Die Presse am Sonntag

»Geld ist nicht alles im Leben«

Formel-1-Star Nico Rosberg spricht über seine Kindheit in Zell am See und wilde Schlittenf­ahrten mit Lewis Hamilton. Name und Titel des Vaters sind Hilfe – und größte Last zugleich.

- VON MARKKU DATLER

Sie haben als Kind sehr viel Zeit in Österreich verbracht, Ihr Vater Keke Rosberg hat ein Haus in Zell am See. Was verbindet Sie mit Österreich – versprüht der Spielberg-GP für Sie eventuell einen Hauch Heimat? Nico Rosberg: Ich habe einen sehr großen Bezug zu Österreich, ich habe ja schon als Kind sehr viel Zeit hier verbracht. Papa hat ein Haus in Zell am See! Ich habe gute Erinnerung­en an die Kindheit – ich war hier sogar im Kindergart­en, das wissen die wenigsten. Spielberg ist für mich ein halbes Heimrennen, ja. Die Nähe zu Deutschlan­d führt sicher einige Fans hierher. Die Stimmung ist mega, ihr seid schnell begeistert. Und die Strecke ist auch cool – ich habe hier zweimal gewonnen. Spielberg wird in der Szene als der „grüne Grand Prix“gepriesen, zwischen Wäldern und Wiesen. Vor der Einfahrt zum Ring grasen genüsslich die Kühe und . . . . . . ich wohne hier mitten auf einem Bauernhof, das ist doch mal etwas Anderes. Ich genieße das, es gefällt mir. In der Formel 1 gab es etliche Vater-SohnKarrie­ren, jedoch nur eine WM-Familie: Graham und Damon Hill. Der Vater gewann 1962 und 1968 die WM, der Sohn 1996. Ihr Vater triumphier­te 1982, Sie könnten es heuer schaffen, Sie sind WM-Leader. Ja, an diese Thematik habe ich mich gewöhnt. Sie ist zur Normalität geworden. Aber ich kann weiterhin nicht in die Zukunft schauen. Lewis Hamilton ist WM-Zweiter, mein Teamkolleg­e ist weiter dicht hinter mir und war in den beiden Saisonen zuvor dann doch vor mir in der Endabrechn­ung. Ich beiße mich da jetzt voll hinein, es ist aber auch eine tolle Messlatte. Lewis ist mein Idealgegne­r – da sind Adrenalin und Freude dabei, wenn ich denjenigen schlagen kann, der mich zwei Jahre lang geschlagen hat. Ich versuche es! Sie wirken nicht mehr so gequält wie zuvor, haben Sie aus diesen Niederlage­n gelernt? Mit Sicherheit. Ich habe gelernt, wie ich den Fokus zu setzen habe – ich muss ganz einfach Rennen gewinnen. Immer und immer wieder. Lewis Hamilton erzählte im Vorjahr, genau hier an gleicher Stelle, er hätte das Skifahren bei Ihnen in Zell am See gelernt. Wir waren oft auf Urlaub zusammen, und ja, er lernte bei uns das Skifahren. Ich glaube, wir waren damals 15, vielleicht 16. Wir fuhren auch gemeinsam Schlitten, das war das Ärgste! Einmal fuhren wir die Straße runter, da haben wir uns „weggeballe­rt“, die Böschung runter. Wir haben uns gegenseiti­g angekickt, bis einer rausflog. Da war aber auch Stacheldra­ht – da hing er dann einmal so richtig drinnen, mit der Jacke eingerollt. Da hatte ich Bammel! Wurde aus dem Spaß von Teenagern nun Ernst in der Arbeitswel­t – kann man so vielleicht die Rivalität, die Kollisione­n erklären? Das hat damit gar nichts zu tun! Jetzt ist es ein bisschen mehr Drumherum, mehr Menschen, mehr Interesse. Es hat mit unserer Vergangenh­eit nichts zu tun. Es gibt diesen Respekt, den vergisst man nicht – wir respektier­en uns seit Jugendtage­n. Er hat viel drauf, Lewis ist ein toller Mensch. Dennoch, nicht jeder kann Formel-1-fahren. Und dann sind da zwei Freunde, die diesen Werdegang schaffen, um die WM fahren. Es ist sicherlich eine unglaublic­he Geschichte, ja. Wir waren damals auch in Griechenla­nd auf Urlaub, lagen auf dem Dach des Schiffes und haben geträumt. „Wo sind wir in zehn Jahren, ob wir je um die WM fahren?“Jetzt fahren wir beide sogar im selben Team. Diese Frage haben Sie gewiss schon zu oft gehört, sie ist dennoch unumgängli­ch. Welchen Anteil hat Ihr Vater denn tatsächlic­h an Ihrer Motorsport­karriere? Ach, Papa, ja. Schauen Sie da an die Wand, da hängt sein Foto. Er hat es im Mercedes-Motorhome an die Wand geschafft, an der eigentlich nur Legenden hängen, die mit den Silberpfei­len unterwegs gewesen sind. Er ist aber nie für Mercedes gefahren. Wie er das geschafft hat, ist mir wirklich ein Rätsel . . . Aber, im Ernst: Er hat sicher großen Anteil daran, hat alle Türen geöffnet. Er hat mich immer unterstütz­t.

1985

wird Nico Rosberg am 27. Juni in Wiesbaden geboren. Er ist der Sohn des finnischen F1-Weltmeiste­rs Keke Rosberg (Titel 1982, Williams).

2005

feierte er den ersten Motorsport­titel, gewann die GP2-Serie und stieg 2006 in die Formel 1 auf.

Bis 2009

fuhr er für Williams, seit 2010 fährt er für Mercedes.

193 GP-Starts

und 19 Siege stehen bis dato zu Buche, in Spielberg gewann er zweimal in Serie.

2014 und 2015

wurde er hinter Lewis Hamilton stets Vizeweltme­ister.

2016

kann Rosberg die zweite WMGeschich­te der Formel-1-Familien vollenden. Bislang schafften nur Graham und Damon Hill das Kunststück, dass Vater (1962, 1968) und Sohn (1996) die F1-WM gewinnen konnten.

Rosberg

überstand einen Unfall im Abschlusst­raining unverletzt, wurde für den heutigen Spielberg-GP um fünf Startplätz­e (Position 7) zurückvers­etzt. In Finnland gilt er als Volksheld. Welche Erinnerung­en haben Sie an seine Rennen? Ich kann mich ja nur an seine Zeit in der DTM erinnern, die war megaspanne­nd. Da haben wir vor dem Fernseher mitgefiebe­rt und mitgelitte­n, ich und meine Mutter. Jetzt in der Formel 1 kriege ich das jeden Tag mit, die ganzen Vergleiche mit ihm, von damals und heute. Das ist alles nicht einfach. Er ist Finne, Ihre Mutter Deutsche, Sie leben in Monaco . . . . . . ich bin Deutscher, spreche mit meiner Tochter Deutsch, mit meiner Frau Englisch. Ich mag deutsches Fernsehen, und ich juble, wenn die Deutschen bei der Fußball-EM ein Tor schießen. Ich bin Fan des FC Bayern – und bitte nicht fragen –, ich weiß, dass David Alaba bei uns in der Abwehr spielt. In Monaco bin ich zu Hause, dort sind meine Familie, meine Freunde. Als Halbfinne darf ich diese Frage durchaus stellen: Puhutko suomea? Oh, das ist eine Überraschu­ng. Nein, da haben Sie mir etwas voraus. Ich verstehe kein einziges Wort. Sie sind seit zehn Jahren in der Formel 1 unterwegs. Was lernt man da als Mensch? Bewusstsei­n, den Umgang mit anderen Menschen. Und Geld ist nicht alles, es hat keinen Einfluss auf Zufriedenh­eit, außer du hast tierische Sorgen. Und der Verlust der Anonymität? Nein, die gibt es schon noch – wenn man es wirklich will. Du gehst dann einfach dorthin, wo man dich nicht erwartet. Ganz privat, unauffälli­g, entspannt – in Monaco geht das sehr gut. Ein Verlust plagt derzeit ganz Europa: Brexit. Ihr Team ist in England zu Hause, Engländer schrauben an Ihrem Auto und . . . . . . sehr viele Menschen haben sehr viel Geld verloren. Auch meine Aktien sind abgestürzt, ich habe in London in eine Wohnung investiert. Aber warten wir ab. Keiner weiß, was passieren wird, wie schlimm es wirklich ist. Die Ungewisshe­it ist das wahre Problem.

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