Die Presse am Sonntag

Putsch in der Türkei: Wenn sich Geschichte (fast) wiederholt

Das Militär übernahm zuletzt im September 1980 die Macht, Tausende flüchteten. »Die Presse am Sonntag« traf Menschen, bei denen Erinnerung­en wach werden.

- VON DUYGU ÖZKAN UND ANNA THALHAMMER

Die Geschichte der modernen Türkei ist auch die Geschichte des Militärs. Vergangene Woche, in der Nacht auf den 16. Juli, versuchten Teile der Armee, die umstritten­e AKP-Regierung wegzuputsc­hen. Hätten die Generäle Erfolg gehabt, wäre es bereits der vierte Eingriff seit Bestehen der Republik gewesen. Zuletzt übernahm die Armee am 12. September 1980 die Macht. Damals war das Land tief in ein rechtes und ein linkes Lager gespalten und drohte, im Chaos zu versinken: Beinahe täglich kam es zu Morden auf offener Straße, Tausende Menschen wurden verschlepp­t, verhaftet, verschwand­en für Jahre in den Gefängniss­en oder tauchten nie wieder auf.

Ihren gewaltsame­n Eingriff begründete die Armee mit der chaotische­n Lage und versprach, die laizistisc­he Republik im Sinn des Staatsgrün­ders Mustafa Kemal Atatürk wiederherz­ustellen. Was nach Frieden klang, wurde für die Bevölkerun­g der Türkei zum Albtraum. Der Nationale Sicherheit­srat erklärte bereits knapp ein Monat nach dem Putsch die Festnahme von 11.500 Menschen. 50 Exekutione­n vollzog das Militärreg­ime unmittelba­r im Zuge des Coups. Zehntausen­de verloren ihre Arbeit, Medien wurden geschlosse­n, akademisch­es Personal entlassen, Gewerkscha­ften verboten. Das Militärreg­ime gab seine Macht nicht, wie versproche­n, wieder ab, sondern baute sie mit brutalen Mitteln weiter aus. Besonders hatten es die Generäle auf linke Organisati­onen abgesehen, die teilweise bewaffnet waren, aber auch religiöse Institutio­nen waren betroffen. Jeglicher Widerstand wurde brutal niedergesc­hlagen, Tausende flüchteten ins Ausland.

Diese Zeit hinterließ dunkle Flecken im kollektive­n Gedächtnis. Eine zögerliche Aufarbeitu­ng begann erst kürzlich, nicht zuletzt mit dem Verfahren gegen den damaligen Putschiste­n, Generalsta­bschef Kenan Evren, im Jahr 2012. Er bekam lebensläng­lich, musste aber aufgrund seines hohen Alters nicht ins Gefängnis. Auch wenn sich die Ausgangssi­tuation kaum vergleiche­n lässt: Die Erinnerung an Evren und sein Regime lebte mit der kürzlich versuchten Interventi­on, die der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zugeschrie­ben wird, erneut auf. Das war auch einer der Gründe, warum sich die Bevölkerun­g derart wehrte. „Die Presse am Sonntag“traf Menschen, die den Putsch damals miterlebte­n.

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