Vor dem Fegefeuer
Ivo liegt im Sterben – und erinnert sich im Hospiz Körperteil für Körperteil an die Fehler seines Lebens. Ein behutsam-starkes Debüt aus England. Der Kritiker des „Guardian“hat dafür ein eigenes Genre erfunden: „Heavylight“nennt er diese Form kluger, ein bisschen sentimentaler Prosa, in der die Schrecklichkeiten des Lebens ein ansprechendes, oft witziges Buch ergeben. Wie in David Nicholls’ „Zwei an einem Tag“. Oder wie in James Hannahs Debütroman: „Das Alphabet der letzten Dinge“.
Ivo ist Mitte 40 und liegt im Hospiz im Sterben. Zum Glück gibt es Krankenschwester Sheila, an die sich Ivo (und der Leser) im Lauf der Zeit immer wieder klammern kann. Sheila hat Ivo nun also geraten, sich mit dem Alphabetspiel abzulenken. Zu jedem Buchstaben ein Körperteil samt zugehöriger Erinnerung . . . Ivo beginnt harmlos, mit dem Adamsapfel, aber bald ist man bei Bauch und Blut, Lippen und Rippen und mittendrin in einem Leben, das man nun, am Ende, gut und gern als verpfuscht bezeichnen kann. Zumal Ivo für das frühe Ende durchaus mitverantwortlich ist.
Körperteil für Körperteil taucht man tiefer in seine Vergangenheit, erfährt vom frühen Tod des Vaters, vom ersten Auftauchen seines Freundes Mal und dessen maliziösem Einfluss, zumal Mal später auch noch der Lebensgefährte Ivos Schwester wird. Und dann sind da noch Mia und die Frage, ob man sich zwischen Familie, Freunden und Liebe entscheiden kann und muss – und was die Konsequenzen sind. Währenddessen vergeht die Zeit im Hospiz, und auch hier zeigt sich Hannahs stilistisches Können. Am Ende ist auch der Leser schwach, aber bereit. James Hannah: „Das Alphabet der letzten Dinge“, übersetzt von Eva Bonn´e, Eichborn Verlag, 288 Seiten, 18,50 Euro.