Roald Dahls Botschaft an schlimme Eltern
CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK
„Der Wasserfall ist sehr wichtig!“, erklärt Willy Wonka den staunenden Kindern im „Schokoladenraum“seiner wundersamen Fabrik. Ein gewöhnlicher Raum ist das nicht, vielmehr ein ganzes Tal, in dem das Gras aus Pfefferminz-Zucker ist und durch das sich ein schokobrauner Fluss schlängelt, der an einer Stelle in einen schaumigen Wasserfall übergeht. „Keine andere Schokoladenfabrik auf der ganzen Welt lässt ihre Schokolade von einem Wasserfall mixen!“, sagt Willy Wonka.
Das ist natürlich bei Weitem nicht die einzige Besonderheit im Reich des skurrilen Süßigkeitenherstellers. Angeblich soll sich Roald Dahl die Inspiration für sein zweites Kinderbuch, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, aus wahren Begebenheiten während seiner Kindheit geholt haben: Da- mals, in den 1920ern, gab es in England zwei große Schokoladenmarken, die einander gern ausspionierten und Schulkindern Schokolade zum Testen schickten.
In Dahls ausgeklügelter, fantasievoller Schokoladewelt ist Spionieren unmöglich: Willy Wonka hat die Fabrik abgeriegelt, nur fünf Kinder, die ein goldenes Ticket ergattert haben, werden zur exklusiven Betriebsbesichtigung eingeladen. Einer davon ist der bettelarme, aber gutherzige Charlie, die anderen vier überbieten sich gegenseitig mit ihrer Verzogenheit.
Dass man mit Fleiß, Klugheit und Bescheidenheit weiter kommt als mit Jähzorn, Gier und schlechten Manieren, ist eine Moral der Geschichte. Eine andere ist, dass unausstehliche Bälger wohl nicht von selbst so unausstehlich geworden sind. So verpassen die Umpa-Lumpas, diese kleinwüchsigen, singenden Fabrikarbeiter, die die Verfehlungen der Kinder in flotten Versen kommentieren, etwa auch den Eltern der gierigen Veruschka Salz ein paar Zeilen – denn „wer hat das Kind denn so verzogen und so verwöhnt und so verbogen?“