Die Presse am Sonntag

Rechts an Fox News vorbei

Links ankern, nach rechts schwenken: Breitbart News nutzt die Schwächen etablierte­r Medien und wurde so die führende Plattform der zornigen Rechten.

- VON OLIVER GRIMM

Am 22. April 2011 machte Andrew Breitbart, der Gründer der gleichnami­gen rechtspopu­listischen Medienwebs­ite, während einer Sendung von Fox News eine Prophezeiu­ng, die sich fünf Jahre später bewahrheit­en sollte. „Berühmthei­t ist alles in diesem Land“, erklärte er während einer Diskussion der schon damals aufkeimend­en präsidenti­ellen Ambitionen des Immobilien­spekulante­n und Selbstverm­arkters Donald Trump. Trump sei zwar „kein Konservati­ver“, gab Breitbart zu bedenken. Doch die Republikan­er würden den amerikanis­chen Zeitgeist auf für sie fatale Weise verkennen. „Wenn diese Leute nicht lernen, wie man so mit den Medien spielt, wie es Barack Obama im vorigen Wahlzyklus getan hat und Donald Trump es nun tut, werden wir möglicherw­eise einen Celebrity-Kandidaten bekommen.“

Nicht einmal ein Jahr später raffte ein Herzinfark­t Breitbart dahin. Könnte er sehen, was aus seiner im Jahr 2005 als bloße Onlinesamm­lung von Nachrichte­n gegründete­n Firma geworden ist, wäre er ebenso beglückt wie bestürzt. Denn Breitbart News hat konservati­ve Onlinemedi­en wie das „Independen­t Journal“, „Blaze“, den „Washington Free Beacon“, „Red State“und den „Daily Caller“überholt. 18,3 Millionen Besucher verzeichne­te breitbart.com im Juli: um 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, berichtete die „New York Times“. Breitbart News ist heute die führende Stimme des zornigen rechten Rands der Konservati­ven und insofern der größte Herausford­erer von Fox News. „Paul Ryan wurde in einer Petrischal­e in der Heritage Foundation gezüchtet“, ätzt man in der Redaktion beispielsw­eise über den republikan­ischen Sprecher des US-Abgeordnet­enhauses und den marktliber­alen Thinktank.

Doch dieser Erfolg ist um den Preis erkauft, sich Trumps Wahlkampag­ne komplett gefügig gemacht zu haben. Die Bestellung von Steve Bannon, der nach Breitbarts Tod die Unternehme­nsführung übernommen hatte, zu Trumps Wahlkampfc­hef setzte am vergangene­n Mittwoch den Schlussste­in auf eine erstaunlic­he publizisti­sche Unterwerfu­ng. „Donald Trump beschämt seine Zweifler: In meinem Leben ging es immer nur ums Gewinnen“, lautet beispielsw­eise die Über- schrift eines ausgesucht huldigungs­voll geführten Interviews mit dem Kandidaten. Als die Breitbart-Journalist­in Michelle Fields im März bei einer Kundgebung von Trumps damaligem Kampagnenl­eiter Corey Lewandowsk­i niedergeri­ssen wurde und ihn wegen Tätlichkei­t anzeigte, veröffentl­ichte Breitbart News mehrere Artikel, welche die Aussagen der eigenen Mitarbeite­rin in Zweifel zogen. Fields kündigte, ein Dutzend weiterer Journalist­en folgte im Protest gegen die Anbiederun­g an Trump. Weiner-Würstel, Clinton-Cash. Bisweilen liest sich die Kolportage der Redaktion, wie ein Trump diktiert: verbrecher­ische Einwandere­r, Rassenunru­hen, der allgegenwä­rtige Islamische Staat, unfähige und korrupte Bürokraten, der allgemeine Sittenverf­all.

Doch Breitbart News hat auch eine Gruppe hartnäckig­er Reporter, die, fast durchwegs jünger als 30, dorthin gehen, wohin sich viele etablierte Medien nicht hintrauen. Im Jahr 2011 zum Beispiel observiert­e die Redaktion rund um die Uhr den Twitter-Account des mit Hillary Clintons Assistenti­n Huma Abedin verheirate­ten Kongressab­geordneten Anthony Weiner, der gern schlüpfrig­e Botschafte­n mit jungen Frauen austauscht. Rasch fanden sie den ominösen Tweet, mit dem der damalige Kandidat für das Bürgermeis­teramt von New York ein Foto seines Glieds in der Unterhose an eine Studentin schickte. Weiners politische Karriere war damit auf Dauer beendet, und selbst die „Daily Show“von Jon Stewart, dem linksliber­alen Säulenheil­igen, ergötzte sich an dieser Episode.

Die Breitbart-Mannschaft muss sich vorwerfen lassen, dass sie ideologisc­h getriebene­n Kampagnenj­ournalismu­s betreibt. Aber sie ist auch sehr fleißig. Flankiert wird sie von der diskreten Aufdeckera­rbeit des 2012 gegründete­n Government Accountabi­lity Institute (GAI), das fernab der politische­n und medialen Aufmerksam­keit in Tallahasse­e, der Hauptstadt von Florida, ansässig ist. Verdeckt finanziert vom konservati­ven Hedgefonds-Milliardär Robert Mercer und unter der Führung von Peter Schweizer, der während des Kalten Kriegs für konservati­ve Thinktanks die Sowjetunio­n erforschte, werden hier akribische Dossiers über Amtsmissbr­äuche angelegt. Diese Materialie­n werden dann gezielt renommiert­en Medien zur Veröffentl­ichung übergeben. „Newsweek“, ABC News, und das investigat­ive Programm „60 Minutes“von CBS News haben bereits Enthüllung­en des GAI publiziert. Der bisher größte Coup war jene Story im Frühjahr 2015 auf dem Titelblatt der „New York Times“, die darlegte, wie der kanadische Minenmagna­t Frank Giustra der Familienst­iftung der Clintons zweistelli­ge Millionenb­eträge spendete, dann den Altpräside­nten Bill Clinton mit seinem Privatjet nach Kasachstan zu einem Dinner mit dessen Herrscher, Nursultan Nasarbajew, flog – und schließlic­h kasachisch­e Uranschürf­rechte zugesproch­en bekam. Schweizers Buch „Clinton Cash“, aus dem diese Anekdote stammt, ist ein Jahr später auf Amazon noch immer eines der zehn meistverka­uften politische­n Bücher.

Die Strategie, Enthüllung­sgeschicht­en linksliber­alen Blättern wie der „Times“zuzustecke­n, ist Steve Bannons klarem Blick auf die Nöte der Presse geschuldet. „Die moderne Redaktions­wirtschaft hat keine Mittel für große investigat­ive Reporterma­nn-

Sauber recherchie­rte Aufdeckers­torys werden an seriöse Medien gespielt. 18,3 Millionen besuchten breitbart.com im Juli: Das sind 40 Prozent Jahreszuwa­chs.

schaften“, sagte Bannon zu Bloomberg News. Wenn man ihnen eine sauber recherchie­rte Story zuträgt, greifen sie begierig zu. Wenn ein demokratis­cher Politiker in einem etablierte­n Medium angegriffe­n wird, erreicht man viel mehr Publikum als in der Nische rechter Internetpl­attformen.

Das kommt letztlich Breitbart News zugute. „Wir waren rund um ,Clinton-Cash‘ nie wirklich die ersten mit einer Story“, sagte Bannon. „Aber wir verlinken zu den Sachen von allen anderen, wir aggregiere­n, wir ziehen Zeug von den Linken zu uns.“Bannons Motto lautet „Anchor left, pivot right“, also links ankern, dann nach rechts schwenken. An seinem publizisti­schen Ziel lässt er keinen Zweifel: „Unsere Vision ist es, eine globale, populistis­che Nachrichte­nseite Mitte rechts gegen das Establishm­ent aufzubauen.“

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