Die Welt und ich: Frauen auf Soloreise
Das Reisen war lange eine Männerdomäne. Frauen, die ohne Begleitung die Welt entdeckten, wurden kritisiert. Heute gehen Frauen selbstverständlich allein auf Reisen, wenn es sein muss, fahren sie sogar solo in die Flitterwochen. Seit Kurzem brechen mehr Fr
Eigentlich hatten wir gedacht, dass die Zeiten vorüber seien. In denen Frauen, die allein reisen, für verrückt oder egozentrisch erklärt werden. Jahrhundertelang waren Abenteurerinnen eine Ausnahmeerscheinung. Wenn Frauen doch allein unterwegs waren, wurden sie insbesondere von Männern diffamiert. Vor allem im späten 19. Jahrhundert, als im Zuge des europäischen Kolonialismus Forschungsreisen in Mode kamen, begannen immer mehr Frauen, wie die Österreicherin Ida Pfeiffer, die Welt zu entdecken. Aber noch Anfang der 1990er-Jahre zeigten filmische Geschichten wie das Roadmovie „Thelma und Louise“, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn Frauen auf Reisen gehen, wie die US-amerikanische Feministin Gloria Steinem in ihrem soeben erschienen Buch „My Life on the Road“erläutert.
Heute sind Frauen, die allein reisen, nicht die Ausnahme, sondern beinahe die Regel. Vielreisende und Weltenbummler sind es gewohnt, an den ausgefallensten Plätzen der Erde Frauen auf Solopfaden zu begegnen. Zahlen bestätigen das: Frauen sind heute sogar öfter allein unterwegs als Männer. So hat der Reiseanbieter G Adventures festgestellt, dass die Anzahl an Soloreisenden seit 2008 insgesamt enorm gestiegen ist, angeblich um 134 Prozent. Und mit 65 Prozent aller Soloreisenden sind Frauen sogar in der Überzahl. Das entspricht einem Anstieg von 150 Prozent in fünf Jahren. Boarding: Ladies only! Der Wienerin Marisa Mühlböck, selbst passionierte Alleinreisende, ist diese Entwicklung in den vergangenen Jahren aufgefallen. Die 38-jährige studierte Wirtschaftswissenschaftlerin war Beraterin in der PRAgentur Pleon Publico und leitete die Julius-Raab-Stiftung in Wien. Nun macht sie sich mit einem Digitalprojekt selbstständig. Sie will Frauen, die allein reisen, auf der Internetplattform Sue met Lin vernetzen. Der Name verrät erst beim genauerem Hinhören, worum es geht: Zwei Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen (Sue und Lin) treffen oder trafen (met) einander irgendwo auf der Welt.
Noch ist das Produkt in der Testphase, Interessierte können sich aber auf der Webseite www.suemetlin.com bereits registrieren und das Angebot testen. Dort prangt gut sichtbar ein Hinweis mit der Aufschrift: „Boarding: Ladies only“, und das kommt so: „Die Plattform soll wirklich nur reisende Frauen vernetzen. Nicht weil Männer nicht lustig sind, sondern weil es sonst wieder auf Dating hinausläuft“, erklärt Mühlböck. Genau darum soll es nicht gehen, dafür gibt es Angebote wie Tinder. Derzeit werden solche Dating-Apps zwar gerade auch von Reisenden genutzt, um in fremden Gegenden Gleichgesinnte oder Einheimische zu finden, aber niemand garantiert einem, dass das Gegenüber die Kontaktanbahnung nicht doch wieder für einen Flirt oder mehr nützen will.
Wer allein reist, will eben keine Kompromisse mehr eingehen, so wie man das mit einem Reisepartner tun würde. Dennoch sind manche Dinge einfacher, günstiger und sicherer zu zweit. Sue met Lin soll dabei helfen, Mitfahrgelegenheiten zu finden, jemanden, der mit einem die Surflehrerstunde teilt oder Einheimische, die einem bei der Suche nach dem richtigen Arzt oder der besten Bar helfen.
»Eine Frau allein auf Reisen wird oftmals als defizitär dargestellt.«
Das S-Wort. Wenn man über alleinreisende Frauen spricht, streift man sehr schnell das berühmte S-Wort. S wie Sicherheit. Obwohl auch Solomänner unterwegs nicht vor Diebstählen oder anderen Verbrechen gefeit sind, gelten Frauen immer noch als schutzbedürftiger. In gewissen Ländern und Städten ist natürlich vor allem für Frauen mehr Vorsicht geboten, bestimmte Sicherheitsvorkehrungen sind dann genauso unerlässlich wie die richtigen Impfungen. Dennoch überrascht es, wie weitverbreitet veraltete Denkmuster immer noch sind. Wenn Frauen selten, aber doch auf Reisen etwas passiert, werden sie immer noch häufig selbst dafür ver- antwortlich gemacht. Das ist wie mit dem zu kurzen Rock bei sexuellen Übergriffen. Erst Mitte Juni wurde der Fall einer 22-jährigen Niederländerin bekannt, die sich plötzlich in Katar im Gefängnis wiederfand. Sie hatte eine Vergewaltigung angezeigt und fand sich schließlich, wie der mutmaßliche Täter auch, in Haft wieder. Der Vorwurf: außerehelicher Geschlechtsverkehr.
Oder die Geschichte der argentinischen Freundinnen Mar´ıa Jose´ Coni und Marina Menegazzo. Sie reisten im vergangenen Winter durch Südamerika und wurden Ende Februar in Ecuador tot an einem Strand gefunden. Zwei Männer hatten ihnen offenbar einen Schlafplatz angeboten, sie dann aber sexuell missbraucht und erstochen. Die Öffentlichkeit warf schließlich den Toten vor, sich überhaupt auf die Reise begeben zu haben. Eine Studentin aus Paraguay trat daraufhin mit einem offenen Brief im Namen der getöteten Mädchen („Gestern wurde ich umgebracht. (...) Aber schlimmer als der Tod war die Demütigung danach.“) eine große Welle der Solidarität los. Tausende junge Frauen, aber auch Männer posten seither ihre Reiseerfahrungen unter dem Hashtag viajosola – in sozialen Netzwerken.
Auch Marisa Mühlböck ist aufgefallen, dass die Berichterstattung über alleinreisende Frauen schnell hämischkritisch wird. „Eine Frau allein auf Reisen wird oftmals als defizitär dargestellt.“Sie hat gemeinsam mit dem Zukunftsinstitut ein Studienprojekt initiiert, für das sie Dutzende Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 60 über ihre Reisemotivation befragt hat. Ichreisealleine Soloreise als Kompromiss. Mühlböck sagt, dass man heute nicht mehr von bestimmten Reisetypen sprechen kann, sondern von Lebensphasen. Vier davon hat sie ausgemacht: In der Phase der Postadoleszenz, zwischen Anfang 20 und Anfang 30, reisen junge Frauen, um sich vom Elternhaus zu emanzipieren und die Welt zu entdecken. „Das Alleinreisen wird hier zu einem Medium für einen Reifungsprozess.“Zwischen Anfang 30 und bis Anfang 50 wird Alleinreisen als Entschleunigung oder Belohnung nach Phasen intensiver Arbeits- und/oder Kindererziehungszeit genutzt. Oder die Soloreise entsteht aus