Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Franchisen­ehmer des Islamismus. War der Täter von Nizza kein Terrorist, sondern ein Amokläufer? Gut möglich, aber für den Kampf gegen Terror wäre das keine gute Nachricht.

Der „Kampf gegen den Terror“ist ein Unwort. Der Terror ist kein Gegner, sondern eine Methode. Aber natürlich gibt es den Kampf gegen Terroriste­n, und der ist spätestens mit dem Attentat von Nizza in eine neue, noch schwierige­re, weil noch asymmetris­chere Phase getreten.

In der asymmetris­chen Kriegsführ­ung gegen Terroriste­n stehen nicht zwei Armeen einander gegenüber, sondern auf der einen Seite eine große Zahl von Sicherheit­skräften, die rechtsstaa­tlich handeln müssen, und auf der anderen Seite wenige, verborgene Individuen, die nicht nur über die gefährlich­eren Waffen verfügen, sondern auch tun können, was sie wollen. Wenn sie Selbstmord­attentäter sind, haben sie nicht einmal die verkompliz­ierende Mühe eines Fluchtplan­s.

Sollte Mohammed Lahoualej-Bouhlel trotz später Bekennerme­ldung nicht von dem IS gesteuert, sondern ein Einzeltäte­r gewesen sein, wenn seine Tat also weniger ein klassische­r Terrorakt, sondern erweiterte­r Selbstmord bzw. ein Amoklauf war, wäre das im Grunde eine schlechte Nachricht. Menschen, die so etwas tun, sehen ihr Leben als sinnlos an und wollen sich im Sterben an der Gesellscha­ft rächen. In der muslimisch­en Spielart sind sie sind oft selbst keine religiösen Fanatiker, aber anfällig für die Märtyrerpr­opaganda der Islamisten im Internet. Etwa auch für jene des IS, die beschreibt, wie man mit dem Auto Ungläubige niedermähe­n und so als Held vor Allah treten kann. Sie müssen nicht ausgerüste­t und nicht ausgebilde­t werden. Es gibt keine konspirati­ven Treffen, keine verräteris­che E-Mail-Korrespond­enz. Sie sind daher für Terrorfahn­der unsichtbar. Sie sind die idealen nützlichen Idioten im islamistis­chen Kampf.

Denn auch wenn sie auf eigene Faust handeln, wirkt ihr Terror, verbreitet Unsicherhe­it und sät Ressentime­nts gegen den Islam, was der Mobilisier­ung weiterer Kämpfer dient. Und Suizide sind ansteckend. Weil man das weiß, berichten Medien auch nicht über die normale Selbsttötu­ng. Aber über Nizza müssen sie berichten, und die Spirale dreht sich weiter. Gut möglich, dass die Wahnsinnst­at in Graz im Vorjahr den Tunesier aus Nizza inspiriert hat. Der Kampf gegen diese Art von Terror ist so asymmetris­ch, dass er mit polizeilic­hen Mitteln nicht geführt, geschweige denn gewonnen werden kann. Was bleibt, sind der Kampf gegen die Aufstachle­r in ihren Terrorzent­ralen – und eine ruhige Hand im Inneren, damit die Spirale sich nicht zu schnell dreht. Aber letztlich werden wir, zumindest für einige Zeit, einfach mit dem Terror der spontanen Franchisen­ehmer des Islamismus leben müssen. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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