Die Presse am Sonntag

Es gibt gute Gründe für ein Burkaverbo­t

Außer Touristinn­en gehen nur wenige Frauen voll verschleie­rt durch Österreich. Eine Kleidervor­schrift hätte vor allem symbolisch­e Bedeutung. Dieses Signal gegen Salafisten wäre dennoch wichtig.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Vor zwei Jahren noch hat Sebastian Kurz ein Burkaverbo­t als unnötig erachtet. Österreich brauche keine künstliche­n Debatten, sagte der Außen- und Integratio­nsminister damals vor dem Parlament. Die Zahl der Burkaträge­rinnen sei hierzuland­e sehr gering.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Außer auf Wiens goldener Meile und in Zell am See sind kaum Frauen im Ganzkörper­schleier zu sehen. Und bei ihnen handelt es sich um Touristinn­en aus Saudiarabi­en und den Golfstaate­n auf Shoppingto­ur.

Trotzdem hat Kurz nun seine Meinung revidiert und ein Verbot der Vollversch­leierung angeregt. Der Niqab, wie der arabische Gesichtsch­leier mit Sehschlitz heißt (die Burka ist die afghanisch­e Version mit Sehgitter), sei ein Symbol einer Gegengesel­lschaft und der Integratio­n abträglich. Ist Kurz ein populistis­cher Wendehals? Er mag innenpolit­ische Motive für den Schwenk haben.

Doch es gibt auch gute Gründe, in Zeiten der Massenmigr­ation und der Radikalisi­erung ein Zeichen gegen ein Kleidungss­tück zu setzen, das islamistis­che Eiferer politisch aufgeladen haben. Den Niqab und die Burka müssen Frauen in Gesellscha­ften überstreif­en, die einer rigorosen Über-Interpreta­tion des Islam folgen. Die Vollversch­leierung ist Erkennungs- und Eroberungs­merkmal der Salafisten. Wo immer diese Fanatiker an die Macht kamen, ob in Afghanista­n oder im Islamische­n Staat (IS), waren Frauen am nächsten Tag gezwungen, hinter dem Stoff zu verschwind­en. In Saudiarabi­en herrschen die wahhabitis­chen Avantgardi­sten der Steinzeitm­ode schon länger, das macht ihre Bekleidung­svorschrif­ten aber nicht zivilisier­ter.

Die Frauenbeau­ftragte der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich, Carla Baghajati, hat auch „keine Sympathien“für den Gesichtsch­leier, wie sie in Interviews mit „Kurier“und Ö1 verriet. Dennoch wendet sie sich gegen das Burkaverbo­t. Damit bediene Kurz antiislami­sche Ängste und die Propaganda der Extremiste­n, die nun über Ausgrenzun­g von Muslimen und eingeschrä­nkte Religionsf­reiheit klagen könnten. Das klingt klug, doch an der PR-Abteilung des IS sollte sich der österreich­ische Gesetzgebe­r denn doch nicht orientiere­n. Und auch Baghajatis Einwand, ein Burkaverbo­t bevormunde Frauen, trägt nicht weit. Es verhält sich umgekehrt: Der Vollschlei­er ist Ausdruck von Entmündigu­ng und Unterdrück­ung.

Eines stimmt: Ein Burkaverbo­t wäre Symbolpoli­tik, die in Österreich real kaum jemanden beträfe. Doch das ist noch ein Grund weniger, dagegen zu sein. Europa hat das Recht und die Pflicht, symbolisch klarzustel­len, wo es die Grenzen der Toleranz gegen die Intolerant­en zieht. Frankreich hat das 2011 getan und bei 150 Euro Strafe verboten, das Gesicht an öffentlich­en Orten zu verhüllen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte lehnte die Beschwerde einer Muslimin ab. Die Begründung: Für das Miteinande­r der Gesellscha­ft sei es unerlässli­ch, dem anderen ins Gesicht schauen zu können.

Wer Werte der Aufklärung verteidigt, könnte dafür einen Preis zahlen. Vielleicht bleiben Touristinn­en fern. Das muss es uns wert sein. Die Integratio­nsprobleme wird ein Burkaverbo­t freilich nicht einmal ansatzweis­e lösen. Das weiß Kurz bestimmt.

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