Die Presse am Sonntag

Bosporus

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chischen Architekte­n Clemens Holzmeiste­r konzipiert­en Monumental­bau in Ankara, bombardier­te, erstickten die Erdogan-˘Gefolgsleu­te auf dem TaksimPlat­z – dem Symbol des Widerstand­s gegen die Erdogan-˘Regierung – und im Stadtteil Besiktas den doch recht unprofessi­onell durchgefüh­rten Militärcou­p im Keim.

Aus Washington und Ulan-Bator, dem Ort des Asien-Europa-Gipfels in der Mongolei, trafen reihenweis­e Solidaritä­tsadressen ein, von Barack Obama, Angela Merkel, Donald Tusk, Jens Stoltenber­g, Federica Mogherini, von UN-Generalsek­retär Ban Ki-moon und selbst von türkischen Opposition­sführern. Und während Gerüchte herumschwi­rrten, der autokratis­che Staatschef sei längst auf dem Weg ins Exil nach Berlin oder London, machte der sich schon auf nach Istanbul – zu einer triumphale­n Rückkehr.

In der Morgendämm­erung zeichnete sich in Istanbul und Ankara ein Ende des Chaos und der Unsicherhe­it ab. Der Ausnahmezu­stand, die Ausgangssp­erre und das Kriegsrech­t, die die Putschiste­n verhängt hatten, währte gerade einmal eine Nacht. Noch um zwei Uhr früh erschall in Ankara und Istanbul der Ruf des Muezzins – als Zei-

Kriegsrech­t, Ausgangssp­erre und Ausnahmezu­stand währten nur eine Nacht.

chen des Protests gegen den Putsch. Bäcker legten derweil Sonderschi­chten ein, ältere Frauen und ganze Familien standen gegen zwei Uhr nachts vor den Geschäften Schlange, um sich mit Lebensmitt­eln einzudecke­n. „Wir kommen uns ein wenig komisch dabei vor“, sagt ein junges Ehepaar vor einer Bäckerei. „Aber wir haben uns angestellt, weil die Älteren das auch tun. Die haben ja immerhin schon mehrere Putsche erlebt.“

Die Stimmung ist gereizt. Im Laden des Gemüsehänd­lers ein paar Häuser weiter läuft der Fernseher mit den aktuellen Bildern von der Putschnach­t. Überdröhnt wird der Muezzin vom Knattern der Hubschraub­er. Rund um den Taksim-Platz scharen sich die Gäste in den Hotellobby­s und in den wenigen geöffneten Bars um die Fernseher. „Das ist doch alles geplant, und morgen ist der Putsch dann vorbei und er führt das Präsidials­ystem ein“, ruft ein Kellner in einer Hotelbar, und er klingt dabei ganz ähnlich wie ein Künstler in einem Cafe´ nur ein paar Häuser weiter. Schließlic­h wird es seltsam still in der Stadt am Bosporus – nach zwölf Stunden, die das Land aufgewühlt haben.

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