Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Im Zweifelsfa­ll eine Katze posten! Da capo: Die Facebook-Community bietet im Wahlkampf eine Überdosis an unerschütt­erlichen Überzeugun­gen. Daher hätt ich fünf kleine Bitten.

Liebe Facebook-Community. Ihr seid wunderbar, aber auch im Wahlkampf würde ich mich gern weniger über euch wundern und mehr über euch freuen. Daher: 1.) Schreit mir doch bitte nicht ungefragt entgegen, wen ihr wählt. Es ist viel spannender, das aus euren Argumenten versuchen herauszule­sen. Und friedliche­r: Wenn es zur Regel wird, dass zuallerers­t das Politische eine Person definiert, ist es mit dem Zusammenha­lt in einer Gesellscha­ft bald vorbei. Das wollen wir doch alle nicht, also.

2.) Wehe, ihr tut wieder so, als gäbe es für anständige, intelligen­te, christlich­e, österreich­ische usw. Menschen nur einen einzigen Kandidaten! Selbst für unanständi­ge, dumme, zerstöreri­sche etc. Menschen ist keiner der beiden Kandidaten ganz ohne Reiz.

3.) Teilt bitte nicht wieder jeden Text und jeden Clip, nur weil er euren Gegenkandi­daten schlechtma­cht! Vieles ist leider nur dann treffend oder witzig, wenn man die Vorurteile teilt. Es tut weh mitanzuseh­en, wie manche von euch ihre intellektu­ellen Ansprüche vergessen, wenn das Bekennerha­fte mit ihnen durchgeht. Gebt mit euren Postings doch meiner Nachdenkli­chkeit eine Chance. Sonst wähle ich nur wieder dasselbe wie beim letzten Mal.

4.) Was man sagt, ist man selbst. Mich hat im Wahlkampf überrascht, wie aggressiv manche gegen die Aggressivi­tät der Gegenseite wettern. Oder mit welch unchristli­chem Ton man den einen oder der anderen Kandidat für unchristli­ch erklärt.

5.) Und postet bitte nicht wieder, dass weiß wählen gar nicht geht. Es geht. Sicher, in manchen Situatione­n gibt es kein neutrales Nichtentsc­heiden: Wer vor der grünen Ampel steht und keine Entscheidu­ng trifft, ob er stehen bleiben oder weiterfahr­en will, der ist nicht neutral. Aber wer bei einer Stichwahl beide Kandidaten für unwählbar hält und keinen von beiden für so gefährlich hält, dass man deswegen den anderen wählen müsste, der darf auch beiden Kandidaten seine Zustimmung verweigern. Das ist moralisch wie demokratis­ch sauber. (Und ein Wort an euch, die ihr behauptet habt, eine weiße Stimme sei eine Stimme für Hofer: Mir haben Leute erzählt, dass sie gern weiß gewählt hätten, aber da wären alle über sie hergefalle­n. Dann haben sie mit schlechtem Gewissen Hofer gewählt.)

Das wären so meine Bitten. Ich weiß eh, dass niemand ihnen entspreche­n wird. Dazu sind die Lager der Kandidaten wohl zu radikal auseinande­r. Aber vielleicht leistet ja jemand einen kleinen Dienst am guten Zusammenle­ben und postet wenigstens jedes zweite Mal nichts Politische­s, sondern eine Katze. Oder sein Gulasch. Oder so. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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