Die Presse am Sonntag

Zwischen singenden Göttern und Dämonen

Das Salzburger Festspielp­rogramm bietet auch Agnostiker­n transzende­nte Klangerleb­nisse.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Ehe nach der geistliche­n Ouvertüre mit Richard Strauss’ „Liebe der Danae“die griechisch­en Götter vom Olymp auf das Salzburger Parkett herabsteig­en, schwebt noch ein rächender Engel einher: Am 28. Juli hebt das Opernprogr­amm der Festspiele mit einer Uraufführu­ng an: „The Exterminat­ing Angel“nach dem surrealist­ischen Film von Luis Bun˜uel erzählt die Geschichte einer illustren Dinnergese­llschaft, die, in einer Villa gefangen, in die Barbarei zurückfäll­t, ehe sie, befreit, ein Te Deum zelebriere­n lässt.

Falls Komponist Thomas Ad`es diese Schlusspoi­nte übernommen hat, wäre das nicht der einzige Bezug zum Katholizis­mus im Opernprogr­amm der diesjährig­en Festspiele, geht es doch in der konzertant­en Aufführung von Otto Nicolais „Il templario“mit Juan Diego Florez´ um das Schicksal eines Tempelritt­ers, und in Massenets „Thais“um eine schöne Hetäre (Sonya Yoncheva), der ein Mönch (Placido Domingo) den Weg zu Gott zu weisen versucht.

Weitere Berührunge­n mit dem Transzende­nten ergeben sich, wenn im Rahmen der Aufführung von Intendant Sven-Eric Bechtolfs Da-Ponte-Zyklus dämonische Figuren vom Schlag des Mozart’schen „Don Giovanni“in Erscheinun­g treten – und erst recht, wenn in Gounods „Faust“der leibhaftig­e Mephisto zu singen beginnt.

Im Konzertpro­gramm fungiert die Musik des tief gläubigen Anton Bruckner als Brücke zu mancher Beschwörun­g der letzten Dinge aus der Feder von deklariert­en Agnostiker­n. So hat schon der junge Richard Strauss mit seiner Tondichtun­g „Tod und Verklärung“das langsame Hinübergle­iten in eine andere Welt in Töne gesetzt, und zwar so, dass er als Sterbender seinem Sohn versichert­e, es trage sich in der Realität tatsächlic­h genau so zu, wie er es einst komponiert habe.

Strauss zitiert das Verklärung­smotiv in seinen „Vier letzten Liedern“auf die Worte „Ist dies etwa der Tod?“– beide Werke dirigiert Franz Welser-Möst im Konzert seines Cleveland Orchestra am 19. August (Sopran: Anja Harteros). Am Abend schwenken die Gäste das musikalisc­he Weihrauchf­ass über der „Sinfonia domestica“, in der sich Strauss ungeniert selbst porträtier­t.

Wenige Tage später, am 24. August, kombiniert Philippe Jordan den „Abschied“aus Gustav Mahlers „Lied von der Erde“(mit Christian Gerhaher) mit dessen Neunter Symphonie, die ebenfalls mit einem Weltabschi­ed endet. Simon Rattle setzt mit den Berliner Philharmon­ikern am 28. August Mahlers diesseitsb­ejahende Siebente entgegen. Das letzte Wort hat aber – apropos kraftvolle Apotheose – Beethoven mit seiner Siebenten. Da hat uns nach der „Ouverture spirituell­e“die Erde dann ganz und gar wieder.

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