»Mache einen Bogen um Gewalt«
Regisseur Roland Emmerich spricht im Interview über seinen neuen Film, »Independence Day: Wiederkehr«, über seine Ängste und sein Verhältnis zu Gewalt. Außerdem verrät er, womit er bei seinem Vater »das längste Schweigen aller Zeiten« ausgelöst hat.
Sie sind wieder da: Nachdem die Erde im Jahr 1996 beinahe ausgelöscht wurde, fast die Hälfte der Bevölkerung ihr Leben lassen musste und die Menschheit nur knapp gegen außerirdische Invasoren die Oberhand behalten hat, ist es wieder so weit. Roland Emmerich beschwört in „Independence Day: Wiederkehr“(ab 14. Juli im Kino) erneut eine Bedrohung aus dem All.
Viel hat sich verändert, seit die Welt 1996 kurz vor dem Abgrund gestanden ist: Die Abwendung des Untergangs hat zum allgemeinen Frieden rund um den Globus geführt. Zudem kann man mittlerweile dank der AlienTechnologie auf allerlei neues Spielzeug zurückgreifen, was sich nicht zuletzt in deutlich durchschlagskräftigeren Abwehrmechanismen – inklusive einer Mondstation – ausdrückt, sondern auch im Aussehen von Washington, D. C. Denn eines ist klar: Auch wenn man mittlerweile an einem Strang zieht, das Heft in der Hand haben sichtlich die USA.
Der überbordende Patriotismus des ersten Teils ist mittlerweile aber einer ganz allgemein-pathetischen Note gewichen, die quasi im Minutentakt der emotionalen Klaviatur entlockt wird. Menschen neigen offenbar im Angesicht der Gefahr dazu, ihre tiefsten Gefühle zu offenbaren. Denn nachdem man zu Beginn herausfindet, was mit altbekannten Charakteren passiert ist (so ist etwa Hauptdarsteller Will Smith nicht mehr mit von der Partie) und an neue Gesichter gewöhnt wird, dauert es nicht lang, bis sich wieder ein Schatten über die Erde legt. Der ehemalige Präsident Thomas Whitmore (Bill Pullman) wird nicht umsonst von Albträumen geplagt. Und wie es sich gehört, kann auch die neu gefundene Abwehrstärke zunächst wenig gegen die altbekannten Feinde ausrichten. „Das ist definitiv viel größer als das letzte Mal“, ist die passende Schlussfolgerung von Wissenschaftler David Levinson (Jeff Goldblum), als er sich dem gigantischen Raumschiff gegenübersieht. Regisseur Roland Emmerich im Interview. Ihr großer Erfolg von „Independence Day“ist jetzt 20 Jahre her. Warum kehren Sie jetzt wieder zu dieser Geschichte zurück? Roland Emmerich: Wir haben seit Langem versucht, eine Fortsetzung zu entwickeln, was eben nicht ganz einfach war. Ich persönlich mag Science-Fiction, und dann habe ich gesehen, dass dieses Genre jetzt wieder angesagt ist. Nur dann hast du auch eine Chance, dass solche Filme gemacht werden. Jedes Mal, wenn du eine große Produktion drehst, geht es um 300 bis 350 Millionen Dollar, und selbst wenn sie ein Erfolg wird, sind die Erlöse nicht mehr so hoch. Den ersten „Independence Day“haben wir für 72 Millionen Dollar gedreht, und er spielte 800 Millionen Dollar ein, was heute in etwa 1,6 Milliarden Dollar entspricht. So zeigen Sie also wieder einmal, wie sich die Menschen einen mörderischen Kampf gegen Aliens liefern. Wie viel Gewalt erleben Sie eigentlich real? So gut wie keine. Ich lebe in einer friedlichen Wohngegend. Auch sehe ich praktisch nicht fern, weil ich mir meine Nachrichten aus dem Internet hole. Und da kannst du um Gewalt einen großen Bogen machen. Wenn ich ins Kino gehe, sehe ich mir in der Regel keine gewalttätigen Filme an. Ich bin außerdem gegen brutale Videospiele, in denen es nur darum geht, möglichst viele Gegner abzuknallen. Sie haben also auch keine solchen Neigungen, die Sie unterdrücken? Im Gegenteil. Ich habe meine moralischen Überzeugungen. Ich könnte nie
1955
wurde Roland Emmerich in Stuttgart geboren.
1994
gelang ihm nach Achtungserfolgen in Deutschland der internationale Durchbruch mit „Stargate“. Es folgten Erfolgsfilme wie „Independence Day“, „The Day after Tomorrow“, „2012“und „White House Down“. Emmerich lebt in Los Angeles. Er engagiert sich sehr für Menschenrechte. Unter anderem saß er in der Jury, die bei der Auswahl eines universellen Logos für Menschenrechte half.
Florian Asamers Kolumne »Walk of Häme«
erscheint wieder am 24. 7. 2016.