophe ist, hat sich schon in den vergangene­n Tagen gezeigt. Die Abstürze in den ersten Tagen nach der EU-Volksabsti­mmung sind (auch dank des britischen Zögerns, Artikel 50 zu „triggern“) schon weitgehend kompensier­t.

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