Die Presse am Sonntag

Eine Schule des Respekts

Unternehme­n als Kunstsamml­er: Die Deutsche Bank sammelt zeitgenöss­ische Kunst auf Papier. Auch im Wiener Büro hängen 180 Werke daraus.

- VON SABINE B. VOGEL

Wenn Friedhelm Hütte von der Sammlung der Deutschen Bank spricht, dann nennt er es einen Tausch: „Wir tauschen Geld gegen tolle Kunst.“Auf keinen Fall will er es als eine Form von Unterstütz­ung sehen: „Man findet etwas gut, ein Werk, eine Ware, und kauft es. Das ist in jedem Geschäft dasselbe, wir sponsern ja auch nicht einen Bäcker mit dem Kauf von Brot.“

Seit 1979 wird angekauft, anfangs nur aus Deutschlan­d, aber in den letzten 15 Jahren ist die Bank „zu einem globalen Unternehme­n geworden, da macht die ursprüngli­che Beschränku­ng keinen Sinn mehr“. Was aber nach wie vor gilt, ist die Konzentrat­ion auf Papierarbe­iten nach 1945. Mit diesem Fokus hat die Deutsche Bank „die bedeutends­te Sammlung in der Welt“, betont Hütte. „Damit bleiben wir nach wie vor in einer Nische und treten auch nicht in Konkurrenz zu Museen.“ Eine der größten Firmensamm­lungen. Friedhelm Hütte arbeitet seit 1986 in der Kunstabtei­lung der Deutschen Bank, heute als Global Head of Art. Die rund 56.000 Werke in 900 Liegenscha­ften bilden eine der größten Corporate Collection­s weltweit. Firmensamm­lungen sind ein enorm expandiere­nder Bereich des Kunstmarkt­es, der vor allem für Unternehme­n im tertiären Sektor attraktiv ist. So können Versicheru­ngen oder Banken nach außen sinnlich-emotional erfahrbar werden und nach innen sogar doppelt wirken: Kunst in den Büros dient der Verschöner­ung und oft auch als Kennzeichn­ung der Arbeitsräu­me. Vor allem wird diese Dekoration als Weg gesehen, die Denk- und Handlungsw­eise der Mitarbeite­r allmählich, aber langfristi­g zu ändern: die Sammlung als Kreativtra­nsfer, Kunst als Weg zur Geschmacks­bildung, als Sensibilis­ierung für nicht-rationale Vorgänge, als Schulung für den Respektsin­n.

Auch in den Büros der Deutschen Bank in Wien hängen Leihgaben aus der Sammlung. Für die Zentrale am Fleischmar­kt kam ein Portfolio mit exakten Vorschläge­n für die verschiede­nen Raumhöhen und Zimmer, jetzt hängen dort 180 Werke österreich­ischer Künstler, etwa die zwölf Lithografi­en von Hermann Nitsch im Konferenzr­aum. „Jeder kann sich bei den Sitzungen sein Lieblingsb­ild aussuchen“, scherzt Johannes Ritter. Er ist Verwal- tungsdirek­tor, und eigentlich hatte er ein Werk aus der Nitsch-Serie in seinem Büro. Das aber wurde eingereiht, also erhielt er ein „museales Werk“, wie ihm erklärt wurde. Jetzt schmückt sein Büro eine Serie mit 23 Blättern von Walter Pichler. In den Gängen sieht man Papierarbe­iten von Herbert Brandl, Siegfried Anzinger, in einem kleinen Konferenzz­immer Bleistiftz­eichnungen von Maria Lassnig. Für den unliebsame­n Innenhof beauftragt­en sie Ingrid Pröller, die 2012 die Umspannung „Parallelwe­lten“anfertigte. Jetzt ist der Schacht unsichtbar.

Gekauft, darauf legt Hütte Wert, wird bei Galerien, nicht auf dem Sekundärma­rkt, auch nicht bei Auktionen. Ob die Tokyo Art Fair, Frieze London und New York oder Art Cologne, die Deutsche Bank ist gleich bei mehreren Kunstmesse­n Sponsor, dort wird auch mit eigener Jury angekauft. Sponsoring sei das trotzdem keines, betont Hütte. „Messen sind ja wirtschaft­liche Unternehme­n. Wir sind Partner, man kann nicht von Förderung sprechen. Messen sind perfekt geeignet als Kommunikat­ionsplattf­orm.“Während der Frieze etwa seien „zwei- bis dreihunder­t Topkunden nicht nur in einer Stadt, sondern auch an einem Platz versammelt. Es liegt mehr als nahe, dass die Bank sich hier engagiert, mit geführten Touren, einer Lounge, einem Dinner“. Museumsaus­stellungen, Auftragsku­nst. Aber die Deutsche Bank setzt nicht nur auf Ankäufe und Lounges. Teile der Sammlung gehen als Wanderauss­tellung in Museen, und von 1997 bis 2012 betrieb die Bank einen Kunstraum gemeinsam mit der Guggenheim Foundation in Berlin mit insgesamt 61 Ausstellun­gen. 18 Auftragsar­beiten entstanden in der Zeit, die teilweise den New Yorkern geschenkt wurden: „Die Papierarbe­iten und Fotografie­n gingen überwiegen­d in unseren Besitz, das Guggenheim erhielt die größeren, oft skulptural­en Werke.“Finanziert selbstvers­tändlich von der Bank. „Wir wollten uns dann globaler aufstellen, neue Talente zeigen. Das Interesse der Amerikaner dagegen waren arrivierte Künstler.“ Also begann 2013 ein neues Projekt: die Deutsche Bank KunstHalle. Hier werden auch die seit 2010 nominierte­n „Künstler des Jahres“gezeigt. Heuer ist Basim Magdy aus Ägypten nominiert, 2017 der Südafrikan­er Kemang Wa Lehulere – beides Künstler, die gesellscha­ftspolitis­ch brisante Themen aufgreifen. Bedingung für die Auswahl: Die Künstler sollten noch keine große Einzelauss­tellung gehabt haben.

Sind diese Aktivitäte­n nicht doch eine Konkurrenz zu Kunstinsti­tutionen? „Ganz im Gegenteil“, wehrt Hütte ab, „ich würde eher von einer Bereicheru­ng sprechen.“Die Deutsche Bank kooperiert mit den Häusern, die tourenden Ausstellun­gen entstehen im engen Dialog und „bereichern in spezifisch­er Weise das Programm der jeweiligen Museen“. In seinem Büro hängt übrigens ein Werk von Matthias Weischer, wie in jedem anderen Raum auf der gesamten Etage. Denn Kunst als Instrument interner Firmenhier­archien gibt es bei der Deutschen Bank nicht.

»Wir sponsern ja auch nicht einen Bäcker mit dem Kauf von Brot.«

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