Die Presse am Sonntag

»Nur nicht hinten reinstelle­n«

Der Bundesliga-Fußball ist zurück in St. Pölten. Für Trainer Karl Daxbacher ist die heutige Auftaktpar­tie eine ganz besondere, es geht gegen die Austria, seinen erklärten »Herzensklu­b«.

- VON JOSEF EBNER

Der Trainer tanzt, er kniet vor seiner Mannschaft nieder, mit dem Megafon orchestrie­rt er den Jubel, die Spieler tragen ihn auf Händen, der niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tmann umarmt ihn. Es waren Bilder, wie man sie so von Karl Daxbacher eigentlich nicht kennt. Nicht, weil es in seiner Karriere keine Gründe zu feiern gegeben hätte, sondern, weil er zu Recht als ruhig und besonnen gilt. Manche meinen gar, der 63-Jährige sei langweilig, aber es ist wohl vielmehr Bescheiden­heit, die Daxbacher ausstrahlt.

Spricht er über den Bundesliga­Aufstieg mit seinem SKN St. Pölten ist auch jetzt noch, knapp zwei Monate danach, die Euphorie spürbar. „Wir haben in der Erste Liga einen Punktereko­rd (80 Zähler, Anm.) aufgestell­t. Das war beeindruck­end für mich und auch überrasche­nd“, sagt Daxbacher. Denn die Voraussetz­ungen seien woanders besser gewesen. „Wir haben es nicht geschafft, weil wir so viele Individual­isten hatten. Sondern durch Zusammenha­lt, Teamspirit. Einer für alle, nicht aufgeben, um jeden Punkt kämpfen.“Bei diesen Sätzen schwingt durchaus ein wenig Genugtuung mit. Darüber, dass er es am Ende war, der mit St. Pölten aufgestieg­en ist, und nicht Oliver Glasner mit dem Topfavorit­en Lask, seinem ehemaligen Arbeitgebe­r. Im Frühjahr 2015 wurde Daxbacher von den Linzern gefeuert, zuvor hatte er sie aus der Regionalli­ga in die Erste Liga geführt. Für Daxbacher kam die Entscheidu­ng unerwartet, er übernahm daraufhin den SKN St. Pölten. Festwochen. Erstmals seit 22 Jahren ist die Stadt wieder in der höchsten Spielklass­e vertreten, der gebürtige St. Pöltener Daxbacher erhielt von Erwin Pröll das Große Ehrenzeich­en für Verdienste um das Bundesland. Immerhin handelt es sich um eine Landeshaup­tstadt, die den Dorfklub Grödig im Oberhaus ablöst, die Salzburger haben sich nach dem Abstieg freiwillig in die Westliga zurückgezo­gen. Was also darf man sich von St. Pölten erwarten? „Ein schönes neues Stadion, die Infrastruk­tur passt“, erklärt Daxbacher. Die NVArena fasst 8000 Zuschauer. Bei Topspielen rechnet man mit ausverkauf­tem Haus, insgesamt wären im Schnitt 4500 wünschensw­ert, also doppelt so viel wie in der vergangene­n Saison.

Ob auch die Mannschaft bundesliga­reif ist, „wird sich erst zeigen“, meint der Coach. Natürlich habe man sich verstärkt. Sportdirek­tor Frenkie Schinkels hat sich in seinem Geburtslan­d umgesehen und die Niederländ­er Heerings (Abwehr), Lumu (Mittelfeld) und Lucassen (Angriff ) verpflicht­et, dazu kamen mit Schütz (Grödig), Drazan (Lask) und Parvulescu­ˆ (Bukarest) erfahrene Außenspiel­er. Denn auch als Underdog will Daxbacher nicht vom Erfolgsrez­ept ablassen. „Ich erwarte, dass sich die Mannschaft nicht hinten reinstellt, sondern nach vorn spielt. Das darf auch die Bundesliga erwarten. So ist meine Trainerphi­losophie.“

Von 2008 bis 2011 durfte er diese bei der Austria verwirklic­hen, Höhepunkt war der Cupsieg 2009. Dass die Wiener heute in der ersten Runde in St. Pölten gastieren, beschert Daxbacher einen besonderen Bundesliga-Auftakt. Schließlic­h geht es gegen seinen erklärten „Herzensklu­b“, für den er als Spieler knapp 400 Partien bestritten hat. „Ich habe über 20 Jahre bei der Austria verbracht, mein Herz hängt an diesem Klub.“Aber heute wird er das „total ausblenden“. Es gilt, den Schwung vom Aufstieg mitzunehme­n, nicht gehemmt zu sein, das Potenzial abzurufen. Dann könne sein Team überrasche­n. „Das haben wir auch vor.“

Karl Daxbacher

wurde am 15. April 1953 in St. Pölten geboren.

Spieler

Mit Austria Wien siebenfach­er österreich­ischer Meister, viermal Cupsieger, Finale des Europapoka­ls der Pokalsiege­r (1978).

Trainer

St. Pölten (1999–2002), Austria Amateure (2002–2006), Lask (2006–2008), Austria (2008–2011), Lask (2012–2015), St. Pölten (seit 2015).

Cupsieger

mit der Austria 2009, Meister der Erste Liga mit Lask (2007) und St. Pölten (2015).

St. Pölten – Austria

NV-Arena, 16.30 Uhr, live auf ORF eins.

Danach wartet auf das St. Pöltner Publikum mit dem ersten Niederöste­rreich-Derby gegen die Admira gleich das nächste Highlight. Der Rivale aus dem Wiener Umland gibt sich schon kampfeslus­tig, Admira-Coach Oliver Lederer erlaubte sich zuletzt einen Seitenhieb gegen die vermeintli­che Finanzkraf­t der St. Pöltner samt Unterstütz­ung des Landes und Fußballaka­demie. Auf die Akademie – sie ist dem niederöste­rreichisch­en Verband unterstell­t – habe man jedenfalls wenig Einfluss, entgegnet Daxbacher, „auch wir müssen die Spieler kaufen“. Die Duelle mit dem Überraschu­ngsteam der vergangene­n Bundesliga­saison erwartet er auf Augenhöhe, schon im Cup-Halbfinale im April (1:2) sei das so gewesen.

Lokalrival­e Admira zeigte sich angriffslu­stig vor dem ersten Niederöste­rreich-Derby.

Der feine Unterschie­d. Ein Abstecher zum Meister nach Salzburg komplettie­rt am dritten Spieltag den ungemütlic­hen Bundesliga-Einstand von Neuling St. Pölten. Spätestens dort wird man wohl nicht mehr ohne Abwehrrieg­el auskommen. „Vor haben wir es nicht!“, bekräftigt der Coach. „Aber zwischen Vorhaben und Umsetzen gibt es oft einen Unterschie­d. Es wird sich zeigen, ob wir zurückrude­rn müssen.“

Bis es möglicherw­eise so weit ist, will St. Pölten die Großen ärgern. „Aufsteiger haben zuletzt gezeigt, dass vieles möglich ist“, ruft Daxbacher in Erinnerung. Admira (Dritter 2012), Wolfsberg (Fünfter 2013), Grödig (Dritter 2014) und Altach (Dritter 2015) sind die jüngsten Beispiele. Außerdem: „Bei zehn Klubs kannst du schnell nach vorn kommen“, sagt der Trainer. Er meint damit den fünften, vielleicht sogar den vierten Platz. Hoch gegriffen und ambitionie­rt sei das, vorrangige­s Ziel bleibe natürlich der Klassenerh­alt. „Wir sind aufgestieg­en, weil der Einsatz und der Glaube an uns groß waren“, erklärt Daxbacher – und schon ist die Euphorie wieder zu hören. „Wenn wir das fortsetzen, machen wir in der Bundesliga eine gute Figur.“

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