Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Im Zweifelsfall eine Katze posten! Da capo: Die Facebook-Community bietet im Wahlkampf eine Überdosis an unerschütterlichen Überzeugungen. Daher hätt ich fünf kleine Bitten.
Liebe Facebook-Community. Ihr seid wunderbar, aber auch im Wahlkampf würde ich mich gern weniger über euch wundern und mehr über euch freuen. Daher: 1.) Schreit mir doch bitte nicht ungefragt entgegen, wen ihr wählt. Es ist viel spannender, das aus euren Argumenten versuchen herauszulesen. Und friedlicher: Wenn es zur Regel wird, dass zuallererst das Politische eine Person definiert, ist es mit dem Zusammenhalt in einer Gesellschaft bald vorbei. Das wollen wir doch alle nicht, also.
2.) Wehe, ihr tut wieder so, als gäbe es für anständige, intelligente, christliche, österreichische usw. Menschen nur einen einzigen Kandidaten! Selbst für unanständige, dumme, zerstörerische etc. Menschen ist keiner der beiden Kandidaten ganz ohne Reiz.
3.) Teilt bitte nicht wieder jeden Text und jeden Clip, nur weil er euren Gegenkandidaten schlechtmacht! Vieles ist leider nur dann treffend oder witzig, wenn man die Vorurteile teilt. Es tut weh mitanzusehen, wie manche von euch ihre intellektuellen Ansprüche vergessen, wenn das Bekennerhafte mit ihnen durchgeht. Gebt mit euren Postings doch meiner Nachdenklichkeit eine Chance. Sonst wähle ich nur wieder dasselbe wie beim letzten Mal.
4.) Was man sagt, ist man selbst. Mich hat im Wahlkampf überrascht, wie aggressiv manche gegen die Aggressivität der Gegenseite wettern. Oder mit welch unchristlichem Ton man den einen oder der anderen Kandidat für unchristlich erklärt.
5.) Und postet bitte nicht wieder, dass weiß wählen gar nicht geht. Es geht. Sicher, in manchen Situationen gibt es kein neutrales Nichtentscheiden: Wer vor der grünen Ampel steht und keine Entscheidung trifft, ob er stehen bleiben oder weiterfahren will, der ist nicht neutral. Aber wer bei einer Stichwahl beide Kandidaten für unwählbar hält und keinen von beiden für so gefährlich hält, dass man deswegen den anderen wählen müsste, der darf auch beiden Kandidaten seine Zustimmung verweigern. Das ist moralisch wie demokratisch sauber. (Und ein Wort an euch, die ihr behauptet habt, eine weiße Stimme sei eine Stimme für Hofer: Mir haben Leute erzählt, dass sie gern weiß gewählt hätten, aber da wären alle über sie hergefallen. Dann haben sie mit schlechtem Gewissen Hofer gewählt.)
Das wären so meine Bitten. Ich weiß eh, dass niemand ihnen entsprechen wird. Dazu sind die Lager der Kandidaten wohl zu radikal auseinander. Aber vielleicht leistet ja jemand einen kleinen Dienst am guten Zusammenleben und postet wenigstens jedes zweite Mal nichts Politisches, sondern eine Katze. Oder sein Gulasch. Oder so. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.