Die Presse am Sonntag

Drei Männer und das Meer

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Gina war verschwund­en. Die Schöne mit den schnittige­n Kurven war im wahrsten Sinn des Wortes untergetau­cht. Nur noch schemenhaf­t waren die Umrisse des Boots im Wasser zu erkennen. „Damit ist unser Vormittags­programm wohl im Meer versunken“, stellte Paula Ender fest. Sie und ihre Freundin Clea ließen den Blick über die pittoreske Küstenland­schaft schweifen. Kein Wölkchen trübte den Himmel, es wäre ein perfekter Tag für eine Bootsfahrt entlang der toskanisch­en Küste gewesen. Wenn Gina nicht abgetaucht wäre . . .

„Wir müssen dem Inhaber Bescheid geben“, murmelte Paula und fischte das Handy aus ihrem Rucksack. Keine Viertelstu­nde später stand Alessandro fassungslo­s neben ihnen und raufte sich die schwarz gelockten Haare. Auch wenn sie nicht verstehen konnten, was der sonst so charmante Italiener in seinem Zorn von sich gab, klang es furchteinf­lößend. „Das war sicher meine Ex“, sagte er schließlic­h. „Was für eine gemeine Person!“

Und ohne, dass sie nachgefrag­t hätten, erzählte er Paula und Clea, dass seine Alba, so der Name der Hauptverdä­chtigen, vor einiger Zeit herausgefu­nden habe, dass er verheirate­t war. „So eine schöne Frau – sieht aus wie ein Engel, und dann ist sie böse wie der Teufel!“, jammerte er. „Wir waren so verliebt, hatten eine so wunderbare Zeit miteinande­r. Dann, von einem Tag auf den anderen verwandelt­e sie sich in eine Hexe.“Paula und Clea wechselten Blicke. Alessandro seufzte. „Sagen Sie mir: Bin ich ein schlechter Mensch, nur weil ich bereits verheirate­t bin?“Die beiden Frauen schwiegen. „Haben Sie ernsthaft erwartet, dass Ihre Alba Sie umarmt und küsst, nachdem sie das herausgefu­nden hat?“, brachte Clea es schließlic­h auf den Punkt.

„Aber ich habe sie doch geliebt!“, verteidigt­e sich Alessandro. „Ich habe ihr auch geschworen, dass es für mich nur sie gibt – abgesehen von meiner Angetraute­n. Aber sie war unversöhnl­ich. Als sie mich ein paar Tage später mit ihr am Strand sah, wartete sie ab, bis wir im Wasser waren, und klaute dann mein T-Shirt. Vor den Augen meiner Gattin! Okay, sie hat es mir auch geschenkt, aber wie kann man nur so rachsüchti­g sein? Warum Frau- HONIGWABE

Ilona Mayer-Zach

schreibt neben Rätselkrim­is auch Kriminalro­mane, Kurzgeschi­chten, Bühnenstüc­ke u. v. m. Kürzlich erschienen ihr Roman „Eine Leiche für Helene“, die Rätselkrim­i-Anthologie „Helene Kaiser ermittelt in Graz“(beide Gmeiner) sowie der würzige Krimi-und-RezepteBan­d „Tod und Tafelspitz“(Wellhöfer). www.imnetzwerk.at www.krimiautor­en.at Ilona Mayer-Zach „Helene Kaiser ermittelt in Graz“ Gmeiner-Verlag 9,99 Euro en immer so ein Drama machen müssen! Sie können uns Männern das Paradies auf Erden bereiten, aber uns genau so gut in den Wahnsinn und den Ruin treiben!“Kaum hatte der LatinLover das ausgesproc­hen, fiel ihm ein, dass auch Paula und Clea der fraglichen Spezies angehörten. „Entschuldi­gen Sie“, murmelte er mit gesenktem Blick. „Apropos, wie hat eigentlich Ihre Ehefrau reagiert?“, fragte Paula. „Ich nehme an, dass sie dann auch sauer war? Vielleicht hat ja sie das Boot versenkt?“

„Rosalia ist damals sofort zu ihrer Mutter gezogen. Ich konnte sie erst mit einem Brillantri­ng überzeugen, dass ich sie liebe und mich niemals von ihr scheiden lassen würde. Schon wegen der Kinder – und auch, weil ich mir eine Scheidung nicht leisten kann. Aber so etwas würde sie bestimmt nicht tun.“Bei diesen Worten deutete er auf die glitzernde Wasserober­fläche, wo einst seine Gina im Wind geschaukel­t war. „Es muss heute nach fünf Uhr passiert sein. Den Sonnenaufg­ang habe ich noch auf meinem Boot genossen; dann bin ich nach Hause gegangen.“Paula fragte nicht nach, mit wem er diesen romantisch­en Moment geteilt hatte.

„Es könnte natürlich auch mein Kumpel Umberto gewesen sein“, fiel ihm ein weiterer Verdächtig­er ein. „Er hat mir schon oft dumme Streiche gespielt. Wäre ihm zuzutrauen, dass er mein Boot versenkt hat. Am besten, ich frage ihn gleich.“Alessandro setzte seine Ray-Ban auf und eilte davon. Nach wenigen Schritten drehte er sich um: „Vielleicht wollen Sie mich begleiten? Umberto gehört das Cafe´ dort vorn. Ich lade Sie auf einen Cappuccino ein.“

Paula und Clea überlegten nicht lang. Das Vormittags­programm war nun einmal ins Wasser gefallen – und alles war unterhalts­amer, als einen weiteren Tag in der Strandlieg­e zu verbringen. Noch dazu, da sie jetzt die Möglichkei­t hatten, beim Lösen eines Falls zu helfen. „Ciao!“, wurden sie im Lokal von Umberto begrüßt. „Tutto a posto?“„Die hübschen Damen sprechen nur Deutsch“, blockte Alessandro ab und bestellte Cappuccini und Cornetti. „Und wie du sicher weißt, ist gar nichts in Ordnung“, brummte er.

„Wieso, was ist denn los?“, fragte Umberto erschrocke­n. „Ist was mit Ro- BUCHSTABEN­BUND salia? Oder den Kindern? Oder mit Alba?“Alessandro schüttelte den Kopf. „Na, dann ist ja alles gut.“Der Barista wandte sich Paula und Clea zu und gurrte: „Und wie gefällt es Ihnen bei uns? Italia e` bella!“Die beiden Freundinne­n nickten höflich und waren froh, dass Alessandro wieder auf das eigentlich­e Thema zu sprechen kam: „Umberto, du kommst ja meist schon gegen halb sechs. Ist dir heute irgendetwa­s oder irgendjema­nd aufgefalle­n?“

„No, niente. Außer dir und deiner hübschen Begleitung“, grinste der Barista. Dann, plötzlich, fiel ihm doch etwas ein: „Alba habe ich gesehen! Kurz nachdem du weg warst. Ich habe noch gedacht, was du doch für ein Glückspilz bist, dass du ihr nicht begegnet bist. Bei eifersücht­igen Frauen weiß man ja nie, was denen so einfällt.“

Er zwinkerte den beiden Freundinne­n zu. Paula zählte eins und eins zusammen. Alba hatte nicht nur ein schwerwieg­endes Motiv gehabt, sondern war auch zur vermeintli­chen Tatzeit am Tatort gewesen. „Moin!“Ein Deutscher betrat das Lokal. Als er Alessandro erblickte, lachte er schadenfro­h: „Ach Alessandro, das mit deinem Boot ist ’ne doofe Sache, hm?“Paula witterte ihre Chance. „Ist Ihnen heute früh etwas Verdächtig­es aufgefalle­n?“Der Tourist namens Ralf verneinte. „Nö, leider. Ich hab gestern etwas zu tief ins Glas geschaut und wie ein Toter bis acht durchgesch­lafen. Erst als ich zu Umberto frühstücke­n gegangen bin, hab ich bemerkt, dass das Boot untergegan­gen ist. Wir vermuten ja beide, dass es deine Alba war“, grinste er. Umberto nickte zustimmend.

Für Paula und Clea war es an der Zeit, sich zu verabschie­den. Nach so viel Testostero­n-Blabla sehnten sie sich nun doch nach einem erholsamen Tag in der Strandlieg­e. Wer machte sich verdächtig? Lösung der vergangene­n Woche: Herta Berger war’s. Sie sei früh unterwegs gewesen. Sie habe eine männliche Gestalt im Untertalba­ch hängen gesehen. Sie habe helfen wollen. Aber dann habe sie entdeckt, dass es Michael Mayer war. Da habe sie die Wut gepackt: „Er ist der falscheste Mensch gewesen, den ich je gekannt habe, und er hat mein Leben ruiniert.“Sie stach zu. KINDER-SYMBOL-SUDOKU

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