Notration im Keller: Sind Sie wirklich krisenfe
Zivile Krisenvorsorge ist wieder Thema. Nur gelebt wird sie selten. Dabei braucht es zur Bewältigung der meisten Katastrophen nur Verstand und einen Keller.
Entschärfungsdienst des Innenministeriums, Landeskriminalamt Niederösterreich und Alpinpolizei: So viele Besucher auf einmal hatte das Schaubergwerk Grillenberg im Semmering-Gebiet selten. Sogar der Verfassungsschutz war über jenen Fund informiert worden, den zwei Höhlenforscher bei ihrer Suche nach Fledermäusen gemacht hatten. Unter Tarnnetzen versteckt hatte das Paar ein Lager von luft- und wasserdicht verschlossenen Kisten aus Aluminium entdeckt, allesamt mit massiven Schlössern vor unbefugtem Zugriff gesichert. Da die eilig herbeigebrachten Sprengstoffspürhunde nicht die Nase rümpften, brachen die Polizisten die Truhen schließlich auf. Der Inhalt: Haltbarnahrung in jedweder Form, Schlafsäcke, Gaskocher und, und, und. Man war auf das Vorratslager einer oder mehrerer unbekannter Personen gestoßen, die sich auf den Ernstfall vorbereitet hatten.
Das sollten Zivilisten, so nennen Staatsdiener, Militärs und Polizei die eigene Bevölkerung, künftig wieder öfter tun. Eine Empfehlung der deutschen Bundesregierung sorgt seit einer Woche für Aufregung. Um Reserven für eine überschaubare Zeit der Knappheit zu haben, legte schon Oma eine Vorratskammer an. Ohne eine große Sache daraus zu machen. Vor dem Hintergrund von Terrorgefahr, Kriegen im Umfeld und einer diffusen öffentlichen Stimmung in Form von subjektiv erlebter Unsicherheit leiteten Journalisten dann Folgendes daraus ab: „Bundesregierung will Bevölkerung zu Hamsterkäufen raten“(Spiegel Online, 21. August 2016). Aber will sie das wirklich? Und wie steht es in Österreich um das Durchhaltevermögen der Bevölkerung? Reale Gefahr Blackout. „Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber vor, während und nach Krisen.“Krisen hat Herbert Saurugg zu seinem Beruf gemacht. Der karenzierte Offizier des Bundesheers berät als Experte Gebietskörperschaften und Einsatzorganisationen bei der Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastrukturen. Sein Spezialgebiet ist sozusagen die Mutter aller Krisen, der Blackout, also ein vollständiger Ausfall des Stromnetzes über einen längeren Zeitraum. Saurugg erlebte im Zuge seiner Tätigkeit, wie viele Unternehmen, aber auch Gemeinden und wichtige Helfer wie Feuerwehren erkannten, dass sie während eines Blackouts selbst rasch handlungsunfähig wären. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit von Chaosszenen auf den Straßen, wie sie Autor Marc Elsberg in seinem Bestseller („Blackout – Morgen ist es zu spät“) beschreibt, alles andere als Fiktion. Einer der Gründe, warum die deutsche Regierung ganz aktuell ihrer Bevölkerung zum Anlegen von Vorräten rät, ist die als real bewertete Gefahr, dass Unfälle, aber auch Hacker oder Terroristen gezielt der empfindlichen Strominfrastruktur den Stecker ziehen.
Da sich der Staat in Österreich bei Krisen zunächst nur selbst versorgt, vereinfacht gesagt nur Koordination und Einsatzmittel der Bevölkerung zur Verfügung stellt, macht die Vorbereitung zum Selbstschutz den Unterschied. Aber was ist sinnvoll? Die Verbreitung ansteckender Krankheiten über Grenzen hinweg gab es schon immer. In unserer hochmobilen Welt ist die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer Pandemie jedoch gestiegen. Vogel- und Schweinegrippe, Sars, Ebola und aktuell das Zikavirus waren und sind plastisch greifbare Beispiele dafür. Die größte Gefahr geht bei Pandemien meistens von anderen Menschen aus. „Wer Menschenansammlungen meidet, senkt das Risiko, selbst angesteckt zu werden, daher erheblich“, sagt Saurugg. Natürlich sei das kein Exklusivwissen, wer jedoch in schwierigen Lagen die Ruhe bewahre, sich an entscheidende Informationen erinnere, könne mit minimalem Aufwand große Wirkung erzielen. Kleinporige Atemschutzmasken kosten nicht viel und schützen, wenn man während einer Pandemie doch einmal unter Menschen muss. Die Einlagerung von Desinfektionsmitteln hilft, nach der Rückkehr sich selbst und damit die Wohnung rein zu halten. Auf drei Prozent verdünntes Wasserstoffperoxid etwa ist kostengünstig und auch im Alltag zur Wundreinigung oder der Bekämpfung von Schimmel geeignet. Grundvoraussetzung, um überhaupt große Menschenansammlungen wie zum Beispiel in Supermärkten vermeiden zu können: Lebensmittelvorräte.
Naturkatastrophen
Starkregen, Hochwasser, Sturm, Schneefall und 2014 auch ein fataler Eisregen haben gezeigt, dass Naturkatastrophen Teile der Bevölkerung schnell isolieren und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen können. Wer sich bereits vorher über die Gefahren der Schnee- oder Eislast erkundigt, wird lebensgefährliche Orte wie Wälder meiden. Die Bereithaltung von Dichtmaterialen und Sandsäcken ermöglicht bei Hochwasser das schnelle Schließen problematischer Gebäudeöffnungen wie Kellerfenster. Rückstauklappen im Kanal verhindern, dass bei überlasteten Systemen das Abwasser ins eigene Haus gedrückt wird. Sind Orte länger von außen nicht erreichbar, verhindert Beschäftigung den gefährlichen Lagerkoller. Saurugg denkt dabei an die Situation in Slowenien während der Eiskatastrophe, als ganze Fußballfelder von Eis und Schnee freigeschaufelt wurden, „nur damit niemand auf dumme Gedanken kommt“. Und auch hier essenziell: Vorräte.
Unruhen
Unruhen, Plünderungen und Ausschreitungen können die Folge von Pandemien, Naturkatastrophen oder eines Blackouts sein. Wie schnell sie aufgrund sozialer Probleme entstehen, sah man vor Jahren in Paris, zuletzt auch in den USA nach der Tötung mehrerer Schwarzer durch die Polizei. Ähnlich wie bei einer Pandemie ist der sicherste Ort bei Unruhen fast immer das eigene Haus, die eigene Wohnung. Hierzulande sorgten in den vergangenen zwölf Monaten fast 30.000