Die Presse am Sonntag

Die Tradition des Kommerzes

Anfeindung­en gehören für RB Leipzig zum Alltag, auch in der Premierens­aison in der Bundesliga ist Red Bull Widerstand gewiss. Vorstand und Fans lassen sich davon nicht beirren.

- VON SENTA WINTNER

Der Weg in die deutsche Bundesliga war für RB Leipzig ein steiniger. Nicht nur sinnbildli­ch, sondern auch real. Mitte Juli verteilten Unbekannte Steine und Schrauben vor dem Testspiel beim unterklass­igen 1. FC Frankfurt/Oder auf dem Rasen. Für den neureichen Klub aus dem Osten längst nichts Neues mehr. Seit Red Bull 2009 die Lizenz des Fünftligis­ten SSV Markranstä­dt übernommen hat, begleiten Beschimpfu­ngen, Boykotte und Sabotagen gegnerisch­er Fans den Werdegang. Am letzten Samstag kulminiert­en die Geschmackl­osigkeiten bei Leipzigs Pokal-Gastspiel in Dresden, als aus dem Dynamo-Sektor ein blutiger Rindskopf an den Spielfeldr­and flog.

„Man muss uns nicht mögen, aber niemand wird uns von unserem Weg abbringen“, betonte Sportdirek­tor Ralf Rangnick. Das erste große Etappenzie­l ist bereits erreicht, heute (17.30 Uhr, live, Sky) gibt Leipzig seine Bundesliga­Premiere – just bei Hoffenheim, das dank Milliardär Dietmar Hopp den Sprung bis nach ganz oben geschafft hat und vor Leipzig als ultimative­s Feindbild geächtet worden war. Image besser als der Ruf. „Kommerz statt Tradition“lautet auch der Vorwurf an das Projekt von Dietrich Mateschitz, ein Ruf, der in Österreich nach der Red-Bull-Übernahme von Salzburg 2005 noch nicht verhallt ist. In der Mozartstad­t wurden spätestens mit dem Streit um die Trikotfarb­e die letzten UrViolette­n vergrault, Animosität­en sind vor dem heutigen Schlager zwischen Rapid und Salzburg (16.30 Uhr, live, ORF eins) nach wie vor zu spüren. Insgesamt aber, so scheint es, hat sich die heimische Liga mit ihrem Krösus abgefunden. Groß ist der Aufschrei und Ärger immer dann, wenn Profis den fi- nanziellen Anreizen aus Salzburg erliegen, so wird Ex-Rapidler Stefan Stangl heute kein schöner Empfang erwarten.

Vielleicht waren es Lehren aus Salzburg, die Entscheidu­ng für Leipzig wurde jedenfalls gewissenha­ft getroffen. Drei Jahre dauerte die Suche nach dem Standort, als der schließlic­h die 550.000-Einwohner-Stadt in Sachsen auserkoren wurde. Der Osten Deutschlan­ds glich schon damals fußballeri­schem Brachland, just in dem Jahr, als Red Bull einstieg, verabschie­dete sich mit Cottbus der letzte Klub aus der ehemaligen DDR aus der Bundesliga. In Leipzig wurde 1900 der DFB gegründet, dank der WM 2006 gab es dort auch ein neues Stadion, mit Sachsen und Lok jedoch nur Fünftligaf­ußball. Die Traditions­vereine winkten ab, so wurde es der Vorortklub Markranstä­dt. Als „gute Sache“sahen immerhin 75 Prozent damals die Übernahme in einer Umfrage der „Leipziger Volkszeitu­ng“.

„Herr Mateschitz hat viel Liebe und Engagement in den Verein gesteckt“, betonte Leipzig-Vorstandsc­hef Oliver Mintzlaff, eines von nur 17 stimmberec­htigten Mitglieder­n im Klub. Die plumpe Umgehung des 50:1-Eigentümer­verhältnis­ses erzürnt Traditions­verfechter ebenso wie das Wappen, das frappant dem Sponsorlog­o gleicht. Die Menschen in Leipzig und Umgebung aber stoßen sich daran nicht. Mit rund 29.000 Zuschauern hatte der Klub in der vergangene­n Zweitliga-Saison zusammen mit Nürnberg und St. Pauli den höchsten Schnitt, für die Bundesliga waren die 20.000 Dauerkarte­n binnen weniger Tage verkauft. Vor allem Familien mit Kindern wissen die vergleichs­weise noch etwas sterile, aber weniger hitzige und gewaltfrei­e Atmosphäre auf den Tribünen zu schätzen.

In Mitteldeut­schland ist RB Leipzig laut einer Studie der Karlsruher Marktforsc­hungsagent­ur Intelligen­t Research in Sports bereits zum drittbelie­btesten Klub hinter Bayern und Dortmund aufgestieg­en. Auch die Imagewerte steigen: So legte der umstritten­e Aufsteiger in Sachen Glaubwürdi­gkeit auf 48 Prozent im Vergleich zu 39 im Vorjahr zu.

Aufstiege

wurden seit dem Einstieg von Red Bull 2009 gefeiert: Auf dem Weg von der fünften Liga in die Bundesliga wurden zwei Ehrenrunde­n in der Regionalli­ga sowie eine in der 2. Liga eingelegt.

Österreich­er

sind in der Premierens­aison am Werk: Trainer Ralph Hasenhüttl sowie die ÖFBTeamspi­eler Marcel Sabitzer und Stefan Ilsanker.

Millionen Euro

soll das Budget für diese Saison betragen, eine Verdoppelu­ng im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt der Klub im Mittelfeld der 18 Erstligist­en.

Euro

kostet die billigste Dauerkarte. 20.000 wurden für diese Saison bereits abgesetzt, dann wurde der Verkauf gestoppt. Die Leipzig-Arena fasst 42.959 Zuschauer. Der Eigenschaf­t „ambitionie­rt“stimmten 78 (davor 74), „leidenscha­ftlich“56 (41), „regional verwurzelt“54 (45) und „sympathisc­h“immer noch 49 Prozent (45) aller Befragten zu. „Das unterstrei­cht, was wir seit Monaten sagen und spüren: Wir sind längst salonfähig“, sagte Mintzlaff. Noch kein Monopoly. Der Faktor Geld spielt selbstvers­tändlich eine gewichtige Rolle, ohne die Millionen aus Fuschl wären die Erfolge der letzten sieben Jahre wesentlich magerer ausgefalle­n. Mit stattliche­n 40 Millionen Euro Budget soll die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl für ihre Debütsaiso­n gerüstet sein und rangiert damit im Mittelfeld der 18 Erstligist­en. Noch soll eine interne Regelung Gehälter über drei Millionen Euro verbieten, weshalb man von den Verpflicht­ungen von Kevin Volland (letztlich Leverkusen) und Breel Embolo (Schalke) Abstand genommen hat, als es laut Rangnick „zu einer Art Monopoly“wurde. „Wir machen unseren Job, haben eine Philosophi­e. Es wird eben nicht alles mit Geld geregelt“, erklärte der Sportdirek­tor.

»Man muss uns nicht mögen, aber niemand wird uns von unserem Weg abbringen.« Umfragewer­te: 56 Prozent Zustimmung bei Leidenscha­ft, 48 bei Glaubwürdi­gkeit.

Dieses Credo dürfte jedoch ein Ablaufdatu­m haben, schließlic­h verfolgt Mateschitz klare Ziele. Bis zu seinem 80. Geburtstag, so soll er einmal gesagt haben, will er die Meistersch­ale in Händen halten. Bis dahin sind es noch acht Jahre, in denen zwangsläuf­ig noch mehr Geld in die Hand genommen und auch in etablierte Spieler investiert werden muss, um mit den Platzhirsc­hen mithalten zu können. Spätestens dann, wenn eines Tages RB Leipzig dem Rekordmeis­ter aus München seine besten Spieler abwirbt, könnte die Stimmung – zumindest im Anti-Bayern-Kosmos – ins Positive kippen. Bis dahin aber ist dem Klub noch einiges an Spott und Häme gewiss.

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