SCHLOSS HOF
Es ist, wenn man so will, ein großes, dreidimensionales Puzzle mit riesigen, steinernen Puzzleteilen. Und eines, das nie ganz fertiggestellt werden kann, weil schlicht viele Teile fehlen. Es sind historische Reliefs aus dem 18. Jahrhundert, die hier, in einem Nebenhof auf Schloss Hof im niederösterreichischen Marchfeld, nebeneinander liegen: ein Gesicht hier (ein Bub? ein Engel?), ein Fuß da, dann wieder eine vollständige mythologische Figur, die sich über zwei große Steine zieht und schon richtig zusammengefügt werden konnte.
Dass es diese Reliefteile überhaupt gibt, ist eine kleine Sensation: Galten sie doch – als Teil der gewaltigen Großen Kaskade, des größten Brunnens auf Schloss Hof – als verloren. Um 1860 wurden die meisten Becken zugeschüttet, die Skulpturen abgetragen. Auch die Große Kaskade, einst zentraler Teil der barocken Wasserspiele, wurde abgerissen und an ihrer Stelle eine Stützmauer errichtet.
Erst vor zwei Jahren wurde diese Mauer im Zuge der Generalsanierung der Schlossanlage – in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt – wieder abgetragen. Und brachte Erstaunliches zutage: Denn für die Errichtung der Mauer wurden seinerzeit viele Teile des einstigen Barockbrunnens verwendet, die die Jahrhunderte weitgehend unbeschadet überstanden haben (abgesehen davon, dass viele Reliefteile leider abgeschlagen wurden). So sind etwa 40 Prozent der einstigen Reliefflächen der Kaskadenwand wieder aufgetaucht (auch wenn man noch nicht alle genau zuordnen kann) sowie ein Großteil der Spolien, der baulichen Überreste des Brunnens, etwa die Randsteine des Beckens.
Mit diesen Originalteilen (und neuen Teilen) wird die Große Kaskade, die Prinz Eugen ab 1726 im Zuge der gesamten Schlossanlage errichten ließ, nun wieder rekonstruiert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Endergebnis – der Brunnen soll im Herbst nächsten Jahres fertig sein – dem Original dank der Funde und akribischer Recherche sehr nahe kommen. „Wir haben“, sagt Hermann Fuchsberger, der das Bundesdenkmalamt Niederöster- reich leitet, „eine sehr hohe Sicherheit, dass wir richtig arbeiten.“
Eine der wichtigsten Quellen für die authentische Rekonstruktion ist ein Ölgemälde von Bernardo Bellotto (besser bekannt als Canaletto), das die Gartenanlage samt Schloss zeigt und dabei hilft, die Proportionen des einstigen Brunnens abzuschätzen. Auch wenn, wie Experten vermuten, nicht alle gezeigten Figuren tatsächlich existierten – möglicherweise hat Canaletto sich die eine oder andere künstlerische Freiheit genommen. 3D-Scan. Beauftragt wurden mit der gewaltigen Rekonstruktion – ein Blick vom Schloss auf die riesige Baustelle mitten im Schlosspark lässt die Dimension erkennen – der Architekt Georg Töpfer und die Restauratorin Susanne Beseler, die den Wettbewerb vor zwei Jahren für sich entschieden haben. Nach intensiver Vorarbeit – unter anderem wurden alle gefundenen Steine 3D-gescannt – laufen seit einigen Wochen die tatsächlichen Bauarbeiten. Für die Besucher des Schlosses bedeutet das nicht nur, dass sie während des Spaziergangs durch den prächtigen Schlosspark vorübergehend an einer Baustelle vorbeikommen, diese kann an ausgewählten Terminen auch im Rahmen von Spezialführungen besichtigt werden. Das riesige untere Becken des zweistöckigen Brunnens lässt sich derzeit schon erahnen, einen großen Teil der Baustelle macht aber auch die komplexe Filteranlage aus, die ebenfalls gerade gebaut und die dank eines mikrobiologischen Wasseraufbereitungssystems ohne Chemie auskommen wird.
Die Wiederherstellung der Großen Kaskade, dem größten der Zierbrunnen auf Schloss Hof (die anderen sind bereits alle restauriert), hat natürlich seinen Preis: 3,5 Millionen Euro nimmt die Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft (SKB), zu der Schloss Hof seit 2015 gehört, dafür in die Hand. Für Franz Sattlecker, immerhin seit fast 25 Jahren Geschäftsführer der SKB und damit zahlreiche Bauarbeiten gewöhnt, ist die Baustelle „die größte, die ich jemals gesehen habe“.
Mit der Rekonstruktion der Großen Kaskade, die wie früher rund 650 Quadratmeter Wasseroberfläche und einen vierstufigen Wasserfall über viereinhalb
Ab 1726
lässt Prinz Eugen Schloss Hof als repräsentativen Jagdsitz errichten. Das Ensemble ist auch für seine barocke Wassertechnik bekannt. Um 1860 wurde die Brunnenanlage demontiert.
Seit 2002
wird das Schloss Hof generalsaniert. 2014 wurden überraschend Teile der Großen Kaskade entdeckt, die derzeit rekonstruiert wird.
Im Herbst 2017
soll der Brunnen fertiggestellt sein. Höhenmeter haben wird, ist Sattlecker seinem Ziel ein gutes Stück näher, nämlich: Schloss Hof in seiner Gesamtheit so zu präsentieren, wie es zu Prinz Eugens Zeiten ausgesehen hat.
Ein barockes Schloss, dessen Gartenanlage bis ins Detail geplant war und dessen Wasserspiele seinerzeit ein technisches Meisterwerk waren. Mittels eines eigens konstruierten Schöpfwerks wurde Wasser aus den Groißenbrunner Teichen in die „Wassermaschine“des Schlosses eingespeist. Von hier aus floss das Wasser kilometerweit zum Schloss, wo es mit Schiebern und Wechseln in die Bassins und zu den Fontänen gelangte. Schon damals galt die Große Kaskade – mit der Figur des Apoll in der Mitte – als Höhepunkt der Wasserspiele.
Die Besichtigung der Brunnenbauarbeiten sei, sagt Sattlecker, daher nicht nur für technisch interessierte Besucher interessant, sondern auch für kunsthistorisch Begeisterte. Wer sich (auch) für das Schloss interessiert: Auch hier gibt es regelmäßig Führungen, etwa „zum unbekannten Schloss Hof“(Sa und So, 16 Uhr). Am kommenden Sonntag (2. 10., ab 13 Uhr) wird Prinz Eugens Sommer- zum Luftschloss, wenn hier das Drachensteigfest stattfindet.
Schloss Hof ist bis 27. 11. täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Spezialführungen zur Baustelle: Jeden Sonn- und Feiertag im Oktober und November, 13.30 Uhr. Infos: www.schlosshof.at