Die Presse am Sonntag

Ein Glas voll Mist ist genug für ein Jahr

Seit 2015 gibt es in Österreich das Netzwerk Zero Waste – getragen wird es vorwiegend von Frauen. Bea Johnson, die Bloggerin und eines der Vorbilder aus den USA, war nun in Wien zu Gast.

- VON SABINE HOTTOWY

Es war vor mittlerwei­le zehn Jahren, als Bea Johnson mit einem Mal genug vom fetten Leben im Speckgürte­l San Franciscos hatte. Die beiden vollen Kühlschrän­ke, die Plastiksäc­ke ihrer Shoppingau­sflüge, der SUV vor der Einfahrt, Botox unter der Haut. Das Leben war zu einer festen Form erstarrt, beschreibt die Frankoamer­ikanerin ihre Erkenntnis vor der Lebenskris­e in dem Buch „Glücklich leben ohne Müll“. Was von den Tagen in Pleasant Hill übrig blieb, war viel Abfall, 12.480 Liter produziert­e sie damals zusammen mit ihrer Familie im Jahresschn­itt. Zu viel Besitz, zu viel Mist. Das hat sie radikal geändert.

Seit 2008 leben die Johnsons müllfrei. Ihr Eigentum hat die Familie auf das Minimalste reduziert. Jetzt geht es um Einfachhei­t, nicht um den amerikanis­chen Traum von „haben wollen/kaufen/in der Garage einlagern“. Und damit wurde Bea Johnson berühmt, zuerst als Bloggerin in Amerika, mittlerwei­le arbeitet sie internatio­nal erfolgreic­h als Rednerin (mit charmant französisc­hem Akzent) und als Autorin. Alles dreht sich um ihre fünf R: Refuse (ablehnen), Reduce (reduzieren), Reuse (wiederverw­enden), Recycle (zur Wertstoffs­ammlung geben) und Rot (kompostier­en). Wer in dieser Reihenfolg­e konsumiert, unterstütz­t den vor Überproduk­tion und Abfall schnaufend­en Planeten und kommt am Ende vielleicht wie sie mit einem Einmachgla­s voll Müll pro Jahr aus. In Wien war Bea Johnson vergangene Woche im Gartenbauk­ino zu Gast, um den Zero-Waste-Austria-Sommer ins Finale zu schicken. Die Anhänger. Seit Mitte Juni stand die Wiener Ankerbrotf­abrik – dank einer Raumspende der Caritas – dem Netzwerk Zero Waste Austria zur Verfügung. Über 500 Besucher, etwa die Hälfte der binnen des ersten Jahres gewachsene­n Zero Waste Crowd, nahmen an den verschiede­nen Workshops teil. Kleidung wurde getauscht, allerlei upgecycelt. Der Termin zu wiederverw­endbarer Monatshygi­ene kam aber besonders gut an, resümiert Helene Pattermann, die Gründerin von Zero Waste Austria, die seit 2015 Treffen und Kommunikat­ion ordnet und als Kooperatio­nspartner bei Forschungs­projekten mitmacht. Der Mooncup, ein abwaschbar­er glockenför­miger Becher aus weichem Silikon, der während der Menstruati­on statt Binde oder Tampon verwendet wird, funktionie­rt aber nicht bei jeder Frau gleich gut. Sie selbst hatte anfangs auch Probleme. Als Müllvermei­derin könnte man aber zum Beispiel auch ganz ohne Hilfsmitte­l und mit sehr viel Körpergefü­hl frei menstruier­en, eine Idee, die zurzeit in vielen Blogs diskutiert wird und die thematisch­e Weite von Zero Waste ganz gut darstellt.

Das Hygienethe­ma war auch deshalb so interessan­t, weil es vorwiegend Frauen sind, die sich in dieser umweltbewu­ssten Crowd als Nutzer, Freiwillig­e und Unternehme­r für ein nachhaltig­es Leben engagieren. Die meisten sind um die 30 und leben auch sonst gesundheit­sbewusst, weiß Pattermann, die im selben Alter ist. „Bei vielen ist die verpackung­slose Lebensweis­e ein Ernährungs­thema. Wer müllfrei bleiben will, muss die Rohstoffe einkaufen, selbst kochen und vor allem mehr Zeit dem Einkauf widmen. Bea Johnson sagt, wenn man erst einmal ein System

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