Die Putschnacht am
Zwölf Stunden, die die Türken vor allem in Istanbul und Ankara aufwühlten. Vom Urlaubsdomizil an der türkischen Riviera rief Präsident Erdo˘gan zum Widerstand gegen die Revolte auf. Anhänger und Muezzins folgten seinem Appell.
Gegen halb vier Uhr morgens scheint der Spuk zumindest in Istanbul fürs Erste vorbei, als doch noch einmal Chaos ausbricht. Am Taksim-Platz haben sich gerade die letzten Soldaten, die hier noch die Stellung hielten, in den Gewahrsam der bereitstehenden Polizisten begeben. Während sie von den schwer bewaffneten Beamten in gepanzerte Einsatzwagen geschoben werden, drängeln sich Demonstranten um sie, johlen, filmen sie mit ihren Smartphones, schimpfen und schubsen.
Die Polizisten brüllen in die Menge, ermahnen alle, den Ort des Geschehens zu verlassen, jemand feuert Warnschüsse in die Luft, als plötzlich Kampfjets im Tiefflug über den Platz jagen und ohrenbetäubender Explosionslärm ertönt. Menschen schreien, rennen panisch in unterschiedliche Richtungen, einige stolpern oder werfen sich auf den Boden und werden von Wildfremden hochgerissen und weiter mitgezogen. Gewohnheiten sind da, um sie zu brechen. Es gibt zwei gute Gründe, warum unser Layout heute anders aussieht: die Türkei und Nizza. Ergin. Wie das türkische Militär tickt, weiß Gareth Jenkins. Boris K´alnoky hat den Experten interviewt. Den Konflikt zwischen Erdogan˘ und Fethullah Gülen analysiert Susanne Güsten. Und Wieland Schneider, der auf den Globus-Seiten auch eine Reportage aus dem Nordirak liefert, hat mit Außenminister Kurz gesprochen. Über den Terror in Frankreich schreibt Annika Joeres: Sie berichtet direkt aus Nizza. FrankreichKorrespondent Rudolf Balmer liefert ein Täterprofil des Lkw-Lenkers. Im Einsatz waren und sind wegen der beiden Großereignisse (manche fast durchgehend seit Freitagabend) aber viele an- dere mehr – für Print sowie Online und vor allem für den Liveticker. Insbesondere: Abend-Chef und Leiter der 24h-Seite Stefan Schöffl, Online-Chef vom Dienst Helmar Dumbs, Online-Chef Manuel Reinartz, Philipp Splechtna, Thomas Vieregge, Köksal Baltaci, Duygu Özkan, Wolfgang Greber, Hellin Sapinski, Marlies Kastenhofer, Anna Thalhammer und Elisabeth Postl. Wir hoffen, Sie fühlen sich als Leser/ User von uns gut begleitet. Gerade an Tagen wie diesen.
Ungefähr zur selben Zeit ist Recep Tayyip Erdogan˘ am Atatürk-Flughafen in Istanbul gelandet. Umringt von enthusiasmierten Anhängern zeigt sich der Präsident siegesgewiss und mit stolzgeschwellter Brust. Er weiß, er hat den Staatsstreich überstanden – nicht zuletzt durch sein eigenes Zutun und seine Courage. Und jetzt schwört er Vergeltung gegen die „Verräter“, gegen die „dunklen Kräfte“und den vermeintlichen Drahtzieher Fethullah Gülen, seinen Intimfeind und einstmals engen Verbündeten in dessen US-Exil in Saylorsburg, Pennsylvania. Trotzige Appelle. Der Militärcoup hatte ihn in Marmaris überrumpelt, seinem Urlaubsdomizil nahe Bodrum an der türkischen Riviera, rund zwei Flugstunden entfernt von der Bosporus-Metropole und der Hauptstadt Ankara, wo am Freitagabend Panzer aus den Kasernen gerollt waren und die Putschisten strategisch wichtige Plätze und Orte wie die Bosporus-Brücken, den Atatürk-Flughafen, den Taksim-Platz und den staatlichen TV-Sender TRT besetzt hatten. In einem Statement proklamierten die Putschgeneräle die Kontrolle über das ganze Land, was Erdogans˘ Statthalter in Ankara indes energisch abstritt. Premier Binali Yildirim, erst seit zwei Monaten im Amt, erwies sich als absolut loyaler Gefolgsmann des „Sultans“und gab die gesamte Nacht über Durchhalteparolen aus.
Erdogan˘ selbst richtete von Marmaris aus trotzige Appelle an seine Fans. Via Facetime schaltete er sich in die Berichterstattung des TV-Senders CNN Türk ein und kündigte seine baldige Rückkehr ins Zentrum der Macht an, via sozialer Medien wie Twitter mobilisierte er seine Parteigänger und Fußsoldaten und forderte sie auf, die Ausgangssperre der Militärs zu ignorieren, auf die Straßen zu strömen und den Soldaten die Stirn zu bieten. Es war dies eine ironische Pointe, versucht der Präsident doch im Allgemeinen just die sozialen Netzwerke unter seine Kuratel zu stellen. Nun nutzte er das Instrument zu seinem eigenen Zweck – und dies mit durchschlagendem Erfolg.
Während Kampfjets aufstiegen und loyale Truppen und Polizeieinheiten ausrückten, während die Luftwaffe sogar das Parlament, den vom österrei-