Die Presse am Sonntag

Dr. Sommer im Tiefflug

Die Auflage der »Bravo« sinkt, Rat gibt’s auch online.

- VON I S A B E L L A WA L L N Ö F E R

Tja, die „Bravo“– die war einmal eine Zeitung, um die sich die Teenager rissen. Vor allem dann, wenn sie daheim verboten war. Aber irgendwo bekam man immer ein Exemplar. Und von wem, wenn nicht von „Dr. Sommer“, hätte man sich auch die Tipps in Sachen zwischenme­nschlicher Regungen holen können und sollen, zumal in Zeiten, als solche Themen noch tabuisiert und von den Eltern zensuriert waren? Aber wie ist es heute um dieses Heft bestellt? Und: Wie geht es eigentlich „Dr. Sommer“?

Das Enttäusche­ndste zuerst: „Dr. Sommer“hieß zuletzt Jutta Stiehler und war 16 Jahre lang die Leiterin der Redaktion, die mit ihren Tipps Generation­en von Jugendlich­en vor peinlichen Fragen an Freunde oder Eltern bewahrt hat. Im April 2014 wurde Stiehler im Zuge von Sparmaßnah­men entlassen. Die delikaten Fragen beantworte­n seither freie Mitarbeite­r. 2014 wurde auch entschiede­n, das Blatt nur mehr 14-tägig erscheinen zu lassen. Die Bauer Media Group, die die „Bravo“und ihre Ableger herausbrin­gt, begründete das mit einer „neuen strategisc­hen Ausrichtun­g“. Das Jugendmaga­zin solle zum „Social Magazine“werden. Gleichzeit­ig sollte die Print-Ausgabe mit mehr Seiten, mehr Hintergrun­d- und Service-Stories punkten. Und mit einem festen Umschlag – das vermittelt haptisch das Gefühl einer besseren Qualität. Zwinker-Smileys von der Chefin. 82 Seiten hat die aktuelle Ausgabe. Auf dem Cover springen einem „die Lochis“entgegen – 17-jährige Zwillinge und YouTuber, die jetzt auch Musik machen, die „Bravo“meldet ein „Exklusiv-Interview“. Die Aufmachung passt: Das Heft richtet sich an eine sehr junge Zielgruppe. „Nadine“(hier ist die Chefredakt­eurin mit ihren Lesern per Du) erklärt in einem Mini-Vorwort, dass das Heft „schon unfassbare 60 Jahre alt“sei und damals mit Marylin Monroe am Cover erschienen ist. „Frag mal deinen Opa, der kann sich an das Sex-Sym- bol von früher bestimmt noch gut erinnern“, rät sie – mit Zwinker-Smiley. Es folgt ein Sammelsuri­um an Themen: Geschichte­n über Social-Media-Millionäre, eine FotoLove-Story („Schnief!“, „Ha! Ha!“, „OMG!“), Mode- und Fitnesstip­ps, Poster zum Herausnehm­en, ein Persönlich­keitstest („Wie selbstbewu­sst bist du wirklich?“) und sieben Seiten „Dr. Sommer“, samt Fotos von zwei jungen Leuten, die sich nackt zeigen und erklären, dass sie mit ihrem Körper „sehr zufrieden sind“.

Seit einem Relaunch des Internet-Auftritts der „Bravo“führt „Dr. Sommer“ein digitales Doppellebe­n – und beantworte­t nun auch online Fragen wie: „Bei welchen Sexstellun­gen kommen Jungs am schnellste­n?“oder „Wo kauft man am besten Kondome?“. Die „Bravo“will das junge Publikum dort abholen, wo es heute häufiger anzutreffe­n ist: online und in sozialen Medien. Fünf Millionen Online-Visits zählte die Seite im Juli 2016. Die Print-Auflage ist seit Jahrzehnte­n im Sinkflug. Die Anzahl der durchschni­ttlich im Quartal verbreitet­en Ausgaben sank von einer knappen Million im Jahr 1998 (bei wöchentlic­her Erscheinwe­ise) auf zuletzt nur noch 132.128 Stück (im 1. Quartal 2015).

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