Die Presse am Sonntag

Der Fernbus ist der neue Billigflie­ger

Die ÖBB sin© in ©en MŻrkt für internŻtio­nŻle Busverãin©ungen eingestieg­en, ©er ´hnlich ãoomt wie ©ie LuftfŻhrt zum StŻrt ©er Low-Cost-Airlines um ©ie JŻhrtŻusen©wen©e. Eine Testfahrt mit ©em neuen Hellö-Bus von Wien nŻch LjuãljŻnŻ.

- VON ERICH KOCINA

Na gut, Champagner ist es keiner. Aber die lächelnde junge Frau reicht die Wasserflas­che ja auch nicht, um sie gegen den Bug des Busses krachen zu lassen und „Ich taufe dich auf den Namen Hellö“zu rufen. Es ist eine kleine Aufmerksam­keit zum Start an diesem Freitagmor­gen am internatio­nalen Bustermina­l beim Wiener Hauptbahnh­of. Zum Start einer Fahrt, die über fast sechs Stunden in die slowenisch­e Hauptstadt, Ljubljana, führen sollte. Und zum Start der Buslinie selbst – es ist eine der ersten Fahrten der HellöBusfl­otte, mit der die ÖBB in den Kampf um die Fernbuskun­dschaft eingestieg­en sind. Die Bahn fährt jetzt Bus? Ja, genau.

Elf internatio­nale Verbindung­en bietet man an. Sieben ab Wien, eine ab Innsbruck, zwei ab München und eine ab Prag. Zielorte sind unter anderem Berlin, Frankfurt, Genua, Straßburg, Venedig oder Zagreb. Noch ist freilich nicht alles ganz eingespiel­t. „Der Bus nach Ljubljana?“, fragt die junge Frau. „Da muss ich selbst nachschaue­n.“Und unter den Plastikfla­schen in ihrem Stoffsack – natürlich mit Hellö gebrandet – zieht sie einen Zettel hervor. „Ah ja, das ist der nach Venedig, der bleibt in Ljubljana stehen.“Sie zeigt auf einen der Busse. Hier einsteigen. „Und gute Fahrt!“ Billigflie­ger auf Rädern. Nun sind längere Reisen mit dem Bus ja gar kein so neues Phänomen. Und doch herrscht gerade auf dem Boden eine Stimmung wie um die Jahrtausen­dwende in der Luft. Damals begannen Linien wie Ryanair, Easyjet oder auch Sky Europe, den traditione­llen Fluglinien das Leben schwer zu machen. Auf der anderen Seite machten die sogenannte­n Billigflie­ger damit aber das Fliegen leistbarer. Das Fliegen verlor den Nimbus des Elitären oder des Besonderen, das man sich vielleicht einmal im Jahr gönnt.

Eine ähnliche Stimmung herrscht nun bei den Fernbussen. Verantwort­lich dafür ist ein Urteil des deutschen Bundesverw­altungsger­ichts aus dem Juni 2010. Bis dahin wurden Fernbusver­bindungen nicht genehmigt, wenn die entspreche­nde Strecke schon von der Bahn bedient wurde. Das Gericht entschied allerdings, dass es nun sehr wohl eine Genehmigun­g geben müsse, wenn die Fahrt mit dem Bus deutlich günstiger ist als die Bahn. Mit Anfang 2013 wurde der Fernbusver­kehr in

Menschen

kŻmen im vergŻngene­n JŻhr mit einem Fernbus nŻch Wien.

Fahrgäste

pro JŻhr will ©er Mitte Juli gestŻrtete neue Anbieter Hellö, ein Unternehme­n ©er ÖBB, bis 2020 beför©ern. Deutschlan­d liberalisi­ert. Und eine Fortbewegu­ngsart, die bis dahin kaum eine Rolle gespielt hatte, erlebte einen Boom.

In Österreich sind es die Firmen Blaguss, Gschwindl, Dr. Richard und nun eben die ÖBB, die um den Fernbusmar­kt kämpfen. Wobei dies unter anderem auch unter der Dachmarke Flixbus passiert – das deutsche Busunterne­hmen hat mit regionalen Partnern ein Netz über Europa gespannt. Gschwindl betreibt übrigens auch einige Hellö-Busse, der Großteil der ÖBB-Flotte wird allerdings vom hauseigene­n Postbus gestellt. So wie bei den Billigflie­gern setzten die neuen Busbetreib­er zunächst auf den Preis als wichtigste­s Instrument. 15 Euro sind es bei Hellö von Wien nach Ljubljana. Der gleiche Tarif gilt aber auch für alle anderen Fahrten. Zum Einstieg gibt es diesen Preis bis Ende September. Danach, sagt Hellö-Geschäftsf­ührer Tobias Hann, werde man „marktüblic­he Preise“verlangen. Also Wien-Genua um die 50 bis 60 Euro? „So ungefähr.“ Keine Preisschla­cht. Tatsächlic­he Preise will er aber nicht nennen. Denn hier soll es eine weitere Analogie zu den Billigflie­gern geben, nämlich Kontingent­e zu bestimmten Preisen. Wer früher bucht, hat die Chance auf ein besonders billiges Ticket. Sind die günstigen weg, kommt ein etwas teureres Kontingent, bis man am Ende, wenn nur mehr wenige Plätze frei sind, quasi den Vollpreis bezahlt. Eine Preisschla­cht mit den Mitbewerbe­rn will er sich aber nicht antun: „Es wird sicher keine Ein-Euro-Tickets geben.“

Mit Preispolit­ik und Image soll vor allem eine „junge, dynamische, studentisc­he Zielgruppe“angesproch­en werden, wie bei der Präsentati­on verkündet wurde. Tatsächlic­h ist das Publikum im Bus Richtung Venedig vor allem eines: ziemlich jung. „Ich brauche eine Vollmacht der Eltern“, sagt der Busfahrer zu einem der Passagiere, der in Graz zugestiege­n ist, „sonst kann ich dich nicht mitnehmen.“Der ruft verzweifel­t seine Mutter an – sie soll schnell etwas schreiben und per Mail aufs Handy schicken. „Ich brauche es auf Papier“, sagt der Fahrer. Und lässt sich dann doch noch erweichen. Der Jugendlich­e mit Strohhut und seine Freunde dürfen mit nach Italien. Zwei davon auf Sitzplätze­n, die sie nicht gebucht haben – die Plätze, die auf ihrem Ticket stehen, gibt es in diesem Bus nicht. Kleine Anfangssch­wierigkeit­en, offenbar.

Junge Menschen auf dem Weg ans Meer oder zum Städtetrip am Wochenende – die sind hier gut bedient. Für Businessre­isen ist ein solcher Bus allerdings denkbar ungeeignet. Das WLAN bei Hellö ist zwar halbwegs stabil, um Mails abzurufen oder auf Nachrichte­nseiten zu surfen. Doch eine VPN-Verbindung zum Arbeiten aufbauen – das überforder­t das buseigene Netz. Besser als im Zug ist es allemal. Erinnert sich eigentlich noch jemand an den Vergleich von Ex-ÖBB-Chef und nunmehr Bundeskanz­ler Christian Kern, dass es leichter ist, WLAN in einem Space Shuttle bereitzust­ellen als im Railjet?

Kein Arãeitsins­pektorŻt ©ürfte ©ie KörperhŻlt­ung mit LŻptop im Bus jemŻls sehen.

Aber abgesehen davon – das Tablett zum Herunterkl­appen ist maximal dazu geeignet, ein etwas größeres Sandwich abzulegen. Ein Laptop darauf erinnert dagegen an diese lustigen YouTube-Videos, in denen eine Katze über eine Eisfläche schlingert. Computer auf dem Schoß ist etwas stabiler, nur dürfte kein Arbeitsins­pektorat der Welt jemals diese Körperhalt­ung zu Gesicht bekommen. Immerhin, der größten Angst der Generation Akku setzt man im Bus etwas entgegen – es gibt USB-Anschlüsse und Steckdosen, an denen Handy, Tablet und Laptop mit Strom versorgt werden können. Bus vs. Bahn. Um fair zu sein, eine Büroaustat­tung hat man im Zug auch nicht. Und abseits der Vierersitz­gruppen mit Tisch ist Arbeiten auf der Schiene auch nur eine Notlösung. Für die Entscheidu­ng zwischen Bus und Bahn braucht es also noch andere Kriterien. Bei Strecken, die per Zug direkt angefahren werden, ist das etwa die Zeit. Die ist auf der Strecke von Wien nach Ljubljana recht ähnlich – geht es nach Fahrplan, ist der Bus mit prognostiz­ierten 5:37 Stunden eine halbe Stunde schneller als der Zug. Wegen einiger Verzögerun­gen kommt der Hellö-Bus diesmal allerdings schon mit einer Viertelstu­nde Verspätung an. Auf der anderen Seite hat Chris Lohners Stimme morgens auf dem Hauptbahnh­of

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