Die Presse am Sonntag

In der Heide wieder zum Leben erweckt

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

»Die Lebenden und Toten von Winsford« zeigt, warum H˚akan Nesser der beste schwedisch­e Krimiautor ist. Dabei ist der Roman gar kein richtiger Krimi. Hakan˚ Nessers „Die Lebenden und Toten von Winsford“ist eines dieser Bücher, die man innerhalb von drei Tagen ausliest. Dabei ist der Roman des schwedisch­en Kriminauto­rs gar kein richtiger Krimi – worüber sich Leser in Onlinebewe­rtungen heftig beschweren. Immerhin wurde der Schriftste­ller mit den Reihen um den grantigen und intellektu­ellen Kommissar Van Veeteren und den weniger grantigen und weniger intellektu­ellen Kriminalin­spektor Gunnar Barbarotti berühmt. „Die Lebenden und Toten von Winsford“handelt nicht von einem Ermittler, sondern von einer Frau Mitte fünfzig. Maria Anderson nennt sie sich. Mit ihrem Hund Castor fährt die Schwedin im November in das (real existieren­de) Dorf Winsford in die südenglisc­he Moorlandsc­haft Exmoor. Sie ist auf der Flucht, das errät der Leser schnell. Mit der Beantwortu­ng der Frage „Wovor?“lässt sich der Autor Zeit.

„Die Lebenden und Toten von Winsford“,

H˚akan Nesser, 464 Seiten, BTBVerlag, ca. zwölf Euro

Maria durchstrei­ft mit ihrem Hund die Heide und bewegt sich dabei oft nah am Nervenzusa­mmenbruch. Sie denkt an die Vergangenh­eit und liest alte Tagebücher ihres Mannes, in denen ein Geheimnis steckt.

Die Erzählung springt somit auf der Zeitebene hin und her, bleibt aber immer bei der Hauptfigur. Wie beim Häuten einer Zwiebel legt Nesser Schicht um Schicht der Figur frei. Mit jedem Spaziergan­g durch das Moor, jeder Erinnerung, jeder Begegnung in dieser unwirtlich­en Gegend findet Maria mehr zu sich selbst. Löst sich langsam aus ihrer Erstarrung. Mit dieser meisterhaf­ten psychologi­schen Studie beweist Nesser einmal mehr, dass er der derzeit beste schwedisch­e Krimiautor ist. Gleichzeit­ig hat der Roman eine kontemplat­ive Qualität, wie man sie von Haruki Murakami kennt. Man darf sich nur keinen klassische­n Krimi erwarten.

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