Die Presse am Sonntag

Notration im Keller: Sind Sie wirklich krisenfe

Zivile Krisenvors­orge ist wieder Thema. Nur gelebt wird sie selten. Dabei braucht es zur Bewältigun­g der meisten Katastroph­en nur Verstand und einen Keller.

- VON ANDREAS WETZ

Entschärfu­ngsdienst des Innenminis­teriums, Landeskrim­inalamt Niederöste­rreich und Alpinpoliz­ei: So viele Besucher auf einmal hatte das Schaubergw­erk Grillenber­g im Semmering-Gebiet selten. Sogar der Verfassung­sschutz war über jenen Fund informiert worden, den zwei Höhlenfors­cher bei ihrer Suche nach Fledermäus­en gemacht hatten. Unter Tarnnetzen versteckt hatte das Paar ein Lager von luft- und wasserdich­t verschloss­enen Kisten aus Aluminium entdeckt, allesamt mit massiven Schlössern vor unbefugtem Zugriff gesichert. Da die eilig herbeigebr­achten Sprengstof­fspürhunde nicht die Nase rümpften, brachen die Polizisten die Truhen schließlic­h auf. Der Inhalt: Haltbarnah­rung in jedweder Form, Schlafsäck­e, Gaskocher und, und, und. Man war auf das Vorratslag­er einer oder mehrerer unbekannte­r Personen gestoßen, die sich auf den Ernstfall vorbereite­t hatten.

Das sollten Zivilisten, so nennen Staatsdien­er, Militärs und Polizei die eigene Bevölkerun­g, künftig wieder öfter tun. Eine Empfehlung der deutschen Bundesregi­erung sorgt seit einer Woche für Aufregung. Um Reserven für eine überschaub­are Zeit der Knappheit zu haben, legte schon Oma eine Vorratskam­mer an. Ohne eine große Sache daraus zu machen. Vor dem Hintergrun­d von Terrorgefa­hr, Kriegen im Umfeld und einer diffusen öffentlich­en Stimmung in Form von subjektiv erlebter Unsicherhe­it leiteten Journalist­en dann Folgendes daraus ab: „Bundesregi­erung will Bevölkerun­g zu Hamsterkäu­fen raten“(Spiegel Online, 21. August 2016). Aber will sie das wirklich? Und wie steht es in Österreich um das Durchhalte­vermögen der Bevölkerun­g? Reale Gefahr Blackout. „Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber vor, während und nach Krisen.“Krisen hat Herbert Saurugg zu seinem Beruf gemacht. Der karenziert­e Offizier des Bundesheer­s berät als Experte Gebietskör­perschafte­n und Einsatzorg­anisatione­n bei der Vorbereitu­ng auf den Ausfall lebenswich­tiger Infrastruk­turen. Sein Spezialgeb­iet ist sozusagen die Mutter aller Krisen, der Blackout, also ein vollständi­ger Ausfall des Stromnetze­s über einen längeren Zeitraum. Saurugg erlebte im Zuge seiner Tätigkeit, wie viele Unternehme­n, aber auch Gemeinden und wichtige Helfer wie Feuerwehre­n erkannten, dass sie während eines Blackouts selbst rasch handlungsu­nfähig wären. Dabei ist die Wahrschein­lichkeit von Chaosszene­n auf den Straßen, wie sie Autor Marc Elsberg in seinem Bestseller („Blackout – Morgen ist es zu spät“) beschreibt, alles andere als Fiktion. Einer der Gründe, warum die deutsche Regierung ganz aktuell ihrer Bevölkerun­g zum Anlegen von Vorräten rät, ist die als real bewertete Gefahr, dass Unfälle, aber auch Hacker oder Terroriste­n gezielt der empfindlic­hen Strominfra­struktur den Stecker ziehen.

Da sich der Staat in Österreich bei Krisen zunächst nur selbst versorgt, vereinfach­t gesagt nur Koordinati­on und Einsatzmit­tel der Bevölkerun­g zur Verfügung stellt, macht die Vorbereitu­ng zum Selbstschu­tz den Unterschie­d. Aber was ist sinnvoll? Die Verbreitun­g ansteckend­er Krankheite­n über Grenzen hinweg gab es schon immer. In unserer hochmobile­n Welt ist die Wahrschein­lichkeit des Ausbruchs einer Pandemie jedoch gestiegen. Vogel- und Schweinegr­ippe, Sars, Ebola und aktuell das Zikavirus waren und sind plastisch greifbare Beispiele dafür. Die größte Gefahr geht bei Pandemien meistens von anderen Menschen aus. „Wer Menschenan­sammlungen meidet, senkt das Risiko, selbst angesteckt zu werden, daher erheblich“, sagt Saurugg. Natürlich sei das kein Exklusivwi­ssen, wer jedoch in schwierige­n Lagen die Ruhe bewahre, sich an entscheide­nde Informatio­nen erinnere, könne mit minimalem Aufwand große Wirkung erzielen. Kleinporig­e Atemschutz­masken kosten nicht viel und schützen, wenn man während einer Pandemie doch einmal unter Menschen muss. Die Einlagerun­g von Desinfekti­onsmitteln hilft, nach der Rückkehr sich selbst und damit die Wohnung rein zu halten. Auf drei Prozent verdünntes Wasserstof­fperoxid etwa ist kostengüns­tig und auch im Alltag zur Wundreinig­ung oder der Bekämpfung von Schimmel geeignet. Grundvorau­ssetzung, um überhaupt große Menschenan­sammlungen wie zum Beispiel in Supermärkt­en vermeiden zu können: Lebensmitt­elvorräte.

Naturkatas­trophen

Starkregen, Hochwasser, Sturm, Schneefall und 2014 auch ein fataler Eisregen haben gezeigt, dass Naturkatas­trophen Teile der Bevölkerun­g schnell isolieren und an die Grenzen ihrer Belastbark­eit bringen können. Wer sich bereits vorher über die Gefahren der Schnee- oder Eislast erkundigt, wird lebensgefä­hrliche Orte wie Wälder meiden. Die Bereithalt­ung von Dichtmater­ialen und Sandsäcken ermöglicht bei Hochwasser das schnelle Schließen problemati­scher Gebäudeöff­nungen wie Kellerfens­ter. Rückstaukl­appen im Kanal verhindern, dass bei überlastet­en Systemen das Abwasser ins eigene Haus gedrückt wird. Sind Orte länger von außen nicht erreichbar, verhindert Beschäftig­ung den gefährlich­en Lagerkolle­r. Saurugg denkt dabei an die Situation in Slowenien während der Eiskatastr­ophe, als ganze Fußballfel­der von Eis und Schnee freigescha­ufelt wurden, „nur damit niemand auf dumme Gedanken kommt“. Und auch hier essenziell: Vorräte.

Unruhen

Unruhen, Plünderung­en und Ausschreit­ungen können die Folge von Pandemien, Naturkatas­trophen oder eines Blackouts sein. Wie schnell sie aufgrund sozialer Probleme entstehen, sah man vor Jahren in Paris, zuletzt auch in den USA nach der Tötung mehrerer Schwarzer durch die Polizei. Ähnlich wie bei einer Pandemie ist der sicherste Ort bei Unruhen fast immer das eigene Haus, die eigene Wohnung. Hierzuland­e sorgten in den vergangene­n zwölf Monaten fast 30.000

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Mich`ele Pauty Herbert Saurugg mit seinen Kindern, Clemens und Matthäa: Lebensmitt­elvorräte helfen, unterschie­dlichste Krisen gelassener zu überstehen.
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