Die Presse am Sonntag

Das Desaster nimmt seinen Lauf! Aber wie!?

KÜSSCHEN, KÜSSCHEN

- GELESEN VON BETTINA STEINER

Am Ende wartet meistens eine Enttäuschu­ng. Auf den alten William Pearl etwa, der geglaubt hat, er könnte dem Tod mithilfe der Wissenscha­ft ein Schnippche­n schlagen und als reines Gehirn weiterlebe­n – aber da hat er die Rechnung ohne seine Frau gemacht. Hätte er ihr doch bloß nicht das Rauchen verboten! Auf den jungen Schnösel, der doch nur eine billige Herberge gesucht hat. Auf den Antiquität­enhändler, der als Geistliche­r verkleidet durch die Dörfer zieht und den Bauern für einen Pappenstie­l wertvolle Möbel abschwatzt. Und die Enttäuschu­ng wartet auf den Leser der Kurzgeschi­chte „Genesis und Katastroph­e“: Ach, wie gönnte er es der jungen Frau, dass dieser Sohn, den sie gerade zur Welt gebracht hat, überlebt. So gelitten hat sie, drei Kinder musste sie schon begraben. Alle Hoffnung ruht auf diesem Knaben. Nur gibt es da ein Detail, das erst im Verlauf der Geschichte­n enthüllt wird, das alles umwertet, alles verdreht.

Roald Dahl führt uns erst raffiniert in die Irre, lässt dann immer wieder Hinweise fallen – bis wir zwar ahnen, dass das Desaster seinen Lauf nehmen wird, aber was wir bis zum Schluss nicht wissen: Wie, um Himmels willen? Besonders böse: jene Storys, in denen Dahl eheliche Beziehunge­n seziert. „Gelee´ Royale“etwa, eine Geschichte, in der sich Mann und Kind auf seltsame Weise verändern. Oder in „Mrs. Bixby und der Mantel des Obers“. So eine geschickte Finte hat Mrs. Bixby da ersonnen, damit sie das teuere Geschenk ihres Geliebten behalten kann, ohne dass der Ehemann Verdacht schöpft. Und dann: ja, was dann?

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