Die Presse am Sonntag

Wenn Kinder vegan ernährt werden

Gesun© o©er einseitig? Die FrŻge, oã mŻn Kin©er rein pflanzlich ern´hren ©Żrf, ãeŻntworte­n Experten mit einem »Nein, Żãer.« ProãlemŻti­sch ist es, Żuf ©en Tren© Żufzusprin­gen un© wenig Wissen um ©ie spezielle Ern´hrungsweis­e zu hŻãen.

- VON KARIN SCHUH

Essen ist Emotion. Und zwar nicht nur der Akt des Essens an sich, sondern auch der Umgang damit. Versuchen Sie einmal am Stammtisch des Schnitzelw­irts, eine vegane Speise zu bestellen. Oder aber einem Veganer zu erklären, dass Blutwurst Ihre Leibspeise ist. Nicht so einfach. Es wird meist hitzig diskutiert, sehr oft sehr emotional, und es entsteht schnell der Eindruck, dass es um viel mehr als nur um Essen geht. Es geht um eine Weltanscha­uung.

Das betrifft nicht nur Veganer, denen gern unterstell­t wird, dass sie sich für etwas Besseres, zumindest aber etwas Besonderes halten. Wer sie allerdings verurteilt, muss sich den Vorwurf der Intoleranz gefallen lassen. Denn was jemand isst, sollte doch zu den persönlich­en Entscheidu­ngen gehören, die jeder für sich selbst trifft.

Problemati­sch wird es, wenn Kinder im Spiel sind. Und zwar Kleinkinde­r, die eben noch nicht selbst entscheide­n können, was sie essen und wie sie leben wollen. Dann wird die Emotionali­tät bei Diskussion­en verständli­cherweise noch etwas heftiger. Wie zuletzt, bei jenem tragischen Fall eines einjährige­n italienisc­hen Kindes, das wegen einer einseitige­n veganen Ernährung mit einem Herzdefekt in einem Spital operiert werden musste. Das Kind war stark unterernäh­rt. Der Richter entzog den Eltern das Sorgerecht und übergab es seinen Großeltern.

Ein tragischer Fall, der zeigt, dass man Kinder – selbst wenn es gut gemeint ist – auch mit der falschen Ernährung verwahrlos­en lassen kann. Und auf den das Gesetz entspreche­nd reagierte. Das hinderte allerdings die Politik nicht daran, sich des emotional stark aufgeladen­en Themas anzunehmen. Die opposition­elle Partei Forza Italia hat als Reaktion auf den Fall einen Gesetzesen­twurf eingebrach­t, der Haftstrafe­n für Eltern vorsieht, die Kinder unter 16 Jahren zu veganer Ernährung zwingen. Ohne näher auf die italienisc­he Rechtslage eingehen zu wollen, stellt sich hier die Frage, ob eine Gesetzesän­derung überhaupt notwendig ist – immerhin wird Verwahrlos­ung auch jetzt schon geahndet. Vielmehr macht das Beispiel deutlich, wie nahe uns das Thema geht. Kindesmiss­handlung. „Die politische Diskussion ist nicht notwendig. In solchen Fällen, wie jenem in Italien, handelt es sich ganz klar um Kindesmiss­handlung“, sagt dazu Karl Zwiauer, Leiter der Fachabteil­ung für Kinder- und Jugendheil­kunde des Universitä­tsklinikum­s St. Pölten, der vegane Ernährung bei Schwangere­n, stillenden Müttern, Säuglingen und Kleinkinde­rn für problemati­sch hält. „Völlig absurd“, findet hingegen die Veganerin Susanne Richter die Forderung nach Haftstrafe­n. „Was ist dann mit den Eltern, die ihren Kindern nur Fast Food geben?“, sagt die Grazerin, die auch ihre drei Kinder sowie ihre Haustiere vegan ernährt.

Fakt ist, dass Mediziner und Ernährungs­wissenscha­ftler vegane Ernährung für Stillende, Säuglinge und (Klein-)Kinder nicht empfehlen. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) spricht sich klar gegen eine vegane Ernährung bei Schwangere­n, Stillenden, Säuglingen, Kleinkinde­rn, Kindern und gar Jugendlich­en aus. Die Ernährungs­kommission der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde arbeitet gerade an einem Positionsp­apier, das zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Schon jetzt wird auch in Österreich von offizielle­r Seite eine vegane Ernährung für Kinder und Schwangere nicht empfohlen. Begründet wird das mit einer mangelnden Versorgung von Vitamin B12, Protein bzw. essenziell­en Aminosäure­n, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Mineralsto­ffen wie Kalzium, Eisen oder Jod.

Für die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Petra Rust von der Universitä­t Wien ist eine vegane Ernährung bei Kindern zwar möglich, erfordert aber „sehr, sehr viel Wissen“. Eltern müssen nicht nur um die richtige Kombinatio­n von Lebensmitt­elgruppen Bescheid wissen, sondern auch, dass etwa Vitamin B12 ergänzt werden muss. Ein Mangel an Vitamin B12 kann zu schweren neurologis­chen Schäden und kognitiven Defiziten führen. Vitamin D wird hingegen ohnehin allen Säuglingen zusätzlich gegeben. Die Versorgung mit anderen wichtigen Nährstoffe­n können Veganer zwar mit einem ausgewogen­en Speiseplan und Supplement­en ausgleiche­n, allerdings weißt Rust daraufhin, dass man Kinder mit einer auf diese Art eingeschrä­nkten Ernährung doch auch um Geschmacks­erfahrunge­n bringt. „Essen sollte ja auch ein Genuss sein. Es gibt Untersuchu­ngen, die zeigen, dass Kinder, deren Mütter sich schon in der Schwangers­chaft besonders abwechslun­gsreich ernährt haben, eher bereits sind, verschiede­ne Lebensmitt­el auszuprobi­eren, und auch mehr Obst und Gemüse essen“, sagt Rust.

Dass man offenbar schon im Mutterleib an Geschmäcke­r gewöhnt wird, kann die 39-jährige Veganerin Susanne Richter bestätigen. Sie ist aus ethischen Gründen seit 16 Jahren Veganerin. Ihr Mann, den sie auf einem Tierrechts­kongress kennengele­rnt hat, ernährt sich noch länger vegan. Da viele in ihrem Umfeld das auch so machen, war für beide von Anfang an klar, dass die drei Kinder (die heute zehn, acht und vier Jahre alt sind) auch vegan ernährt werden. Vitamin B12 wird bei der Familie mit einem Pulver zugeführt. „Da ich unsere Kinder sehr lang gestillt habe, haben sie das Pulver erst mit zwei, drei Jahren bekommen“, sagt Richter. Ein Bluttest habe bei ihr auch keinen Eisenmange­l attestiert – „obwohl ich seit zehn Jahren durchgehen­d stille.“

Eine vegŻne Ern´hrung ãringt Kin©er Żuch um eine größere GeschmŻcks­vielfŻlt.

 ?? HŻns-BernhŻr© Huãer/LŻif/ picture©esk.com ?? Vegane Ernährung wird spätestens dann hitzig diskutiert, wenn es um Kinder geht.
HŻns-BernhŻr© Huãer/LŻif/ picture©esk.com Vegane Ernährung wird spätestens dann hitzig diskutiert, wenn es um Kinder geht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria