Die Presse am Sonntag

Wien als neue Drehscheib­e

Die Stadt soll einen zentralen Bustermina­l bekommen.

- VON ERICH KOCINA

Ein Blick unter die Südosttang­ente – das ist nicht unbedingt das, was die Stadt Wien ihren Gästen als ersten Eindruck präsentier­en möchte. Und doch kommen hier Tag für Tag rund 170 Busse aus dem Ausland an. Im Vienna Internatio­nal Bustermina­l (VIB) in Erdberg, nämlich. Das Gelände im dritten Bezirk ist neben dem Busbahnhof am Hauptbahnh­of und dem Bustermina­l Vienna beim Stadion Center die wichtigste Anlaufstel­le für Menschen, die mit dem Fernbus von und nach Wien reisen. Einer Weltstadt unwürdig sei der Terminal, heißt es sogar vonseiten des Betreibers, des Busunterne­hmens Blaguss. Abgesehen davon stößt es auch langsam an seine Grenzen. „Die nächsten zwei, drei Jahre haben wir noch Platz, dass es für Kunden verträglic­h ist“, sagt Blaguss-Sprecherin Claudia Pich. Doch mit den enormen Zuwachsrat­en im Fernbusver­kehr wird es recht eng – 2015 kamen immerhin schon rund drei Millionen Fahrgäste per Fernbus nach Wien.

Seit Längerem laufen deshalb die Planungen für einen zentralen Bustermina­l für alle internatio­nalen Busverbind­ungen. Die Stadt hat bereits zwölf Standorte getestet und das Feld kürzlich auf drei reduziert. Noch im Herbst 2016 soll eine Entscheidu­ng fallen. Unter den drei Kandidaten sind der Verteilerk­reis Favoriten, der Handelskai und zuletzt auch Erdberg. Im Lauf des Sommers sollen sie nun auf ihre Eignung hin geprüft werden. Bei allen dreien gewährleis­tet ist jedenfalls ein entscheide­ndes Kriterium, nämlich der Anschluss an die U-Bahn. In Favoriten wird mit der Verlängeru­ng der U1 im September 2017 die Station Altes Landgut den Verteilerk­reis zugänglich machen. Am Handelskai gibt es, je nach Standort, die U2 oder die U6 als Zubringer. Und Erdberg ist mit der U3 ohnehin schon an das hochrangig­e Verkehrsne­tz angeschlos­sen.

Daneben muss darauf geachtet werden, dass die Busse nicht zu lange Zufahrtstr­ecken außerhalb des Hochleistu­ngsnetzes fahren oder auch, dass sie nicht durch Wohngebiet müssen. Ein wichtiges Entscheidu­ngskriteri­um ist aber auch, dass sich die Infrastruk­tur selbst durch die Nutzerentg­elte finanziert. So wie Flughäfen Start- und Landegebüh­ren kassieren, verlangen auch Busbahnhöf­e etwas für die Benutzung. Das ist auch mit ein Grund dafür, dass man nur einen großen Standort für alle haben will, weil der sich wirtschaft­lich eher betreiben lässt als mehrere kleine. Und natürlich muss der zukünftige Bustermina­l auch in der Lage sein, das heutige Aufkommen abzuwickel­n – und auch noch das prognostiz­ierte Wachstumsp­otenzial. Derzeit liegt es bei bis zu 30 Prozent pro Jahr, zum Teil stimuliert durch neue Mitbewerbe­r wie Hellö der ÖBB und damit verbundene Aktionspre­ise. Aber fünf Prozent pro Jahr sind laut Experten auch noch über mehrere Jahre realistisc­h. Gastronomi­e und Toiletten. Dabei zeichnet sich noch eine weitere Entwicklun­g ab, dass sich nämlich, so wie im Flugverkeh­r, Fernbuskno­tenpunkte entwickeln. Dass etwa Passagiere von Frankfurt nach Wien und von dort weiter nach Budapest fahren. Gerade Wien mit seiner zentralen Lage könnte sich als Drehkreuz etablieren. Das schafft neue Anforderun­gen an die Bustermina­ls, die sie bislang nicht erfüllen mussten. „Es braucht dann entspreche­nde Warteberei­che, Sanitäranl­agen, Gastronomi­e und Möglichkei­ten für die Fahrgäste, sich die Zeit zu vertreiben“, heißt es aus dem Büro von Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou.

Eine Kostenschä­tzung oder einen Termin, zu dem der neue Terminal fertig sein wird, will man im Stadtratsb­üro noch nicht wagen. Aber man geht jedenfalls davon aus, dass die Busbetreib­er schon jetzt dringend nach Platz suchen und das Projekt notwendig sei. Man binde die Busgesells­chaften bei der Planung auch mit ein. „Wäre der Terminal schon fertig“, so ein Sprecher, „wäre die Nachfrage wohl sehr groß.“

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